Nachrichten Sonntag, 28. März, 1999
Zunächst die aktuellen Meldungen zum Konflikt in Jugoslawien, der nach wie vor auch in Tschechien das beherrschende Thema dieser Tage ist:
Die Luftangriffe der NATO gegen Jugoslawien werden zwar weiterhin von einer Mehrheit der tschechischen Politiker mit Verständnis aufgenommen sowie mit der Hoffnung, dass sie Belgrad zur Unterschrift unter das Friedensabkommen über den Kosovo bewegen könnten, doch deutlicher zu vernehmen sind zurückhaltende Meinungen zum NATO-Einsatz, insbesondere aus den Reihen der regierenden Sozialdemokraten und der stärksten Oppositionspartei, der ODS. Entschieden gegen das Eingreifen der NATO sind die Kommunisten. Befürwortet werden die Luftangriffe lediglich durch Präsident Vaclav Havel und die kleineren Parlamentsparteien, die Christdemokratische Volksunion und die Freiheitsunion.
Für eine Beendigung der NATO-Luftangriffe gegen militärische Ziele in Jugoslawien haben sich am Freitag der Umweltminister Milos Kuzvart und Senator Petr Smutnþ, beides Sozialdemokraten, ausgesprochen. Dem Umweltminister zufolge ist es unerlässlich, dass diese "gewaltsame Lösung schnellstens beendet wird" und dass Serben und Albaner so schnell als möglich wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Der nordböhmische Kandidat für den Posten des Vizevorsitzenden der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei, Jaroslav Foldyna, verkündete am Freitag, er schäme sich sehr dafür, dass der tschechische Präsident Vaclav Havel ist. Foldyna reagierte somit sehr ungehalten auf die tags zuvor vom Präsidenten abgegebene Erklärung für die NATO-Luftangriffe gegen Jugoslawien.
Die NATO-Luftangriffe gegen Jugoslawien werden, so der Vizevorsitzende des Abgeordnetenausschusses für europäische Integration Vladimír Lastuvka, ganz offensichtlich ohne Mandat durchgeführt und stehen in bestimmtem Widerspruch zum Artikel 1 des Washingtoner Vertrages, der sich auf die UNO-Charta beruft. Wie Lastuvka in der Samstagsausgabe der "Pravo" weiter ausführte, werden die Probleme durch die Luftoperationen nicht gelöst, sondern eher komplizierter und sie könnten zudem zu einer Verschlechterung der Lage der Albaner im Kosovo führen. Als allzu vorsichtig und zurückhaltend werden die Standpunkte der Sozialdemokraten und der ODS zum NATO-Einsatz von den Vertretern der Freiheitsunion kritisiert, die das Vorgehen der NATO weiterhin vorbehaltlos unterstützen. Die zögerliche Haltung einiger Repräsentanten der tschechischen Gesetzgebung zum Militärschlag der NATO wurde ebenso entschieden von der Gesamtstaatlichen Konferenz der Christdemokraten zurückgewiesen.
Rund 50 junge Leute im Alter von 14 bis 18 Jahren, überwiegend Anarchisten, haben am Freitag im Prager Stadtzentrum gegen den NATO-Angriff auf Jugoslawien protestiert. Die rund einstündige Demonstration verlief ohne Zwischenfälle. Ein Petitionsschreiben mit nahezun 300 Unterschriften zur Unterstützung von Jugoslawien im Konflikt mit der NATO wurde am Samstag durch Vertreter der Partei der Republikaner an Angestellte der jugoslawischen Botschaft in Prag übergeben.
Soweit unsere Meldungen zum Konflikt in Jugoslawien und nun weitere Kurznachrichten:
Die Abgeordneten der Freiheitsunion haben am Freitag im tschechischen Abgeordnetenhaus einen Gesetzesentwurf über ein Referendum zum Beitritt der Tschechischen Republik in die Europäische Union vorgelegt. Die untere Parlamentskammer entschied, dass sich die Abgeordnetenausschüsse in den nächsten Wochen mit dieser Gesetzesvorlage befassen werden.
Die Hälfte der Mitglieder des tschechischen Kabinetts ist den Worten von Umweltminister Milos Kuzvart zufolge für die Fertigstellung des Atomkraftwerkes Temelín, die andere Hälfte dagegen. Die Minister studieren daher weiterhin alle vorliegenden Materialien und sind an weiteren Einzelheiten interessiert, sagte Kuzvart auf einer Pressekonferenz am Freitag in Prag. Die amerikanischen Experten für Kernenergie, Ed Smeloff und Arnie Gunderson, rieten der tschechischen Regierung von einem weiteren Ausbau des Atommeilers ab.
Das waren die Meldungen.