Tschechiens Männerteam will bei Schacholympiade in Top 10 landen

Illustrationsfoto: David Lapetina, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Am Sonntag wurde im georgischen Batumi die 43. Schacholympiade eröffnet. Am Start sind auch ein Männer- und ein Frauenteam aus Tschechien. Beide sind mit gewissen Ambitionen in den Kaukasus abgereist.

Illustrationsfoto: David Lapetina,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0
Die Schacholympiade ist der bedeutendste Mannschaftswettbewerb in dem Brettsport. Das Turnier wurde 1926 von der Weltschachorganisation FIDE ins Leben gerufen und ein Jahr später zum ersten Mal in London ausgetragen. War der Austragungsrhythmus zuerst noch unregelmäßig, findet das Turnier seit 1950 alle zwei Jahre statt. Seit 1957 gibt es zusätzlich zu dem offenen Turnier (zugelassen für Männer und Frauen, de facto ist es aber fast ein reines Männerturnier) auch eine Schacholympiade ausschließlich für Frauen. Seit 1976 findet die Frauen-Schacholympiade gemeinsam mit dem offenen Turnier statt.

Es spielen Nationalmannschaften an vier Brettern. Anfangs wurde in Vor- und Finalrunden gespielt, seit 1976 nach dem Schweizer System, bei dem möglichst punktgleiche Mannschaften gegeneinander spielen. Ab 1952 wurde der Wettbewerb von der UdSSR beziehungsweise Russland dominiert, die insgesamt 24 Siege erreichten. Doch auch die ehemalige Tschechoslowakei kann auf Erfolge verweisen: Im Jahr 1924 gewann sie die erste inoffizielle Schacholympiade in Paris. 1931 in Prag belegte das tschechoslowakische Team den dritten Platz, zwei Jahre später in Folkestone den zweiten Rang.

Vlastimil Jansa  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
Die letzte Medaille eroberte die Tschechoslowakei 1962 in Luzern. Es war die silberne, und ein Mitglied dieser Mannschaft war der heutige Kapitän des tschechischen Männerteams, Vlastimil Jansa. Mit 75 Jahren ist Jansa längst nicht mehr aktiv. Seine Rolle als Kapitän ist die eines Taktikfuchses, der seine Spieler so auf- und einstellt, dass sie gegen ihre Kontrahenten möglichst erfolgreich sind. Und für das Turnier in Batumi setzt er die Messlatte hoch:

„Ich will immer das Maximum. Ich bin nicht derjenige, der sagt, es wäre schön am Ende den Platz zu belegen, den wir momentan in der Weltrangliste innehaben. Für mich und wohl auch die Schachgemeinschaft in unserem Land wäre eine Platzierung in den Top 10 ein ausgezeichneter Erfolg.“

Vlastimil Jansa: „Ich will immer das Maximum. Für mich und wohl auch die Schachgemeinschaft in unserem Land wäre eine Platzierung in den Top 10 ein ausgezeichneter Erfolg.“

Das tschechische Männerteam liegt in der FIDE-Weltrangliste derzeit auf Platz 15. Die Möglichkeit, ein besseres Ergebnis einzufahren, hatte das Team von Jansa schon 2014 bei der Schacholympiade in Norwegen. Dort aber hat man eine große Chance verspielt, sagt der Senior:

„Vor vier Jahren in Norwegen haben wir hervorragend begonnen. Zum ersten Mal haben wir Russland bei einem solch großen Turnier bezwungen, und zwar mit 3:1. Wir haben das beste Team der Welt also mit zwei Punkten Differenz geschlagen! Am Ende der Schacholympiade aber ging es mit uns noch bergab. Wir trafen wieder einmal auf unseren Angstgegner Frankreich und haben prompt verloren. Dadurch haben wir unsere vordere Platzierung schließlich noch eingebüßt.“

Viktor Láznička  (Foto: Przemysław Jahr,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
Bei der letzten Schacholympiade 2016 in Baku war es ähnlich. Nach gutem Beginn fiel die tschechische Mannschaft in der Gesamtwertung noch auf den 29. Platz zurück. Die Gründe für den zweimaligen Absturz zum Turnier-Ende kann sich Vlastimil Jansa bis heute nicht erklären. Doch er ist optimistisch, dass es in Batumi besser laufen wird. Denn er hat mittlerweile die Qual der Wahl bei der Formierung der Mannschaft:

„Es wird bei uns immer schwerer, aus vielen guten Spielern das optimale Team zusammenzustellen. Ich erinnere mich noch an Zeiten, da hat sich das Team aus Mangel an Alternativen quasi selbst aufgestellt. Jetzt ist die Auswahl weitaus größer, und mit David Navara und Viktor Láznička hat die Mannschaft zudem zwei ausgesprochene Leader. Nach ihnen haben wir eine ganze Reihe von Spielern, die auf demselben Niveau sind. Und unter ihnen stets die formstärksten auszuwählen, dazu braucht man schon ein glückliches Händchen.“

Die Nummer eins im tschechischen Männerteam ist David Navara. Schon als 17-Jähriger hat er 2002 seine erste Schacholympiade gespielt. Mittlerweile ist er gereift und sich auch dessen bewusst, dass er die Anderen führen muss:

„Ich halte die Schacholympiade für ein sehr wichtiges Turnier. Ich bin froh, dass ich erneut an ihr teilnehmen kann. Ich hoffe, dass ich in Batumi gut spielen und so meiner Verantwortung gegenüber der Mannschaft auch gerecht werde.“

Kristýna Petrová und David Navara  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
Jetzt, im Alter von 33 Jahren, will Navara also vorangehen und die Marschroute vorgeben. Für Batumi hofft er, den Einbruch von vor zwei Jahren vergessen zu machen:

„Bei der letzten Schacholympiade haben wir zwei Runden vor Turnierende auf Platz fünf gelegen. Zum Abschluss hatten wir jedoch starke Gegner, gegen die wir Federn ließen. Ich glaube fest daran, dass wir diesmal eine bessere Platzierung erreichen können als den 29. Rang. Doch es wird nicht leicht, und gerade die letzten drei Runden sind am wichtigsten.“

Für seine eigene Entwicklung im Schachsport hat sich der Prager nicht etwa nur an einem großen Spieler orientiert. Navara, der sechs Tage vor seinem 17. Geburtstag schon den Titel eines Großmeisters erwarb, hat sich vielmehr von Kind auf sehr umfassend mit den spieltaktischen Feinheiten seines Sports befasst:

Aljechin mit Capablanca  (Foto: Wikimedia Commons,  Public Domain)
„Ich habe nie ein Vorbild gehabt. Ich versuche vielmehr, das Beste von bestimmten Spielern zu kopieren. Das ist jedoch nicht einfach. Theoretisch ist es eine gute Idee, aber natürlich ist es sehr schwierig, das Endspiel so gut zu bestreiten wie Capablanca oder so gut anzugreifen, wie es Aljechin einst gezeigt hat. Viele Großmeister hatten ihre Stärken, und diese sollte man studieren.“

Die höchste Position, die Navara bisher in der FIDE-Weltrangliste eingenommen hat, ist der 13. Platz, den er im Oktober 2006 innehatte. Seiner eigenen Aussage nach aber hege er keinerlei Ambitionen, diesen Rang noch einmal zu verbessern. Und er nennt einen ganz simplen Grund dafür:

„Das ist nicht so wichtig für mich. Viel wichtiger für mich ist, dass ich es liebe, Schach zu spielen. Ich muss dabei nicht immer auf die Uhr schauen, um mir zu bestätigen, wie lange ich diesen Sport studiere. Das heißt, ich übe und trainiere das Schachspiel lieber weniger, aber mit Begeisterung, als mehr, doch ohne Lust.“

David Navara: „Ich muss dabei nicht immer auf die Uhr schauen, um mir zu bestätigen, wie lange ich diesen Sport studiere. Das heißt, ich übe und trainiere das Schachspiel lieber weniger, aber mit Begeisterung, als mehr, doch ohne Lust.“

An der Schacholympiade in Batumi nehmen 185 Männer- und 151 Frauenteams teil. Vor zwei Jahren in Baku haben die tschechischen Frauen den 51. Rang belegt. Das war die schlechteste Platzierung für sie überhaupt. In der FIDE-Weltrangliste stehen sie viel weiter oben auf Rang 27. Und in diese Region wollen sie diesmal wieder vordringen. Im Gegensatz zu den Männern aber sei Schach für sie ein reiner Freizeitsport, sagt Kristýna Petrová:

„Der Unterschied zu den Männern ist der, dass wir keinen einzigen Profi in unseren Reihen haben. Das hält aber keine unserer Spielerinnen davon ab, im Turnier so viele Punkte wie möglich zu erkämpfen. Und als Team sind wir zusätzlich motiviert, indem wir versuchen, noch etwas besser als unsere Männer zu sein. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Schacholympiade ist wie ein Feiertag unseres Sports, und da will jeder überzeugend auftreten.“

Die Schacholympiade in Batumi endet am Samstag, dem 6. Oktober.

Autor: Lothar Martin
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