Navara und Havlíková wollen bei Schacholympiade wieder ins Rampenlicht
Im norwegischen Tromsø wird dieser Tage, bis zum 14. August, die 41. Schacholympiade des Weltschachbundes FIDE ausgetragen. Im riesigen Teilnehmerfeld sind auch ein Männer- und ein Frauenteam aus Tschechien mit David Navara und Kristýna Havlíková an der Spitze.
Vor der Teilung der Tschechoslowakei im Jahr 1993 gehörten die Schachspieler des damaligen 15-Millionen-Landes durchaus zu den führenden Nationen dieser Sportart in der Welt. Von der ersten Schacholympiade im Jahr 1927 bis zum Jahr 1990 landete die Tschechoslowakei zweimal auf dem zweiten, einmal auf dem dritten, viermal auf dem vierten, elfmal auf dem fünften und einmal auf dem sechsten Platz. Auch die Frauen erkämpften zunächst vordere Platzierungen – die beste war der dritte Rang bei der Olympiade 1969 in Lublin. Mittlerweile aber kann man in Tschechien nicht mehr aus dem Vollen schöpfen, daher sind die Erwartungen auch weit geringer als früher. Unter den 174 Ländern, die in Tromsø am Start sind, wollen die Männer unter die 16 besten Mannschaften kommen, und die Frauen wollen mindestens den 27. Platz erreichen.
Die einzelnen Spielerinnen und Spieler in den beiden tschechischen Teams haben darüber hinaus noch einige persönliche Ziele. Die nationale Nummer eins unter den Männern ist Großmeister David Navara, der in Tromsø seine siebte Schacholympiade bestreitet:„Natürlich wäre es für mich sehr interessant, wenn ich hier auch gegen den Weltmeister Magnus Carlsen spielen könnte.“
Magnus Carlsen ist seit 2013 Schach-Weltmeister und gegenwärtig auch die Nummer eins der FIDE-Weltrangliste. Der 23-jährige Norweger kann angeblich bis zu 40 Züge im Voraus erfassen, deshalb wird die Taktik seines Spiels auch gern von den weiblichen Teilnehmerinnen beobachtet:
„Auf ihn blickt wohl jede Schachspielerin, denn bei einem gewöhnlichen Schachturnier wird man Carlsen kaum begegnen. Bei der Olympiade sind aber auch noch viele andere sehr gute und hübsche Schachspieler dabei. Auf die schauen wir Frauen besonders gerne“, bekennt die beste tschechische Schachspielerin Kristýna Havlíková.Auf der anderen Seite, so Havlíková, seien bei den Männern nicht wenige Partien gerade in der Anfangsphase alles andere als ein Hingucker:
„Zu Beginn sind deren Partien meist nicht besonders interessant, denn die Männer haben oft eine Spieleröffnung mit einer ausgeklügelten Theorie. Wenn wir dann bei einer solchen Partie zuschauen, wissen wir oft nicht, wer mit seinen Figuren wie gut auf dem Brett dasteht.“
Diese Auffassung seiner Landsfrau teilt in gewisser Weise auch Großmeister Navara:
„Wenn in einer Partie zwei in etwa gleichstarke Großmeister aufeinandertreffen, dann wird in der Regel mit irgendeiner theoretischen Variante eröffnet. Derjenige, der mit den weißen Steinen spielt, hofft, dass der Gegner die taktische Variante nicht kennt und er ihn dadurch unter Druck setzen kann. Doch der Widersacher am Brett kennt die Variante genauso gut und gestaltet das Spiel ausgeglichen. Daher gehen die Partien oft remis aus und der subjektive Zuschauer empfindet solch eine Partie zumeist als langweilig.“Nach dieser etwas laienhaften Erklärung des tschechischen Großmeisters könnte man annehmen, dass es für den Zuschauer interessanter sein dürfte, ein Schachspiel bei den Frauen zu verfolgen. David Navara:
„So ist es wirklich, das will ich gar nicht abstreiten. Egal, ob man nun auf die Bekleidung, in die Gesichter oder auf das Schachspiel als solches schaut. Die Frauen spielen kämpferischer, bei ihnen gibt es nicht so viele schnelle Remis.“Kristýna Havlíková erfreut diese Meinung. Im Gegenzug aber gibt sie den Männern auch gern ein Kompliment zurück:
„Wir Frauen denken bei einer Partie mehr nach als die Männer. Wir müssen zugeben, dass wir nicht viel über die Theorien bei der Spieleröffnung wissen. Dadurch kommen wir in Positionen, die wir nicht kennen. Also müssen wir überlegen, was zu tun ist. Die Männer aber kennen den theoretischen Ablauf meist schon bis zum 30. Zug. Dies wiederum ist sehr korrekt, und wenn Sie richtig Schach spielen lernen wollen, dann kann ich nur sagen: Schauen sie bei den Männern zu und nicht bei den Frauen.“
Der Tscheche, dem man dabei zurzeit am ehesten zuschauen sollte, ist fraglos David Navara. Er erlernte das Schachspiel als Sechsjähriger. Bei der Entfaltung seines Talentes fand er die Unterstützung bedeutender Trainer, unter anderen von Luděk Pachman und Vlastimil Jansa. Im Alter von 14 Jahren wurde er Internationaler Meister. 2001 spielte er für Tschechien bei der Europamannschaftsmeisterschaft in León und erzielte mit 7 Punkten aus 9 Partien ein hervorragendes Ergebnis. 2002 erhielt er den Großmeistertitel verliehen, 2004 und 2005 gewann Navara die Landesmeisterschaft von Tschechien. 2005 spielte er einen Kurzwettkampf über zwei Partien in Prag gegen Ex-Weltmeister Anatoli Karpow unentschieden 1:1, beide Partien endeten mit Remis.Und so reiht sich bei dem 29-jährigen Prager ein Achtungserfolg an den anderen. Da fällt die Wahl nicht leicht, auf den Erfolg zu verweisen, den man als seinen bisher größten bezeichnen könnte. Aber dieses Problem hat der Großmeister letztlich selbst:
„Das ist schwer zu sagen, denn ich habe mehrere gute Ergebnisse erzielt, die ich sehr hoch einstufe, auch wenn sie sich nur schwer miteinander vergleichen lassen. Aber wenn ich einen Erfolg nennen müsste, dann zum Beispiel die Goldmedaille am zweiten Brett bei der Schacholympiade 2012 in Istanbul.“Mit anderen Worten: Bei der Schacholympiade vor zwei Jahren war Navara mit der höchsten Punktzahl der beste Spieler am zweiten Brett, und das in einer Konkurrenz von über 120 Gegnern. Mit einer ähnlich starken Vorstellung will er nun auch in Tromsø zu einem guten Ergebnis für die tschechische Mannschaft beitragen. Dabei wolle er vornehmlich auf seine eigenen Stärken bauen, so Navara:
„Ich habe kein einzelnes Vorbild unter den Schachgrößen dieser Welt. Ich bemühe mich von allen Leuten etwas von dem abzuschauen, mit dem sie erfolgreich waren. Ich versuche also nicht, nur einem sehr guten Spieler nachzueifern, denn das wäre schädlich. Für mich hat jeder Weltmeister seine eigenen Facetten, doch selbstverständlich kann man von den erfolgreichsten Schachspielern auch das meiste lernen.“An den ersten vier Spieltagen bei der Schacholympiade in Tromsø blieben die tschechischen Teams noch etwas hinter ihren eigenen Erwartungen zurück. Nach je drei Siegen und einer Niederlage liegen die Männer auf dem 21. Rang und die Frauen auf dem 30. Platz.