Mozart im Sudetenland

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Dass sich das Mozart-Jahr nicht nur von seiner musikalischen, sondern auch von seiner geschäftlichen Seite zeigen wird, davon können wir getrost ausgehen. Dass aber manche Politiker den Bogen gleich bis zu den tschechisch-deutschen Beziehungen spannen und im Zusammenhang mit dem Komponisten eine neue Debatte rund um die Vertreibung von Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg anzetteln, noch bevor das Mozart-Jahr überhaupt begonnen hat, das ist doch eine Überraschung. Ein Radio-Feuilleton von Gerald Schubert:

Geschichte eins:

Zwei alte Herren, seit Jahren schon gut befreundet, gehen in ihrer Stadt spazieren. Sie bleiben vor einem Haus mit grünem Anstrich stehen, und der eine sagt zum anderen: "Sieh mal, in diesem grünen Haus hat früher Martin Kopalek gewohnt. Du weißt schon, der große Fußballer!" In diesem Augenblick kommt ein kleines seltsames Männchen des Weges und droht wütend mit seinem Stock. "Kopalek hat selbstverständlich niemals in dem grünen Haus gewohnt!" schreit das Männchen. "Als Kopalek hier gewohnt hat, war das Haus schön dunkelgelb und hatte noch nicht diesen neuen Anstrich. Ich verwahre mich auf das Schärfste gegen diese Form der Geschichtsverfälschung! Außerdem verhöhnen Sie die Opfer des Großen Fiebers, das später in diesem Haus gewütet hat!"

Geschichte zwei:

Die Agentur "czech tourism" organisiert eine Tourismus-Werbekampagne in Österreich. Auf ihren Plakaten kann man folgenden Text lesen: "W. A. Mozart verweilte 5x in Tschechien...Und Sie?" Da kommt ein Politiker der Freiheitlichen Partei Österreichs des Weges und sagt: Mozart war selbstverständlich niemals in Tschechien. Mozart war in Prag, das damals als deutsche Stadt galt. Er, der Politiker, verwahre sich auf das Schärfste gegen diese Form der Geschichtsverfälschung. Außerdem verhöhne die Kampagne "die Opfer des tschechischen Massenmordes an Sudetendeutschen".

Die erste Geschichte ist frei erfunden, die zweite ist wahr und trug sich diese Woche zu.

Epilog:

Das grüne Haus ist heute eine Schule. Weil das Männchen unten immer noch schreit und wütend mit seinem Stock droht, ruft eine Lehrerin aus dem Fenster: "So hören Sie doch auf, so zu brüllen! Hier ist Geschichtsunterricht. Bei diesem Lärm kann sich doch niemand konzentrieren!" Möglicherweise aber will das Männchen ja gar nicht, dass die Kinder sich konzentrieren. Denn wer weiß, was die Lehrerin da oben über das Große Fieber und seine Vorgeschichte so alles erzählt?