Nach 39 Jahren wieder WM in Böhmen: Weltelite im Kanuslalom in Prag zu Gast
Am vergangenen Wochenende haben einige tschechische Sportler wieder erfolgreich in die Pedale gestrampelt, haben gut geschossen oder sind stark geschwommen. Doch an diesem Wochenende richten sich alle Augenpaare der hiesigen Sportöffentlichkeit auf eine WM, die nach 39 Jahren hierher zurückgekehrt ist. Um welche Sportler und welches Event es sich dabei handelt, das verrät Ihnen Lothar Martin im nun folgenden Sportreport.
Die Tops und Flops der tschechischen Sportwoche
Die tschechische Bikerin Tereza Hurikova gewann am Samstag bei der Mountainbike-Europameisterschaft im italienischen Alpago die Silbermedaille im Cross Country der Damen, und zwar in der Nachwuchskategorie bis 23 Jahre. Die Junioren-Weltmeisterin des letzten Jahres musste sich in diesem Rennen lediglich der siegreichen Schweizerin Sarah Koba beugen. Für den Tschechischen Rundfunk hat sie das Rennen wie folgt beschrieben:"Es war sehr schwer, denn wir sind hier in den Dolomiten. Der Rundkurs wies einen beträchtlichen Höhenunterschied auf, das heißt, es ging ständig rauf und runter, was enorm Kraft gekostet hat. Die 21 Sekunden Vorsprung auf mich hat die Schweizerin erst am letzten Anstieg herausgefahren, als ich schon nicht mehr konnte. Da habe ich mich dann darauf konzentriert, die Silbermedaille zu gewinnen."
Auch wenn bei der Weltmeisterschaft im Sportschießen in Zagreb oder bei den Europameisterschaften im Freiluft-Schwimmen im ungarischen Plattensee weitere tschechische Sportler erfolgreich nach Medaillen griffen, so widmete die hiesige Sportöffentlichkeit von Samstag bis Montag dem Geschehen in den acht Fußballstadien, in denen der erste Spieltag der neuen Punktspielsaison des Landes ausgetragen wurde, weit größere Aufmerksamkeit. Und siehe da, gleich das Auftaktspiel in der Prager Toyota Arena erlebte eine Überraschung, denn der tschechische Rekordmeister Sparta Prag kam gegen Aufsteiger SK Kladno nicht über ein torloes 0:0 hinaus. Ein Garant für diesen Punktgewinn war Kladnos Torwart David Bicik, der für diese Saison ausgerechnet vom Prager Kontrahenten an den mittelböhmischen Verein ausgeliehen wurde. Aus Sicht der Gäste hat Bicik das Spiel so gesehen:
"Ich denke, dass wir vor allem in der Abwehr sehr gut gespielt und dem Gegner nur ganz wenige Chancen gestattet haben. Lediglich bei den Standardsituationen von Sparta kam ein bisschen Gefahr auf. Aber die Frei- und Eckstöße sowie die Schüsse aus der Entfernung stellten heute das einzige Problem für uns dar."Am vergangenen Freitag fand im schweizerischen Nyon die Auslosung zur neuen Saison in der Fußball-Champions League statt. Das Los wollte es so, dass der tschechische Meister Slovan Liberec in der dritten Qualifikationsrunde auf den Sieger der Partie Sheriff Tiraspol gegen Spartak Moskau trifft. Beide Teams hatten sich im Hinspiel der zweiten Qualifikationsrunde im moldawischen Tiraspol 1:1 getrennt, so dass man in Liberec davon ausgeht, auf den russischen Vertreter aus Moskau zu treffen. Slovan-Verteidiger Tomas Janu bestätigte das:
"Wir rechnen damit, dass unser Gegner Spartak Moskau sein wird. Wir ahnten auch, dass wir gen Osten reisen müssen, aber nach Moskau zu fliegen ist schon besser als zum Beispiel in Belgrad oder in der Türkei antreten zu müssen. Also wir treffen auf eine starke Mannschaft, sollte Spartak weiterkommen."
Fest steht jedoch bereits, dass Slovan Liberec das Hinspiel am 8. oder 9. August auswärts bestreiten wird.Nur einen Tag später fand auch die Auslosung der Champions League-Gruppen im Handball der Männer statt. Seitdem steht fest, dass der tschechische Titelträger HC Banik Karvina dabei in der Gruppe E auf den deutschen Meister THW Kiel, den dänischen Club GOG Gudme sowie auf den Gewinner des Qualifikationsduells zwischen dem rumänischen Champion Constanta und dem italienischen Club Conversano trifft. Karvinas Manager Miroslav Pelech schätzte danach die eigenen Chancen so ein:
"Kiel ist die eindeutig stärkste Mannschaft in dieser Gruppe. Aber wir sind ein Team, das in der Lage ist, sich mit den Besten zu messen, und insbesondere in unseren Heimspielen wollen wir allen das Leben schwer machen und viele Punkte holen."
Die SPORT- Reportage
Mit Welt- und Europameisterschaften war die Tschechische Republik bisher noch nicht gesegnet. Umso erfreulicher ist es, dass sie in diesen Tagen das globale Championat in einer Sportart ausrichten darf, in der sie zu den erfolgreichsten Nationen in deren WM-Geschichte gehört - im Wildwasser-Kanuslalom. Es ist die 30. Weltmeisterschaft in dieser Sportart, aber nach 39 Jahren erst die zweite, die wieder auf böhmischem Boden stattfindet. 1967 gab sich nämlich die Weltelite in der damaligen Tschechoslowakei am südböhmischen Lipno-Stausee ein Stelldichein. Diesmal aber werden die Titelkämpfe in den Kajak- und Canadier-Disziplinen mitten in der City ausgetragen - vom 2. bis 6. August auf der Moldau im Prager Stadtteil Troja.Bei dieser WM werden 350 Wettkämpfer aus 65 Ländern an den Start gehen, von denen sich gleich mehrere große Medaillenhoffnungen machen. Allen voran die drei Damen und zwölf Herren aus dem Gastgeberland, die vor allem eines wollen: den etwas schwächeren Gesamteindruck von der vorjährigen WM im australischen Penrith revidieren, wo die tschechische Vertretung erstmals seit 1983 ohne eine Medaille in den Einzeldisziplinen geblieben ist. Nur dank der Mannschaftskonkurrenzen, wo einmal Gold und einmal Bronze erobert wurden, konnte Tschechien den totalen Einbruch verhindern. Aber nicht nur deshalb rechnet auch Dr. Jens Karl, der Teamleader der deutschen Mannschaft, diesmal wieder ganz stark mit den Schützlingen von Auswahltrainer Jiri Pultera:
"Sicherlich sind hier auf der Heimstrecke die Tschechen sehr stark zu beachten, und zwar durchweg in allen Disziplinen. Und ansonsten natürlich die im Weltcup vorn platzierten Boote."
Tschechische bzw. tschechoslowakische Kanuslalom-Sportler haben sich in der Tat schon seit 1949, als in Genf die erste Weltmeisterschaft stattfand, in goldenen Lettern in die Chronik dieser Sportart eingetragen. Zum Beispiel die unvergessene Ludmila Polesna-Veberova, die mit viermal Gold und einmal Silber bis heute die erfolgreichste Kanutin im K1 der Damen ist. In ihre Fußstapfen ist längst die 38-jährige Stepanka Hilgertova getreten, die es neben zwei Olympiasiegen auch bei den Welttitelkämpfen schon zu zweimal Gold und einmal Silber gebracht hat. Sollte sie dieser Bilanz in Prag eine weitere Medaille hinzufügen können, dann würde sie zur zweitbesten Kajak-Dame in der WM-Geschichte nach ihrer Landsmännin Polesna-Veberova aufsteigen. Doch gerade die deutschen Kanuten, die mit 89 Titeln die WM-Medaillenwertung vor Tschechoslowakei/Tschechien mit 44 Goldmedaillen und Frankreich mit 36 Siegen anführen, wollen den Gastgebern das Leben so schwer als möglich machen. Auf wen die Deutschen dabei am meisten setzen, dazu sagte Dr. Karl:"Wenn man über Favoriten spricht in der deutschen Mannschaft, dann sind sicher zuerst die Doppel-Europameister Fabian Dörfler und Eric Pfannmöller im Kajak-Einer der Herren zu nennen. Jennifer Bongardt, die im Kajak-Einer der Damen zuletzt immer stabil ins Finale und dann auch aufs Treppchen gefahren ist, ist ebenfalls zu nennen, und sicher auch unser C2-Boot mit Stefan Henze und Marcus Becker."
Im heißen Medaillenkampf rechnet Dr. Jens Karl auch mit der tatkräftigen Unterstützung deutscher Kanuslalomfans, die bereits aus Leipzig, Halle, Magdeburg, Erfurt, Nordrhein-Westfalen und aus Augsburg - den deutschen Hochburgen in dieser Sportart - in Prag angereist sind. Und daher bejahte der deutsche Teamleader abschließend auch meine Frage, ob diese WM eine durchaus stimmungsvolle werden könnte:
"Auf jeden Fall, denn davon lebt ja auch solch ein Wettkampf, nämlich dass die Zuschauer mitfiebern, und dass einige von ihnen an der Strecke mitrennen, wenn ein Starter ihres Landes sein Rennen im Wildwasserkanal bestreitet. Ja, ohne das wäre das Flair einer Weltmeisterschaft einfach nicht gegeben."
Wenn auch Sie dieses Flair miterleben wollen, dann reisen die doch spätestens am Freitagmittag, nur wenige Stunden vor Beginn der ersten Finals, in der tschechischen Hauptstadt an. Vom Prager Bahnhof Holesovice aus liegt die WM-Anlage nur einige hundert Meter entfernt auf der anderen Moldauseite.