MUS-Affäre: Tschechien wartet vorerst Schweizer Berufungsentscheid ab

In Fragen der internationalen Gerichtsbarkeit hat Tschechien offensichtlich immer noch Nachholbedarf. Seit ihrer Gründung vor 19 Jahren hat die junge Republik bei internationalen Schiedsgerichten schon mehrere Verfahren verloren, und auch in einem neuen Fall glänzt die tschechische Justiz nicht gerade mit Bestnoten. Die Rede ist von der der Affäre um die tschechische Kohlegesellschaft Mostecká uhelná společnost (MUS), bei der sich der tschechische Staat in einem Strafprozess, der seit Oktober vorigen Jahres in der Schweiz geführt wird, auch einmal einige Milliarden Kronen zurückholen könnte. Nach unnötigen Versäumnissen der hiesigen Staatsanwaltschaft aber unternimmt die Regierung Nečas nun einiges, um retten, was zu retten ist.

Kohleförderung
Zur Ausgangslage: Ehemalige Manager der Kohlegesellschaft waren in der Schweiz wegen des Verdachts auf Geldwäsche in Höhe von bis 600 Millionen Schweizer Franken angeklagt worden. Das anscheinend unsauber erworbene Geld haben sie auf hunderten Konten bei Schweizer Banken deponiert. Weil den Behörden des Alpenlandes das Ganze nicht geheuer war, haben die Eidgenossen schon im Jahr 2005 die Konten gesperrt und gleichzeitig Ermittlungen in punkto der MUS-Privatisierung eingeleitet. Im Sommer letzten Jahres war der tschechischen Justizbehörde angeboten worden, als Nebenkläger im fälligen Strafprozess aufzutreten. Da weder die Staatsanwaltschaft noch das Finanzministerium in Prag auf dieses Angebot reagierten, hat ein Schweizer Strafgericht den Prozess gegen die ehemaligen MUS-Manager im Oktober ohne die tschechischen Kollegen begonnen. Ein schwerwiegender Lapsus, der hierzulande nun hohe Wellen schlug. Zumal der Staat angesichts der angespannten Haushaltslage eine Geldspritze in Milliardenhöhe jederzeit gebrauchen könnte. Einen Antrag auf eine nachträgliche tschechische Beteiligung am Prozess hat das Bundesstrafgericht in Bellinzona abgewiesen. Nun aber ist die tschechische Seite in Berufung gegangen und hofft, durch die Hintertür doch noch an einen Teil der rund 600 Millionen Schweizer Franken zu gelangen, die auf Schweizer Konten deponiert sind.

Jiří Pospíšil
Weil das Berufungsverfahren jedoch wieder einige Zeit beanspruchen könnte, schlägt Justizminister Jiří Pospíšil inzwischen einen anderen Weg vor:

„Persönlich bin ich der Meinung, dass wir so schnell wie möglich eine Zivilklage einreichen sollten. Diese Klage sollte unabhängig von den Bemühungen des Finanzministeriums, noch als Nebenkläger in den Strafprozess zu gelangen, erhoben werden. Mit der Zivilklage machen wir bestimmt keinen Fehler, deshalb sollte sie schon in den nächsten Tagen eingereicht werden.“

Miroslav Kalousek
Am Dienstag hat die tschechische Regierung jedoch im engeren Kreis entschieden, vorerst nicht mit einer Zivilklage auf die Versäumnisse der Vergangenheit zu antworten. Vielmehr wolle man erst einmal abwarten, wie die Schweizer Behörden auf die tschechische Berufung zum Strafprozess-Ausschluss reagieren. Auf entsprechende Nachfrage von Journalisten reagierte Finanzminister Miroslav Kalousek allerdings ziemlich gereizt:

„Wir haben den Antrag zum Erlass des Strafprozess-Ausschlusses gestellt, eventuelle weitere Anträge stellen wir unverzüglich nach der Entscheidung der Berufungsinstanz, egal ob sie positiv oder negativ ausfallen wird.“

Karolína Peake  (Foto: ČTK)
Bei einem negativen Bescheid muss es nicht unbedingt die Zivilklage sein, mit der Tschechien reagieren werde. Es könnte durchaus auch eine dritte Variante sein, die sie in Erfahrung gebracht habe, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin und Vorsitzende des Legislativrates, Karolína Peake:

„Nach Schweizer Recht gibt es vermutlich noch eine Möglichkeit, wie man Geldforderungen einklagen kann, und zwar nicht in der Position des Geschädigten in einem Strafverfahren. Dazu muss man zunächst den Schaden beziffern, der der Tschechischen Republik nachweislich zugefügt wurde. Mit dem entsprechenden Antrag kann man auch als zivile Rechtsperson außerhalb des Strafverfahrens am Prozess teilnehmen.“

Mit dem Bescheid zum Berufungsverfahren rechnet man in Prag übrigens bis Ende Februar. Laut der Bürgervereinigung „Veřejnost proti korupci“ (Öffentlichkeit gegen Korruption) müsse Tschechien beim Einreichen einer Zivilklage mindestens 27 Millionen Kronen (knapp 1,1 Mio. Euro) an Gerichtsgebühren und Anwaltkosten zahlen.