Nationalgalerie zeigt „Lucas Cranach von allen Seiten“

Foto: ČTK

Lucas Cranach der Ältere war einer der berühmtesten Maler der Renaissance. Eine Auswahl von Gemälden aus seiner Werkstatt ist aktuell in der Nationalgalerie in Prag zu sehen. Im Mittelpunkt stehen Auftragswerke, die Cranach für Auftraggeber in Böhmen schuf. Die Besucher werden nicht nur mit den Kunstwerken selbst, sondern auch mit Ergebnissen jüngster kunsthistorischer Untersuchungen bekanntgemacht. Radio Prag hat mit dem Leiter der Abteilung für alte Meister der Nationalgalerie, Marius Winzeler, gesprochen.

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„Cranach von allen Seiten“ heißt die Ausstellung, die in der Nationalgalerie in Prag derzeit zu sehen ist. Von welchen Seiten wird er gezeigt?

„Cranach wird vor allem von verschiedenen Seiten hinsichtlich seines Schaffensprozesses gezeigt. Es geht zum einen darum, dass Cranach einfach nicht nur ein Künstler ist. Man kann sagen, dass es viele Cranache gibt oder viele seiner Mitarbeiter, die auch ihre eigene Handschrift haben. In diesem Projekt wollen wir auch das zeigen. Und ‚von allen Seiten‘ heißt auch, dass man unter und hinter die Bildoberfläche schaut: Diese Ausstellung stellt die Ergebnisse eines langjährigen Forschungsprojektes der Restaurierungsabteilung der Nationalgalerie zusammen mit den deutschen Kollegen vom Cranach Digital Archive in Düsseldorf vor. Es wurde versucht, jedes verfügbare Bild aus der Werkstatt von Lucas Cranach dem Älteren und dem Jüngeren und ihres Umfelds mit den modernsten Methoden zu untersuchen, die aktuell zur Verfügung stehen. Dazu gehören die Ultrarot-Reflektographie, Röntgen und andere zerstörungsfreie Methoden, die Dinge zeigen, die man auf den ersten Blick nicht sieht.“

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War Cranach ein bekannter Künstler in den böhmischen Ländern? Kannte man seine Werke schon zu seinen Lebzeiten?

„Cranach und seine Werkstatt waren in ganz Mitteleuropa bekannt und eine Marke. Der cranachsche Stil, also insbesondere die Darstellung von Menschen und seine sehr typisierten Frauendarstellungen waren im 16. Jahrhundert offensichtlich allgemein sehr beliebt. Selbstverständlich waren sein Name und sein Ruf auch in Böhmen und in Mähren gleichermaßen sehr gut, was man an den hochrangigen Auftragswerken sieht. So hat insbesondere der Prager Veitsdom ein Werk von ihm erhalten, das sehr wahrscheinlich im Auftrag der Habsburger entstanden ist. Es ist ein großer Altar für eine Seitenkapelle, von dem heute nur noch Fragmente existieren. Aber wir können in der Ausstellung das größte erhaltene Fragment zeigen, das sich sonst in der Burggalerie befindet, und auch ein Fragment aus unseren Sammlungen.“

Bild von ‚Adam und Eva‘  (Foto: ČTK)
Welche sind weitere bedeutende Bilder in der Ausstellung. Gibt es da einige Spitzenwerke?

„Ja, es gibt einige wirkliche Spitzenwerke, die auch sehr typisch sind für Lucas Cranach den Älteren. Da ist zum Beispiel das allseits bekannte Bild von ‚Adam und Eva‘ zu sehen. Aber ein absolutes Spitzenbild in historischer und kunsthistorischer Hinsicht ist das berühmte Bild von ‚Gesetz und Gnade‘ von 1529. Es ist eine der frühesten Versionen dieses Motivs, das zum Inbegriff der lutherischen Reformationsgeschichte geworden ist: auf der einen Seite ist das Alte Testament, auf der anderen das Neue Testament dargestellt. Ich möchte aber auch erwähnen, dass wir zwei der besten Porträts von Lucas Cranach dem Jüngeren besitzen und zeigen, sowie eine einzigartige Gruppe von Werken des Meisters IW, eines Schülers von Cranach. Dazu gehört insbesondere eine Darstellung der Salome mit dem Haupt des Johannes des Täufers, ein Bild, das noch nie öffentlich gezeigt wurde und ein absolutes Prunkstück der Ausstellung ist. Es hat auch ein Gegenstück im Prämonstratenserkloster Strahov, bei dem man sieht, wie die Künstler die gleichen Gesichter und Typen mit jedoch unterschiedlichen Dekoren und zu anderen Themen verarbeiteten.“


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Die Ausstellung „Lucas Cranach von vielen Seiten“ ist im Sternberg-Palais auf dem Hradschin bis 22. Januar 2017 zu sehen. Die Galerie ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Nationalgalerie bietet auch kommentierte Führungen auf Deutsch an. Die nächste findet am 9. Juli um 16 Uhr statt, weitere dann am 11. September und am 10. November.