Mumien in Brünn (II) – Baron Trenck und Wiener Pharaonen

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Dass Mumien nicht nur im alten Ägypten zu finden, sondern zum Beispiel auch im mährischen Brünn, das haben wir Ihnen in der letzten Ausgabe des Kultursalons bei einem Spaziergang durch die Brünner Kapuzinergruft bewiesen. Den berühmtesten Toten der Gruft haben wir ihnen dabei aber noch gar nicht vorgestellt. Und auch sonst warten neben mährischen Mumien noch einige Schemen aus dem Brünner Schattenreich auf Sie.

Im einfachen Mönchshabit auf die nackte Erde gebettet, so liegen im letzten Gewölbe der Brünner Kapuzinergruft die Brüder des Ordens bestattet – ohne Sarg, den Kopf nur auf einen harten Ziegelstein gebettet, vom leichten Luftzug in der Gruft für die Jahrhunderte mumifiziert. Auch der wohl berühmteste Tote der Gruft hat hier einstmals so geruht, bis der mumifizierte Leichnam 1872 von einem Nachkommen in den mächtigen Zinksarg umgebettet wurde, unter dessen gläsernem Deckel er bis heute zu sehen ist: Es ist der Pandurenhauptmann Franz Freiherr von der Trenck, erzählt Bruder Pavel, Vorsteher der Brünner Kapuziner und mein Führer durch die Klostergruft.

„Trenck war das, was man heute wohl eine kontroverse Person nennen würde. Ohne Frage ist er ein genialer Kriegsherr gewesen– schon seit seiner frühesten Jugend war er auf den Schlachtfeldern zu finden. Er war auch physisch eine eindrucksvolle Gestalt – wenn man seinen Leichnam hier im Sarg mit den anderen Mumien vergleicht, dann sieht man bis heute, dass er wirklich ein großer und ungemein kräftiger Mensch war. Er war intelligent, sehr begabt, sprach sieben Sprachen, und war zugleich aber wild und unbezähmt. Während der österreichischen Erbfolgekriege hat er auf eigene Faust ein so genanntes Pandurenregiment aufgestellt, eine gefürchtete Truppe aus Räubern, Taugenichtsen und Galgenvögeln, die dem Gegner großen Schaden zugefügt haben. Viele Militärs waren damals gegen eine solche Kriegsführung, weil die im Widerspruch zu der damaligen Ethik gestanden hat. Aber Maria Theresia war in Not, daher hat sie die Hilfe von Trenck dankend angenommen.“

Trenck und seine Panduren sind Männer für das Grobe, echte Haudegen. In Nordböhmen erbeuten sie nicht nur die Kriegskasse der Preußen, sondern nehmen gleich auch noch das persönliche silberne Teeservice Friedrichs des Großen mit. Aber auch im eigenen Lager lässt sich der Freiherr keine Zügel anlegen.

„Trenck war ein Liebling am Hofe, aber schließlich hat er seine Bubenstücke so weit getrieben, dass auch Maria Theresia ihn nicht mehr schützen konnte, und er wurde zu schwerem Kerker hier auf dem Spielberg verurteilt. Und obwohl Trenck ein Mensch mit eiserner Gesundheit war und auf den Schlachtfeldern viel ausgehalten hat, ist er auf dem Spielberg binnen eines Jahres krank geworden und gestorben.“

Wie sein Leben, so ist auch der Tod des Freiherrn von vielen Legenden umgeben. Die Ursache für die meisten von ihnen ist deutlich durch den Glasdeckel des Sarges zu sehen. Niemand weiß warum, aber seit Menschengedenken ist der Kopf des Freiherrn vom Rumpf abgetrennt. Wie aber kommt der stolze Adelige überhaupt in die Gruft der Bettelmönche?

„Auf dem Spielberg sind zu ihm die Kapuziner gekommen, denen die geistliche Fürsorge für die Gefangenen oblag. Trenck hat sich mit ihnen angefreundet und sich vor seinem Tod gewünscht, in der Kapuzinergruft beigesetzt zu werden – genau wie die anderen Brüder in einfacher Mönchskutte auf die nackte Erde gebettet. Gestorben ist Trenck übrigens am 4. Oktober, am Tag des Heiligen Franziskus, der auch Patron der Kapuzinerordens ist.“

Ich verlasse jetzt aber mit Bruder Pavel die Welt der Toten, und mehr über Freiherr Franz von Treck erfahren wir von Historiker Jiří Vaněk oben auf dem Spielberg.

Die Gegenwart und vor allem das Sonnenlicht hat mich wieder. Und durch die engen Gassen der Brünner Altstadt geht es jetzt hoch auf den Spielberg mit seinen Kasematten. Die waren früher berüchtigt als Kerker der Nationen, als Staatsgefängnis der österreichischen Monarchie. Heute sitzt dort das Brünner Stadtmuseum.

Mit dem ist auch Jiří Vaněk eng verbunden – er ist der pensionierte Direktor des Museums und Experte für den Freiherrn von Trenck und erwartet mich in den historischen Kasematten, wo der Baron einst gefangen saß.

Aus dem sonnendurchfluteten Festungshof geht es jetzt ein paar Stufen hoch, und dann treten wir durch ein enges Tor in das Halbdunkel der Kasematten, die sich hier in zwei Ebenen unter der ganzen Festung entlang ziehen. Und gleich links, hinter einer schweren Holztür, befindet sich die Zelle des Barons Trenck. so hat man es sich jedenfalls lange erzählt, hier in Brünn.

Burg Spielberg in Brünn
„Wir sind hier im oberen Geschoss der Kasematten, die 1784 als Gefängnistrakt für Schwerstverbrecher eingerichtet wurden, für Räuber, Mörder und ähnliche. Als dann nach 1880 die Kasematten als Attraktion der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, hat man einfach beschlossen, dass sich diese Zelle für den Baron Trenck geeignet haben könnte. Aber das ist nur eine Legende – zu Trencks Zeiten hat das hier noch gar nicht als Gefängnis gedient.

Wo der Freiherr inhaftiert war, darüber kann man heute nur Mutmaßungen anstellen. Sicher ist, dass er 1748 auf den Spielberg kam und am 4. Oktober 1749, im Alter von nur 38 Jahren hier starb:

„Zum Ende seines Lebens war er ein gebrochener und kranker Mann, ein Büßer, der den Frieden mit Gott und mit seiner Herrin, der Kaiserin, gesucht hat, die er als Untergebener sehr geliebt hat.“

Als treuer Krieger Maria Theresias habe Trenck auf allerhöchste Gnade gehofft, meint Historiker Jiří Vaněk. Spekulationen über eine abenteuerliche Flucht des Barons mit inszeniertem Tod und vertauschtem Leichnam verweist Vaněk ins Reich der Legende. Gerade der abgetrennte Kopf des Freiherrn hatte solchen Mutmaßungen immer wieder Nahrung gegeben.

„Schwer, nach so langer Zeit zu sagen, was daran wirklich wahr ist, aber ich habe doch meine starken Zweifel. Andere Legenden sagen, dass sein Kopf aus der Gruft gestohlen wurde. Auf jeden Fall: Als wir 1999 hier auf dem Spielberg die Ausstellung zu Trencks 250. Todestag vorbereitet haben, da wurde auch seine Mumie in der Kapuzinergruft eingehend untersucht, und zwar von einem Gerichtsmediziner der Universität. Der hat auch überprüft, ob die Teile von Trencks Leichnam überhaupt zusammen gehören, und das Ergebnis war, dass Kopf und Körper mit der höchsten Wahrscheinlichkeit dem gleichen Menschen gehört haben. Die Legenden, dass Trencks Kopf gestohlen und durch einen anderen ersetzt worden ist, sind also aller Wahrscheinlichkeit nach frei erfunden.“

Und wer jetzt einen langen Tag in Brünn auf den Spuren von Baron Trenck und den Mumien der Kapunzinergruft noch stilecht abschließen will, der kann mit mir vom Spielberg herabsteigen und mich ins Café Spolek begleiten….

Ich war heute in Sachen Mumien unterwegs. Etwas von Mumien kann man auch hier in diesem Café finden – auch wenn es gar nicht danach aussieht. Was ist denn das?

Maria Theresia
„Das ist das Eichenparkett, das wir hier haben. Und zwar haben wir lange Zeit nicht gewusst, was wir hier für einen Boden legen werden. Und da hat es sich so ergeben, dass meine Schwester als Restauration im Kunsthistorischen Museum in Wien gearbeitet hat. Und die hat mir gesagt, dass dort gerade der Mumiensaal umgebaut wird. Der Boden im Mumiensaal trägt die schweren Sarkophage nicht mehr, deshalb soll dort ein Steinboden gelegt werden. Da haben wir uns also ein Wochenende lang nach Wien begeben und aus den Mumiensälen des Kunsthistorischen Museums vorsichtig das Parkett herausgenommen, auf Paletten gestapelt und hier im Spolek wieder neu verlegt.

Hat sich etwas vom Genius der Wiener Mumien ins Spolek übertragen?

„Es gibt immer wieder Probleme mit den Wasseranschlüssen und mit den Abflüssen, aber das da ein Geist dahinter steckt, das glaube ich nicht.

Kein Fluch des Pharao?

„Ich glaube nicht. Nicht mal schwere Krankheiten. Man kann also jederzeit kommen.“

Und das gilt natürlich auch für ganz Brünn mit den düsteren Spielberg-Kasematten und den zeitentrückten Mumien in der Schattenwelt der Kapuzinergruft.


Dieser Beitrag wurde am 22. Juni 2008 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.