Nachrichten Freitag, 29. Dezember, 2000
Von Martina Schneibergova
Das Tschechische Fernsehen unterbrach erneut sein Programm
Das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen hat am Donnerstagabend seinen Sendebetrieb wieder aufgenommen, nachdem der Rat der Tschechischen Republik für Rundfunk- und Fernsehsendungen die TV-Anstalt zur unverzüglichen Wiederaufnahme der Sendungen aufgefordert hatte. Die Nachrichtensendung auf dem ersten Programm wurde jedoch gleich wieder abgebrochen und auf dem Bildschirm erschien eine Texttafel, auf der es hieß, dass in das Sendenetz Beiträge aus nicht autorisierter Quelle eingespeist worden seien. In dem Text hieß es weiter, Fernsehdirektor Jiri Hodac ersuche die Organe der Tschechischen Republik um Unterstützung bei der Herstellung "legaler Verhältnisse".
Der Rat für Rundfunk- und Fernsehsendungen hat auf seiner Donnerstagstagung entschieden, dass nur die unter Leitung von Generaldirektor Hodac vorbereitete Nachrichtensendung rechtmäßig gewesen sei. Stanislav Milota, Mitglied des Rates, ist noch vor der Abstimmung zurückgetreten. Er erklärte gegenüber Journalisten, er stimme der Entscheidung nicht zu, über die der Rat abstimmen werde.
Das Prager Nachrichtenstudio wird seit dem Wochenende von Redakteuren und anderen Fernsehmitarbeitern besetzt gehalten. Sie fordern den Rücktritt des neu ernannten Direktors Hodac und des Fernsehrates. Der Rat habe bei dem ungewöhnlich schnellen Auswahlverfahren ausschließlich nach parteipolitischen Interessen entschieden, meinen die Protestierenden.
Das Treffen der Gewerkschafter mit Ministern war ergebnislos
Keine konkreten Ergebnisse hat das Treffen einiger Minister mit den Vertretern der Gewerkschaften des Tschechischen Fernsehens gebracht, das in der Nacht zum Freitag stattfand. Vizepremier Vladimir Spidla hat die Begegnung als interessant bezeichnet, gleichzeitig jedoch betont, dass sich nun das Abgeordnetenhaus mit der Krise in dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender befassen müsse. Die Gewerkschafter unterstrichen, dass sie ständig ihren Standpunkt erläutern und versuchen, eine Lösung aus der verzweifelten Lage, in der sich das Tschechische Fernsehen befindet, zu finden. Der Sender werde ihrer Meinung nach von einem unverantwortlichen Menschen geleitet.
Abgeordnete und Senatoren werden sich mit der Lage beim CT befassen
Der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses Vaclav Klaus hat für den 5. Januar eine Sondersitzung des Unterhauses einberufen, die sich mit der Lage im Tschechischen Fernsehen befassen wird. Darüber wurde die Nachrichtenagentur CTK am Donnerstag von der Kanzlei des Abgeordnetenchefs informiert. Die Einberufung der Sondersitzung wurde von 42 Abgeordneten der oppositionellen Freiheitsunion, der Christdemokratischen Volksunion, der regierenden Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei beantragt. Einen Tag vor der Sondersitzung - am 4. Januar - wird die Abgeordnetenkommission für die Medien zusammenkommen.
Eine Senatsitzung, die sich mit der Lage im Tschechischen Fernsehen befassen wird, wird am 3. Januar stattfinden. Senatspräsident Petr Pithart berief die Sitzung auf Antrag von 29 Senatoren ein, unter denen Vertreter der oppositionellen Viererkoalition und unabhängige Senatoren sind.
Pithart forderte Hodac zum Rücktritt auf
Senatspräsident Petr Pithart hat am Mittwochabend Fernsehdirektor Jiri Hodac zum Rücktritt aufgefordert. "In meinem Namen und im Namen von Senatoren, die im Tschechischen Fernsehen anwesend sind, fordere ich Herrn Hodac auf, dass er seine Machtlosigkeit anerkennt und unverzüglich zurücktritt. Er wird damit der Tschechischen Republik einen Dienst erweisen," erklärte Pithart. Der Chef der Abgeordnetenkommission für Medien, Ivan Langer, ließ dagegen verlauten, er halte die Sperrung der Sendung für die einzige mögliche Lösung der jetzigen Krise. Zum Rücktritt wurden Hodac und der Fernsehrat vorher auch vom politischen Gremium der regierenden sozialdemokratischen Partei- CSSD aufgefordert. In der von den stellvertretenden Parteichefs Jitka Kupcova und Karel Kobes unterschriebenen Erklärung stellte das Gremium fest, dass die gegenwärtige Lage beim Sender sehr ernst sei und sie den öffentlich-rechtlichen Charakter des Senders gefährde.
Petition für die Bewahrung der Unabhängigkeit des Tschechischen Fernsehens wurde von 55.000 Menschen unterzeichnet
Die Petition, in der der Rücktritt des Fernsehdirektors Jiri Hodac und des Fernsehrates gefordert wird, wurde bis Donnerstagnachmittag von insgesamt 55.000 Menschen unterzeichnet. In der Erklärung wird zugleich verlangt, dass das Parlament das bereits vorbereitete Gesetz über das Tschechische Fernsehen schnellstens verabschieden soll. Die Petition, die von der Initiative "Das Tschechische Fernsehen- eine öffentliche Angelegenheit" zusammengestellt wurde, steht beispielsweise in vielen Theatern in der ganzen Tschechischen Republik zur Verfügung. Die größte Demonstration zur Unterstützung der protestierenden Fernsehmitarbeiter soll eine Demo sein, die am 3. Januar auf dem Wenzelsplatz in Prag stattfinden wird. Die Vertreter der Initiative informierten auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in Prag darüber, dass auch weitere Solidaritätsaktionen fortgesetzt werden - wie z.B. Meetings, die jeden Abend vor dem Nachrichtenstudio in Prag stattfinden. Die Protestierenden wurden am Donnerstag auch von der Konföderation für Kunst und Kultur und von der Tschechischen Ärztekammer unterstützt.
Vor dem Nachrichtenstudio haben sich am Donnerstagabend ca. 8.000 Menschen versammelt, die ihre Unterstützung für die protestierenden Fernsehmitarbeiter demonstrierten. Die Mitarbeiter der Prager Nachrichtenredaktion sind entschlossen, ihren Protest gegen den jetzigen Direktor fortzusetzen und im Fernsehgebäude zu bleiben, solange ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
Ausländische Unterstützung für protestierende Fernsehmitarbeiter
Der Österreichische Journalistenclub gab am Donnerstag bekannt, er sei mit dem Kampf um die Unabhängigkeit der Journalisten solidarisch, den die Nachrichtenredakteure des Tschechischen Fernsehens jetzt führen. Der Club begrüßte den Standpunkt des tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Havel, der andeutete, dass er auf der Seite der Redakteure stehe. Die Führung der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen-RSF, die die Protestierenden bereits am Mittwoch unterstützt hatte, übermittelte dem tschechischen Abgeordnetenchef Vaclav Klaus ein Schreiben, in dem sie gegen die Methoden der neuen Führung des Tschechischen Fernsehens protestiert.
Bobosikova rechnet mit Personaländerungen
Die neu ernannte Leiterin der Nachrichtenredaktion des Tschechischen Fernsehens Jana Bobosikova bereitet die Abberufung des bisherigen Chefredakteurs der Nachrichtenredaktion Bohumil Klepetko und des Chefredakteurs der Publizistik Martin Mrnka vor. Darüber informierte Bobosikova am Donnerstag im Gespräch für den Tschechischen Rundfunk.
Für nicht ausgestrahlte Werbespots entsteht dem Tschechischen Fernsehen ein Verlust von 7 Mio. Kronen täglich
Der tägliche direkte finanzielle Verlust des Tschechischen Fernsehens für nicht ausgestrahlte Werbespots, zu dem es nach der Unterbrechung der Sendungen des Tschechischen Fernsehens kommt, erreicht 7 Millionen Kronen. Darüber informierte die Vereinigung der Werbeagenturen-ARA.
Mit der Krise im Tschechischen Fernsehen befassen wir uns ausführlich auch im Tagesecho im Anschluss an die Nachrichten.
Verschuldung der Tschechischen Republik ist nicht beunruhigend
Die Auslandsverschuldung der Tschechischen Republik überschreitet zwar ein wenig die international anerkannte sichere Grenze von 40% des Bruttoinlandsproduktes, die von der Nachrichtenagentur CTK angesprochenen Wirtschaftsexperten sehen jedoch in deren Entwicklung kein Risiko. Die Auslandsverschuldung der Tschechischen Republik ist zum 30. September im Vergleich mit dem Vorjahr um 32,2 Milliarden auf 803,7 Milliarden Kronen gestiegen. Den Worten der Analytiker zufolge erreichte sie damit ungefähr 43% des Bruttoinlandproduktes.
Vlk, Graubner und Radkovsky zu Besuch in Dresden
Kardinal Miloslav Vlk, der Olmützer Erzbischof Jan Graubner und der Pilsner Bischof Frantisek Radkovsky sind am Mittwoch zu einem dreitägigen Privatbesuch nach Dresden gereist, wo sie Gäste des dortigen katholischen Bischofs Joachim Reinelt sein werden. Nach Informationen aus kirchlichen Kreisen hängt der Besuch mit ihrer Teilnahme an der Bewegung Focolare zusammen. Der Sprecher der Tschechischen Bischofskonferenz Daniel Herman erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur CTK, die erwähnten kirchlichen Würdenträger würden einen kurzen Winterurlaub im Freundeskreis verbringen. Kardinal Vlk wird nach der Rückkehr im Prager Veitsdom am 31. Dezember einen Gottesdienst mit Danksagungen und Gebeten zum Jahresende zelebrieren.
Pavel Nedved zum Fußballer des Jahres gewählt
Nach zwei Jahren ist Pavel Nedved, Mittelfeldspieler von Lazio Rom, wieder zum tschechischen Fußballer des Jahres gewählt worden. Über seinen Sieg in der traditionellen Umfrage entschieden die Fußballer und Trainer selbst. Nedved hat bereits den Goldenen Ball als Sieger einer Journalistenumfrage gewonnen. Jetzt hat er im Prager Kongreßzentrum eine symbolische Krone übernommen. Den zweiten Platz in der jetzigen Umfrage belegte Tomas Rosicky aus Sparta Prag, dritter war Jan Koller aus RSC Anderlecht.