Netz statt Grenze - jüdisches Volleyballturnier in Prag

Foto: Renate Zöller

Die Beziehungen der jüdischen Gemeinden aus Prag und Köln sind noch recht fragil. Doch sie sollen enger werden. Zum Auftakt haben der Kölner Harry Farkas und der Prager Petr Wellemin ein Volleyballturnier organisiert. Renate Zöller hat es sich angeschaut.

Lustig geht es zu auf dem Volleyballturnier der jüdischen Sportvereine aus Köln und Prag. Die Jungs und Mädchen der Jüdischen Jugendunion haben sich erst am Abend zuvor entschlossen, überhaupt dabei zu sein. Die Spieler von "Hakoach" tragen T-Shirts mit der Aufschrift: "Aus dem Cafe in die Sporthalle - und schnell wieder zurück". Als die Kölner Mannschaft die Hände aufeinanderlegt und einen Kampfschrei aufs Feld schickt, stöhnt einer der Hakoach-Spieler auf, auch das noch, da werden sie wohl nach wenigen Minuten besiegt sein, trotz des viel versprechenden Namens Hakoach, zu deutsch Kraft. Gekicher geht durch die Bänke.

Es herrscht also keineswegs feierliche Stimmung auf dem Spielfeld. Dennoch ist der Anlass durchaus ehrenrührig, wie Veranstalter Harry Farkas erklärt. Die Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden Prag und Köln werden nämlich bis dato eher sporadisch gepflegt. Farkas sagt:

"Auf alle Fälle ist das für die Kölner Sportverein Makabi ein großes Ereignis, dass zum ersten Mal die Mannschaft dieses Klubs in Prag auf einem Turnier gegen die jüdischen Mannschaften aus Prag spielt. Das ist eine historische Angelegenheit kann man sagen."

Volleyball – volejbal
Dass es soweit kam, ist im Grunde zwei Personen zu verdanken, die seit ein paar Jahren zusammen Volleyball spielen, immer dann, wenn sie gerade beide in Prag sind. Der tschechische Jude Petr Wellemin lebt hier. Sein Mitspieler Harry Farkas stammt ebenfalls aus Tschechien, lebt aber seit den siebziger Jahren in Deutschland.

"Die Verbindung ist dadurch entstanden, dass Harry Farkas, der Mitorganisator des Turniers, in Köln lebt aber gebürtiger Tscheche ist und ziemlich häufig in Prag ist. Wir haben ihn in unseren Sportvrein Hakoach eingeladen und er spielt mit uns Volleyball. Weil er ein erfahrener Volleyballspieler ist, berät er uns auch. Das war der Anfang und daraus entstand jetzt dieses Match. Ich würde das sehr gerne regelmäßig wiederholen. Ich habe die Vorstellung, dass daraus irgendwann in Zukunft ein internationales Turnier werden soll, an dem jüdische Teilnehmer auch aus anderen Ländern teilnehmen."

Vorbild sind etwa die jüdischen Sommerspiele, an denen etwa 80 Sportler unterschiedlicher Sportarten aus ganz Tschechien teilnehmen. Entstanden sind sie vor langer Zeit in Decin und dort haben sie auch viele Jahre lang stattgefunden. 2002 beschloss der Sportverband dann, das Sportlertreffen von Jahr zu Jahr in einer anderen jüdischen Gemeinde stattfinden zu lassen, überall dort, wo die Gemeinde aktiv ist und einen eigenen Sportklub hat. Es gibt in Tschechien zehn solcher aktiven Gemeinden. Die Sportler reisen aus der ganzen Republik in den Ort an, das Programm läuft immer ähnlich. Petr Velemin erklärt:

"So können wir einerseits Leuten, die eine sportliche Veranlagung haben, Orte zeigen, die sie sich ansonsten nicht anschauen würden. Und dann zeigen wir auch den Leuten, die an diesen Orten wohnen, dass man im Rahmen der jüdischen Gemeinde mehr als nur Gottesdienste machen kann."

Erik Kolan, der für die Jüdische Jugendunion spielt findet die Idee, ein regelmäßiges Volleyballertreffen zu organisieren gut. Er findet es wichtig, die europäischen Juden zusammenzubringen:

"Wir versuchen auf jeden Fall die Kontakte zu halten. Das ist auch deshalb wichtig, weil die Gemeinden in Europa heute meistens so klein sind. Es ist notwendig die Leute von anderen Städten zu treffen. Mit Deutschland gibt es aber eigentlich nicht so viele Verbindungen mit den jüdischen Gemeinden, soweit ich weiß, bisher hat niemand wirklich einen Kontakt aufgebaut. Ja, daran kann man arbeiten."

Auch Petr Wellemin geht es vornehmlich darum, die jüdischen Gemeinden zusammen zu bringen. Aber ihm ist auch der Kontakt zu Nicht-Juden wichtig. Auf dem Volleyballturnier etwa waren die Mannschaften gemischt:

"Dann haben wir auch noch zwei Mannschaften eingeladen, die gar nicht jüdisch sind. Aber ich bin der Meinung, dass es ist nicht gut ist, wenn die jüdische Gemeinschaft ausschließlich geschlossen ist. Wir sollten teilnehmen an den laufenden Sportereignissen."

Ein weiterer Grund ist, dass ansonsten wohl auch nicht so viele Spieler zusammengekommen wären. Wellemin würde gern die jüdische Sportsgemeinde so aktiv sehen, wie sie es vor dem Krieg in der ersten Republik war. Aber er muss einräumen:

"Das ist nicht leicht. Hakoach hat mit den Leuten der mittleren Generation angefangen und jetzt erst, nach und nach, kommen auch Leute zu unseren Aktionen die, sagen wir mal, um die 20 Jahre alt sind. Dann aber bekommen die wiederum Kinder und hören deshalb auf regelmäßig zu kommen. Ich befürchte, es wird uns auch in Zukunft nicht gelingen, wieder so groß zu werden, wie früher."

Foto: Renate Zöller
Hakoach hat 200 angemeldete Mitglieder. Laut Petr Wellemin ist das eine Menge, wenn man sich anschaut, wie klein die Gemeinde insgesamt ist: in Prag sind etwa 1600 Juden in der Gemeinde registriert. Volleyballmannschaften vom Sportklub Hakoach gibt es nur in Prag und Brünn. Ein republikweites und sogar internationales Volleyballturnier ist daher für Prag ein Kraftakt, der eher ungewöhnlich ist. In Deutschland sind die Gemeinden - und damit auch die Sportklubs größer, Makabi Köln allein hat 300 Mitglieder. Jüdische Sportturniere gibt es daher öfter, wie Harry Farkas erklärt:

"In Deutschland funktioniert das etwas anders, weil es mittlerweile genügend große Gemeinden gibt. Allein in Nordrhein-Westfalen wird jährlich ein Volleyballturnier veranstaltet, wo acht Volleyball-Mannschaften teilnehmen. Die kommen aus Düsseldorf, Dortmund, aus Bielefeld, Gelsenkirchen, Essen und so weiter."

Dass die Gemeinden in Deutschland gewachsen sind, hängt vor allem mit dem Zuzug aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion zusammen. Auf dem Spielfeld werden auf Russisch und Tschechisch Kommentare geschrieen. Deutsch hört man nicht. Sämtliche Spieler von Makabi Köln, bis auf Harry Farkas, kommen aus der Ukraine oder Russland. Deutscher Muttersprachler ist hier nur ein Spieler - und der spielt in einer tschechischen Mannschaft. Uwe Grewer absolviert gerade ein soziales Jahr in der jüdischen Gemeinde Prag. Er war mit jungen Leuten aus der Jüdischen Jugendunion beim Sabbat, als man ich ansprach, ob er nicht mitspielen wolle. Die Zusammensetzung von Makabi Köln gefällt ihm:

"Ich find es interessant und auch einen wichtigen Eindruck. Es ist einfach nicht selbstverständlich, dass man Deutsch ist, nur weil man in Deutschland lebt. Dass es auch ganze Gruppen gibt wo dann - wie hier zum Beispiel - wirklich fast alle bis auf einen Spieler einen russischen Hintergrund haben."

Das deutsch-tschechische Volleyballturnier in Prag jedenfalls ist dadurch auch schon bei seinem ersten Zustandekommen wahrlich international.

Fotos: Renate Zöller

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