Nationalgalerie Prag zeigt Ausstellung zu „Josef Mánes: Mensch – Künstler – Legende“
„Die Menschen träumen in der Nacht... ich träume am Tag.“ Dieses Zitat stammt aus dem Skizzenbuch eines der bedeutendsten tschechischen Maler des 19. Jahrhunderts: Josef Mánes. Es ist zum Leitmotiv einer umfangreichen Ausstellung der Nationalgalerie geworden, die gerade in der Prager Wallenstein-Reitschule eröffnet wurde.
Die Ausstellung umfasst mehr als 400 Exponate und ist die erste große Präsentation des Künstlers seit über 50 Jahren. Die Kunsthistorikerin Markéta Dlábková ist eine der beiden Kuratorinnen der aktuellen Schau mit dem Titel „Josef Mánes: Mensch – Künstler – Legende“.
„Josef Mánes war ein hervorragender Künstler. Schon deshalb, weil er in fast allen Kunstbereichen tätig war, die damals geboten wurden. Er malte Porträts und Landschaften, arbeitete im Kunstgewerbe, entwarf Schmuckelemente von öffentlichen Gebäuden, machte Buchillustrationen und Zeitschriftenumschläge. Und in allen diesen Bereichen erreichte er ein Spitzenniveau.“
Geselliger Mensch und Träumer
Das Oeuvre von Josef Mánes (1820-1871) zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Breite und Qualität aus – es umfasst Werke für den öffentlichen Raum ebenso wie Arbeiten mit intimem Charakter, Landschaften und Allegorien, Gemälde, Zeichnungen und Drucke. Die Ausstellung der Prager Nationalgalerie stellt die wichtigsten Schaffensbereiche von Mánes vor und ergänzt sie durch Vergleichsmaterial – also durch Werke sowohl seiner tschechischen Zeitgenossen als auch von Ausländern, die die tschechische Kunstszene prägten. Das Gesamtbild wird durch Auszüge aus der Korrespondenz, zeitgenössische Texte und Fotografien sowie durch Informationen über neue Entdeckungen bei Restaurierungsarbeiten der Werke von Mánes vervollständigt.
„Wir wollten nicht nur Mánes zeigen. Immer ist auch der Kontext sehr wichtig. Das Schaffen von Mánes wird in fünf große Bereiche geteilt und in einer Kombination aus chronologischer und ikonographischer Betrachtung verfolgt. Wir müssen natürlich mit dem Frühwerk beginnen, weiter orientieren wir uns aber eher an seinen Themen. Es gibt da das Kapitel ‚Die Stadt‘, in dem seine Porträts zu sehen sind, dann ‚Die Natur‘ mit Landschaftsstudien, das Kapitel ‚Handschriften“ oder etwa das Kapitel ‚Humor‘, denn Mánes war ein sehr geselliger und witziger Mensch.“
Josef Mánes gilt heute als einer der bedeutendsten tschechischen Künstler des 19. Jahrhunderts. Zu seinen Lebzeiten sei dies aber nicht so gewesen, sagt Markéta Dlábková:
„Die zeitgenössischen Künstler haben Mánes‘ Begabung sicher schon während seines Studiums an der Kunstakademie in Prag erkannt. Für eine breitere Öffentlichkeit blieb er zu seinen Lebzeiten aber eher unbekannt. Dies lag unter anderem daran, dass er Probleme hatte, sich mit seinem Schaffen durchzusetzen. Manchmal wurde sein Werk als zu stark am Slawentum orientiert wahrgenommen, was für einen Teil der Gesellschaft nicht nachvollziehbar war. Aber seine Künstlerfreunde wussten damals schon von seinem außerordentlichen Talent.“
Mánes hat seine Werke nicht bei Jahresausstellungen der tschechischen Künstler präsentiert. Die Öffentlichkeit hörte seinen Namen nur im Zusammenhang mit seinen Auftragsarbeiten. Die bekannteste war die Kalenderscheibe für die Astronomische Uhr am Turm des Altstädter Rathauses in Prag. Sie stellt den Zyklus der zwölf Monate und zwölf Tierkreiszeichen dar. Mánes sorgte auch für die Illustrationen der Ausgabe der Königinhofer Handschrift, also einer vermeintlich mittelalterlichen Liedersammlung in alttschechischer Sprache. Diese hat sich später als Fälschung erwiesen, im 19. Jahrhundert wurde sie aber zur Grundlage eines romantisierenden, nationalen tschechischen Geschichtsbilds. Mánes engagierte sich für die nationale Wiederbelebung, insbesondere als Mitglied der Kunstvereinigung „Umělecká beseda“ (Künstlergesprächskreis). Er entwarf die Uniformen des tschechischen Turnvereins Sokol sowie zahlreiche Fahnen, Abzeichen und Diplome für diesen und andere Vereine.
Engagement für nationale Wiederbelebung
Eines der Anliegen der Kuratorinnen war es – wie schon der Name der Ausstellung andeutet –, Mánes als Mensch darzustellen. Markéta Dlábková:
„Mánes war eine sehr interessante Persönlichkeit. Er hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor und war in der Lage, sich auch über sich selbst lustig zu machen. Seine Persönlichkeit spiegelt sich unter anderem in seiner Korrespondenz wider, die wir in der Ausstellung vorstellen. Wir zeigen Briefe an seine Freunde, an seine adeligen Mäzene. Darin öffnet er sein Inneres und definiert, wonach er sich als Künstler sehnt. Es sind wichtige Belege dafür, dass er kein Stockfisch war, sondern ein lebendiger Mensch voll von Phantasie und Sehnsucht nach dem Schaffen.“
„Die Menschen träumen in der Nacht... ich träume am Tag.“ Dieses Zitat aus Mánes‘ Skizzenbuch ist Leitmotiv der umfangreichen Ausstellung. Markéta Dlábková:
„Josef Mánes war ein Träumer. Er hatte eine romantische Seele. Dies zeigte sich darin, dass er im alltäglichen Leben gewissermaßen unpraktisch war. Aber sein Werk, so wie wir es nun zeigen wollen, drückte seine Sehnsucht nach einem höheren Sinn aus. Wir wollen aber auch die traumhafte Seite seines Schaffens akzentuieren, in der er die Metamorphose der Natur, Märchenmotive wie Feen und Phantome aufarbeitet.“
Das Konzept der Ausstellung beruht zudem darin, hinter die sich jahrzehntelang gefestigten Stereotypen zu blicken, die mit dem Werk von Mánes verbunden sind.
„Diese Stereotypen entstanden eigentlich schon kurz nach seinem Tod. Sein Schaffen wurde Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für die neue Künstlergeneration und ihr Schaffen. Wir nennen sie ‚Generation des Nationaltheaters‘, denn Anfang der 1880er Jahre fanden die ersten Wettbewerbe für die Ausschmückung des Nationaltheaters statt. Die Illustrationen von Mánes zu der Königinhofer Handschrift und seine Betrachtung des heldenhaften böhmischen Altertums bestimmen bis heute unsere Vorstellung von alttschechischer Mythologie.“
Blick hinter die Stereotypen
In weiteren Dekaden seien dem Werk von Mánes noch weitere Interpretationen hinzugefügt worden, fährt die Kunsthistorikerin fort:
„In der Ersten Tschechoslowakischen Republik wurde er als Bahnbrecher des Tschechoslowakismus betrachtet, also einer Idee von einer einzigen Nation der Tschechen und der Slowaken. Denn er reiste sehr oft in die Slowakei und verwandelte die slowakischen Trachten auf seine Weise in altslawische Kleidung. Die stärksten Desinterpretationen trafen ihn dann nach dem kommunistischen Umbruch von 1948. Mánes wurde zum Vorbild eines sozialistischen Malers und Menschen gemacht, und sein Schaffen reduzierte man auf die völkerkundliche Seite. Alle weiteren Aspekte darin wurden unterschlagen.“
Der Name Mánes kommt in der tschechischen Kunstgeschichte mehrfach vor. Josef Mánes habe das Glück gehabt, dass er einer weit verzweigten Malerfamilie entstammte, sagt die Kuratorin Veronika Hulíková:
„Sein Vater Antonín war Landschaftsmaler, sein Onkel Václav figurativer Maler. Auch Josefs Schwester Amalie wurde Malerin, obwohl sie als Frau zu Mitte des 19. Jahrhunderts nicht an der Prager Kunstakademie studieren durfte. Und sein Bruder Quido malte Genrebilder. Die Geschwister lebten das ganze Leben lang in einem gemeinsamen Haushalt. Keiner von ihnen hat geheiratet. Amalie kümmerte sich um ihre Brüder, die nicht besonders praktisch veranlagt waren. Sie gründete 1853 eine Privatschule für Mädchen und Frauen, auf der sie Zeichnen und Malen unterrichtete. Diese Einnahmenquelle war für die Familie von entscheidender Bedeutung. Wir wissen aus der Korrespondenz von Josef Mánes, dass er sein Leben lang mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. Seinen Lebensunterhalt bestritt er vor allem mit Porträts. Auch für die Kalenderscheibe für die Astronomische Uhr bekam er ein relativ geringes Honorar von 600 Gulden. Die Geschwister waren also auf einander angewiesen und miteinander verbunden durch gegenseitige Unterstützung und Liebe. Amalie wird manchmal als Mensch gesehen, der das Privatleben von Josef Mánes ruiniert hat. Wir sind jedoch der Meinung, dass sie es andersherum mit ihren Brüdern nicht leicht hatte.“
Verzweigte Malerfamilie Mánes
Die erste künstlerische Erziehung erhielt Josef bei seinem Vater. Von 1835 bis 1844 studierte er an der Prager Akademie der bildenden Künste. Anschließend setzte er seine Studien in der damaligen Künstlermetropole München fort. Nach seiner Rückkehr hielt sich Mánes zwei Jahrzehnte lang häufig beim Grafen Friedrich Silva-Tarouca auf dem Schloss in Čechy pod Kosířem / Czech in Mähren auf. Markéta Dlábková:
„Das war ein sehr wichtiges Kapitel in seinem Leben. Er lernte zunächst Friedrich Silva-Tarouca kennen, der als junger Mensch bei Mánes‘ Vater studiert hatte. Diese Freundschaft mit der Familie Silva-Tarouca war für Josef Mánes ein Lebensanker. Auf dem Schloss in Čechy pod Kosířem verbrachte er einen großen Teil seines Lebens. Dort entstanden kleine, schöne Arbeiten, die zur Unterhaltung der Familie dienten, aber auch seine wichtigsten Werke wie etwa das Gemälde ‚Das rote Parapluie‘. Čechy pod Kosířem liegt mitten in der Haná, einer Region in Mähren. Der Ort war der Ausgangspunkt für Mánes‘ Erkundungsreisen, bei denen er die Trachten und die Menschen studierte. Diese Reisen haben sein Schaffen stark geprägt.“
„Josefína“
Josef Mánes hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Eines seiner bekanntesten Gemälde ist das Porträt einer Dame mit einem geheimnisvollen Lächeln. Die sogenannte „Josefína“ verkörpert sein weibliches Schönheitsideal. Veronika Hulíková dazu:
„Das Gemälde wurde erst nach dem Tod des Malers als ‚Josefina‘ benannt. Als es 1872 erstmals öffentlich ausgestellt wurde, trug es den Namen ‚Studie‘. Ein paar Jahre später tauchte der Name ‚Ein Bildnis von Josefína N.‘ auf, später wurde der Name auf ‚Josefína‘ reduziert. Wir wissen nicht, wer diese Frau war. Aber es ist offensichtlich, dass jemand ihm Modell gestanden hat. Es ist eines der Bilder, in denen Mánes‘ Interesse für alte Meister zum Ausdruck kommt, in diesem Fall für die Künstler der Renaissance wie zum Beispiel Tizian.“
Josef Mánes starb 1871 im Alter von 51 Jahren. Die Spätphase von Mánes‘ Leben wurde durch eine fortschreitende Geisteserkrankung gekennzeichnet. Trotzdem unternahm der Künstler noch eine Reise nach Rom. Um ihn aufzumuntern, habe sein Mäzen Vojtěch Lanna die Fahrt nach Italien finanziert, sagt Veronika Hulíková:
„Josef Mánes fuhr nach Rom, das war sein ganzes Leben lang sein sehnlicher Wunsch gewesen. Ihm ging es aber psychisch bereits schlecht. Statt Begeisterung stellten sich bei ihm Desillusion und Enttäuschung ein, er hatte das Gefühl, bestohlen und verfolgt zu werden. Nach kaum einem Monat musste ihn seine Schwester abholen, und er kehrte psychisch gebrochen nach Hause zurück. Dennoch schuf er noch das – wenngleich unvollendete – Bild der ‚Ruinen von Rom‘. Es ist ein wunderschönes Werk, das belegt, dass dieser Künstler es auch in schlechtem psychischen Zustand noch vermochte, etwas Wunderbares zu schaffen.“
Die aktuelle Mánes-Retrospektive mit dem Titel „Josef Mánes: Mensch – Künstler – Legende“ wird noch bis zum 16. Juli in der Wallenstein-Reitschule auf der Kleinseite in Prag zu sehen sein. Die Ausstellung ist täglich außer montags zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet.
Verbunden
-
Die zehn berühmtesten tschechischen Maler
Ihre Bilder zieren das Foyer des Nationaltheaters, das Repräsentationshaus in Prag oder den Altstädter Glockenturm: Wir stellen Ihnen tschechische Maler von Weltrang vor.