Nationalpark Böhmische Schweiz - eine einzigartige Waldfelsenlandschaft

Das Prebisch-Tor

Würden auch Parks ihre Geburtstage feiern, hätte der Nationalpark Böhmische Schweiz am 1. 1. dieses Jahres drei Kerzen auf der Geburtstagstorte anzünden können. Zu einem Besuch des jüngsten Mitglieds aus der Familie der tschechischen Nationalparks laden Sie in der heutigen Touristensprechstunde Markéta Maurová und Lothar Martin ein.

Böhmische Schweiz,  foto: CzechTourism
Die Böhmische Schweiz ist eine zerklüftete, malerische und äußerst romantische Felsenlandschaft an der nördlichen Grenze Tschechiens zu Sachsen. Es handelt sich um den jüngsten Nationalpark hierzulande, der zum 1. 1. 2000 offiziell entstanden ist. Über seine Besonderheiten hat mir während meines Besuchs in Krasna Lipa (Schönlinde), dem Sitz der Parkverwaltung, deren stellvertretender Direktor, Pavel Benda, erzählt.

"Unser Nationalpark ist von seiner Geomorphologie her einmalig. Es gibt hier eine einzigartige Waldfelsenlandschaft, die sowohl in Böhmen, wo es einige Sandsteingebiete gibt, als auch in Mitteleuropa, ja ganz Europa kaum vergleichbares findet. Denn der Sandstein kommt in Europa nur selten vor."

Das Gebiet der Böhmischen bzw. Böhmisch-Sächsischen Schweiz - die Natur kennt nämlich keine Grenzen und bildet einen geschlossenen Komplex in Böhmen und in Sachsen - ist seit mehr als einem Jahrhundert ein beliebtes Tourismusgebiet. Für Wanderer, Radfahrer sowie Bergkletterer gilt daher eine strenge Nutzerordnung, die die Regeln ihres Aufenthalts im Park festlegt.

"Wir sind davon ausgegangen, dass das Gebiet der Böhmischen bzw. Böhmisch-Sächsischen Schweiz ein traditionelles Tourismusgebiet ist. Der Tourismus darf aber natürlich nicht im Widerspruch mit dem eigentlichen Auftrag eines Nationalparks stehen. Dazu gehören die Erhaltung eines möglichst großen Reichtums an Pflanzen- und Tierarten sowie die Förderung der Selbstregulierungsprozesse in der Natur. Die Beschränkungen für Besucher beziehen sich vor allem auf die erste Zone, die etwa 21 Prozent des Parkgeländes einnimmt. Dort ist der Aufenthalt lediglich auf den markierten Wanderwegen erlaubt. Ansonsten können sich die Besucher auf dem Gebiet der 2. und 3. Zone mehr oder weniger frei bewegen und dabei auch Waldfrüchte sammeln."

Besonders zwei Attraktionen locken die Touristen immer wieder in den Park: Bootsfahrten auf dem Kamnitz-Flüsschen und das steinerne Prebisch-Tor, tschechisch Pravcická brána genannt. In der Beliebtheitsskala nimmt das Tor den zweiten Platz unter den Naturdenkmälern Tschechiens ein und wird alljährlich von etwa einer Million Wanderer und Touristen besucht. Übertroffen wird es nur vom höchsten Berg des Landes, der Schneekoppe (Snezka) im Riesengebirge (Krkonose).

Das Prebisch-Tor
"Das Prebisch-Tor ist ein einzigartiges Naturgebilde und daher auch ein nationales Naturschutzdenkmal. Es handelt sich um die größte Sandsteinfelsenbrücke Europas. Sie ist etwa 26 Meter lang und 16 Meter hoch und man findet in Europa nichts Ebenbürtiges."

Man findet in der Böhmischen Schweiz jedoch nicht nur ungewöhnliche Felsformationen, sondern auch seltene Tierarten: Siebenschläfer, Adler, Luchse und andere Lebewesen. Für die dortigen Tiere und Pflanzen gilt eine interessante Charakteristik:

"Dieses Gebiet besitzt seine Spezifik darin, dass hier Gebirgspflanzen und -tiere, die normalerweise in einer Höhe von 700 bis 1000 Metern leben, in sehr niedrigen Seehöhen von 150 Metern und weniger vorkommen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dieses Gebiet mit einem Netz von sehr tiefen Tälern durchwebt ist und in den Talsohlen, wo der Sonnenschein nur sehr sporadisch hinkommt, ein Berg- oder Vorgebirgsklima herrscht."

Für das Gebiet ist der sehr wertvolle Gartenschläfer charakteristisch, der die dortigen Felsengebilde sehr gerne besiedelt. Die Böhmische Schweiz gilt auch als eines der besten Horstgebiete des Wanderfalken. Dieser Raubvogel wurde dort zwar in der Vergangenheit ausgerottet, es gelang jedoch, ihn wieder auszusetzen. Die dortige Population der Wanderfalken gehört zur Zeit zu den stärksten in Mitteleuropa.

"Wiederholt wurde hier das Vorkommen und sogar die Fortpflanzung des Luchses nachgewiesen. Der Schutz dieser Tierart ist jedoch sehr problematisch, weil es sich um ein territoriales Tier handelt, dessen Territorien sehr groß sind. Das Territorium eines erwachsenen Luchses erstreckt sich nur zum Teil auf das Gebiet des Nationalparks. Er lebt auch außerhalb des Parks und dort hegen wir in der letzten Zeit den Verdacht auf Walddiebe."

Die Felsen können aber nicht nur Freude, sondern den unterhalb von ihnen lebenden Menschen auch Sorgen bereiten. In der letzten Zeit häufen sich zum Beispiel die Nachrichten darüber, wie Felsblöcke abstürzen. Pavel Benda, der Experte, sieht diese durch die Medien dramatisch dargestellte Tatsache jedoch weitaus nüchterner.

"Es ist ein natürlicher Prozess. Felsen sind immer abgestürzt. Bei den bewohnten Gebieten, wie etwa in Hrensko, existiert das Problem, dass die Häuser quasi direkt unter den Felsen stehen. Ein weiteres Problem beruht darin, dass nach der Aussiedlung der deutschen Bevölkerung eine jegliche Instandhaltung der Felsen eingestellt wurde und keiner Überprüfungen durchführte. Als damit vor einigen Jahren wieder begonnen wurde, stellte man fest, dass viele der Felsen, die früher irgendwie untermauert und geschützt wurden, in Folge der mangelnden Instandhaltung in Bewegung geraten sind. Jetzt befinden sie sich leider in einer Phase, in der man damit nichts anderes tun kann, als die betroffenen Orte durch komplizierte Verfahren sicherer zu machen. In den Sandsteingebieten ist dies jedoch normal, denn Felsen stürzten hier seit jeher ab und werden immer abstürzen."

Böhmische Schweiz,  foto: CzechTourism
In ein paar Dutzend Millionen Jahren wird es keine Sandsteinfelsen mehr in Nordböhmen geben, fügt Pavel Benda hinzu. Das Wasser wird sie längst ins Meer weggespült haben. Heute stehen sie aber glücklicherweise hier und ermöglichen uns zahlreiche Wandermöglichkeiten. Dass man dabei auch Interessantes über die umliegende Natur und Landschaft erfährt, dafür sorgen Informationstafeln, aber auch die Experten und Mitarbeiter des Parks selbst:

"Wir laden die Leute zu speziellen zoologischen bzw. botanischen Spaziergängen ein. Wir arbeiten an diesen Wanderungen auch mit unseren Kollegen aus Deutschland zusammen, so dass sie zu beiden Seiten des Nationalparks, auf Tschechisch und auf Deutsch stattfinden."

Und wohin würde uns Pavel Benda persönlich einladen? Welcher Fels, welcher Berg, welcher Bach bzw. welcher Ort im Nationalpark Böhmische Schweiz ist für ihn der beliebteste?

"Zufällig ist gerade dieser ein äußerst wichtiger Ort. Ich mag den Rosenberg (Ruzak) sehr gerne. Er liegt an der südlichen Grenze des Nationalparks. Wir sind überwiegend ein Sandsteinnationalpark, aber dank der vulkanischen Tätigkeit im Tertiär gibt es hier auch einige Lokalitäten, wo während dieser vulkanischen Prozesse der Basalt durch den Sandstein drang. Der Rosenberg ist ein riesiger Basalthügel, er liegt in der ersten Zone des Nationalparks und ist gleichzeitig ein Nationales Naturschutzgebiet. Und dieses Gebiet ist einfach schön, geprägt von einem Eichenwald, der teilweise Merkmale eines wilden Urwaldes trägt."

Neben den einzigartigen Naturdenkmälern verbirgt die Böhmische Schweiz auch Zeugnisse der menschlichen Tätigkeit:

Böhmische Schweiz,  foto: CzechTourism
"Die archäologischen Denkmäler der früheren Besiedlung stellen ein sehr interessantes Phänomen dar. Man hat nämlich nicht geglaubt, dass es hier in den Sandsteinfelsen auch eine Besiedlung gab. Es wurde angenommen, dass die Besiedlung eher klimatisch und von den Naturbedingungen her günstigere Regionen betraf und dass Bewohner diese Region gemieden hatten. Dank der intensiven Untersuchungen, die derzeit immer noch im Gange sind, gelang es nachzuweisen, dass dieses Gebiet schon sehr lange bewohnt ist. Man fand hier sogar eine der ältesten slawischen Burgstätten in Tschechien."

Wo genau sich diese Burgstätte jedoch befindet, wollte Pavel Benda nicht verraten...

"Man muss diese Sachen leider geheim halten. Denn viele der sogenannten Amateurforscher sind imstande, die archäologische Fundstätte total zu zerstören."

Wir sprechen die ganze Zeit von der Böhmischen Schweiz. Wie dieser poetische Name entstand, das wiederum hat mir Pavel Benda, der stellvertretende Direktor des Nationalparks Böhmische Schweiz, zum Abschluss unseres Gesprächs verraten:

"Dieser Name ist der Romantik-Zeit entsprungen. In Dresden gab es damals eine berühmte Malerschule, in der Studenten aus ganz Europa ausgebildet wurden. Unter ihnen waren die Schweizer Künstler sehr bekannt. Und sie kamen hierher, in diese Gegend, die sie sehr an ihre Heimat erinnerte - und zu jener Zeit entstand der Name Sächsische Schweiz auf der deutschen Seite und Böhmische Schweiz auf der tschechischen Seite. Beide Seiten zusammengenommen heißt die Region Böhmisch-Sächsische Schweiz. In der Galerie in Dresden sind die Werke der Schweizer Maler bis heute ausgestellt."

Und das war's für heute. Aus Prag verabschieden sich von Ihnen Lothar Martin und Markéta Maurová.

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