MUS-Privatisierung: Tschechiens Politiker wollen Milliarden aus der Schweiz zurückholen

Foto: Zdeňka Kuchyňová

Lange Zeit haben sich die tschechischen Politiker nicht dafür interessiert, was Ende der 90er Jahre bei der Privatisierung der Braunkohlefördergesellschaft Most (MUS) so alles geschah. Doch seitdem bekannt ist, dass im Zuge der Privatisierung zwölf Milliarden Kronen auf Bankkonten in der Schweiz geparkt wurden, die der tschechische Staat eventuell zurückerhalten könnte, platzen sie schier vor Tatendrang.

Es gibt das geflügelte Wort von den „Leichen im Keller“, das sich im übertragenen Sinn auf vermutete und verdeckte negative Begleiterscheinungen bezieht. Oft kommen diese Leichen erst viele Jahre später zum Vorschein. Praktisch der ganze Privatisierungsprozess in Tschechien, wie er seit den frühen 90er Jahren vonstatten ging, wird wegen seiner fast schon legendären Undurchsichtigkeit von solchen „Kellerleichen“ gesäumt. Das jüngste Beispiel dafür liefern die Umstände beim Verkauf der Mostecká uhelná společnost (MUS), also der Braunkohlefördergesellschaft im nordböhmischen Most / Brüx, die zu den größten Unternehmen dieser Branche in Tschechien gehört.

Foto: Barbora Kmentová
Gegen führende ehemalige Manager der Gesellschaft wird schon seit langem in der Schweiz ermittelt, und zwar wegen des Verdachts, sie hätten beim Kauf des Unternehmens auf Gelder des Staates zurückgegriffen – Gelder, die ursprünglich für die Sanierung der Schäden durch den Tagebau in Nordböhmen gedacht waren. Des Weiteren wird gegen die Manager auch wegen möglicher Geldwäsche ermittelt.

Insgesamt sollen auf diese Weise bis zu zwölf Milliarden Kronen, umgerechnet 400 Millionen Euro, auf Bankkonten in der Schweiz gelandet sein – eine Summe, die wohl den Finanzminister jedes Landes freuen würde, wenn er sie in seiner Haushaltsplanung verbuchen könnte. Aber natürlich wäre auch der Imagegewinn für jene Regierung gewaltig, der es gelänge, das im Zuge dieser Privatisierung außer Landes gebrachte Geld wieder zurückzuholen.

Pavel Zeman | Foto: Tschechisches Fernsehen
Das erklärt auch, warum der Fall dieser Privatisierung seit geraumer Zeit ganz oben auf der politischen Agenda der Regierung steht, und sie fast fieberhaft nach Wegen sucht, die zwölf Milliarden Kronen wiederzuerhalten. Das Problem jedoch: Unter Umständen könnte Tschechien die Frist versäumt haben, um sich am Verfahren in der Schweiz als eine der geschädigten Parteien zu beteiligen und damit auch auf die Höhe des möglichen Strafmaßes Einfluss zu nehmen.

Vergangenen Freitag trafen sich nun die Spitzen der Regierung mit dem Obersten Staatsanwalt des Landes, Pavel Zeman, um über die geeignete Vorgehensweise zu beraten. Im Vorfeld äußerte vor allem die stellvertretende Regierungschefin Karolína Peake, die gleichzeitig auch den Kampf gegen Korruption koordiniert, ihr Erstaunen darüber, dass Tschechien bisher sämtliche Fristen verstreichen ließ:

Karolína Peake
„Aufgrund der Informationen, die ich zur Verfügung habe, lässt sich von einer groben Fahrlässigkeit von Seiten des tschechischen Staates sprechen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum es so weit kommen konnte“, so Peake.

In der Kritik stehen dabei vor allem das Justizministerium sowie die Oberstaatsanwaltschaft und das Finanzministerium. Diese hätten auf entsprechende Aufforderungen der Schweizer Ermittler an tschechische Behörden, sich am Verfahren zu beteiligen, entweder gar nicht oder nur unzureichend reagiert. Damit ist wohl wertvolle Zeit verloren gegangen. Diesen Vorwurf haben die beiden zuständigen Minister – Jiří Pospíšil für die Justiz und Miroslav Kalousek als Finanzminister - allerdings scharf zurückgewiesen.

Miroslav Kalousek  (Foto: ČTK)
„Wir stimmen nicht mit dem Standpunkt von Frau Peake überein, dass man in dieser Angelegenheit gegenwärtig nichts unternehmen kann. Wir glauben, dass es Mittel gibt, auch wenn sie von der Zeit her anspruchsvoller sein mögen, als wenn das Finanzministerium bereits vor der Anklageerhebung die Ansprüche des tschechischen Staates geltend gemacht hätte“, Justizminister Pospíšil.

Und Kalousek:

„Ich als Finanzminister kann nur festhalten, dass wir in der Staatskasse keinen entsprechenden Fehlbetrag verbucht haben. Aber wir können zum gegebenen Zeitpunkt nicht von uns aus sagen, wie hoch der Schaden war, der dem tschechischen Staat bei der Privatisierung entstanden sein könnte. Dazu muss zunächst der Tatbestand festgestellt werden, der dazu geführt haben könnte. Die tschechische Staatsanwaltschaft befasst sich schon seit fünf Jahren mit diesem Privatisierungsfall. Wir haben wiederholt an die Staatsanwaltschaft appelliert, den Tatbestand zu definieren, anhand dessen ein möglicher Schaden entstanden sein könnte, weil wir von keinem solchen wissen.“

Jiří Pospíšil
Bei dem besagten Krisentreffen vom vergangenen Freitag wurde beschlossen, dass ein spezielles Team von Experten zusammengestellt wird, das so schnell wie möglich den Kontakt zu den Behörden in der Schweiz aufnimmt. Ebenso wird der Staat eigens einen Schweizer Anwalt engagieren, der Tschechien in dem Fall vertreten soll, wie Justizminister Pospíšil nach dem Treffen verkündete:

„Zu diesem Zeitpunkt ist es wichtig, dass ein klarer Fahrplan festgelegt und ein Anwalt benannt wird, der in der Schweiz Akteneinsicht erhält. Das Finanzministerium braucht klare Unterlagen für weitere Schritte. Momentan wäre es nicht fair, die Chancen auf einen Erfolg einzuschätzen. Es muss aber korrekterweise gesagt werden, dass der Umstand, dass irgendwo zwölf Milliarden Kronen aufgetaucht sind, noch bei Weitem nicht bedeutet, dass diese Summe automatisch dem Staat zufallen würde. Wichtig wird der Ausgang des Strafprozesses gegen die sieben Beschuldigten sein. Sollten sie für schuldig erklärt werden, dann wird man erst beginnen herauszufinden, wer der eigentliche Geschädigte ist und wem daher das Geld gehört. Das alles kann noch sehr lange dauern. Es ist also nicht seriös zu behaupten, wie das teilweise leider einige Medien tun, dass irgendwo zwölf Milliarden frei herumliegen und Tschechien es versäumt hat, dieses Geld abzuholen.“

Jaroslav Fenyk
Auch weitere Rechtsexperten verhehlen nicht ihre Skepsis, was die Erfolgsaussichten Tschechiens angeht. So weist zum Beispiel der frühere stellvertretende Oberste Staatsanwalt Jaroslav Fenyk, der heute als Dozent an der Juristischen Fakultät in Brno / Brünn unterrichtet, noch auf einen anderen Aspekt hin:

„Es gibt da eine Unbekannte, die noch nicht diskutiert wurde, und zwar die Frage, was mit dem behördlich sichergestellten Geld geschehen soll. Zum einen kann dieser Betrag zur Schadensbegleichung genutzt werden, sofern jemand für schuldig gesprochen werden sollte, aber auf der anderen Seite könnte das Geld zur Gänze auch an die Schweiz fallen.“