Neue Impulse für die Geburtsmedizin

Gebärsaal (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
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In der Vergangenheit wurde die tschechische Geburtsmedizin wegen veralteter Methoden und zu wenig Gefühl oft kritisiert. Das Prager Krankenhaus Na Bulovce will nun einen neuen Zugang zu schwangeren Frauen und der Geburt finden. Dazu hat die Klinik ein für Tschechien innovatives Hebammenzentrum eingerichtet.

Gebärsaal  (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
Denisa ist schon über dem Termin, ihr Kind könnte jeden Moment zur Welt kommen. Die junge Frau wartet vor einer Praxis des Prager Bulovka-Krankenhauses auf ein Gespräch mit ihrem Gynäkologen. Die Entbindung soll klassisch ablaufen:

„Im Großen und Ganzen vertraue ich den Krankenhäusern hier, denn das medizinische Personal hat ja viel Erfahrung. Ich bevorzuge doch die herkömmlichen Methoden.“

Auch wenn Denisa zufrieden ist mit der Behandlung, stand die tschechische Geburtsmedizin in der Vergangenheit oft in der Kritik. Von Gefühllosigkeit und Fließbandgeburten war unter anderem die Rede. Der Grund dafür ist, dass Geburten in Tschechien rein klinisch ablaufen. Im Gegensatz zur beispielsweise deutschen Praxis kommen hierzulande Hebammen kaum zum Einsatz und gelten eher als Luxus. Die Leitung des Prager Uniklinikums Na Bulovce will nun einen Schritt in eine neue Richtung wagen Geburten sollen in einem sogenannten Hebammenzentrum natürlicher ablaufen. Michal Zikán ist Leiter der Gynäkologie am Krankenhaus:

Michal Zikán  (Foto: Archiv des Krankenhauses Na Bulovce)
„Aus meiner Sicht ist das Hebammenzentrum eine logische Richtung, in die sich die Geburtsmedizin hierzulande entwickeln sollte. Hebammenzentrum bedeutet, dass eine gesunde Schwangere mit einem gesunden Kind in einem angenehmen und natürlichen Umfeld von einer Hebamme versorgt wird. Das betrifft die Zeit vor der Geburt, die Geburt selbst sowie das Wochenbett. Im Grunde ist das ein logisches Bedürfnis der Mütter, dem wir mit dem modernen Zentrum entgegenkommen wollen.“

Man wolle auf jeden Fall ein Vorbild für andere Kliniken im Land sein, meint Zikán. Doch wie soll das Hebammenzentrum genau funktionieren?

„Am 8. Februar nimmt das Zentrum seine Arbeit dadurch auf, dass die ersten Schwangeren zu den Hebammen in Beratung gehen können. Das bedeutet insgesamt, dass sie während ihrer gesamten Schwangerschaft keinen Arzt aufsuchen müssen – außer danach den Neonatologen, der das Neugeborene untersucht. Das alles funktioniert aber nur, solange sich keine Komplikationen ergeben. Wir wollen in Zukunft versuchen, dass die werdenden Mütter ihre Schwangerschaft als normal und nicht als Krankheit erleben. Ganz einfach: Die Schwangerschaft soll für die Frauen einer der schönsten Abschnitte im Leben sein.“

Jan Kvaček  (Foto: Archiv des Krankenhauses Na Bulovce)
Noch ist die Abteilung nicht ganz fertig, vorerst konzentriert man sich auf Beratungen und Geburtsvorbereitung. Wie das Zentrum am Ende aussehen soll, erklärt Krankenhaus-Chef Jan Kvaček:

„In einer ersten Phase wollen wir möglichst natürliche Geburten in den bisher bestehenden Räumlichkeiten unseres Krankenhauses anbieten. Zwei erste sogenannte Geburtsappartements sollen in den kommenden Monaten eingerichtet werden und im November einsatzbereit sein. Die werden sich deutlich von den üblichen Räumen hier in der Klinik unterscheiden, ihre Einrichtung wird viel gemütlicher sein. Das Ganze kostet etwa 20 Millionen Kronen, die wir aus unserem eigenen Budget begleichen.“

Anfang kommenden Jahres sollen noch weitere vier sogenannte Appartements hinzukommen sowie ein Schulungszentrum für die Hebammen und das Pflegepersonal. Dazu müssten aber noch finanzielle Mittel vom Staat angefordert werden, gibt Kvaček zu. Alleine könne das Klinikum dies nicht stemmen. Wie genau will das Krankenhaus ein angenehmes Umfeld für die werdenden Mütter schaffen, und wo hat man sich inspirieren lassen?

Illustrationsfoto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
„Vorbild waren für uns vor allem vergleichbare Einrichtungen in Skandinavien. Was die sogenannten Geburtsappartements betrifft: In ihnen hat man das Gefühl, eher in einem Luxushotel zu sein statt in einem Krankenhaus. Es gibt da keine hellgrüne Farbe und keine Kachelwände, und alles ist sehr angenehm gehalten. Das wirkt auf eine werdende Mutter ganz anders als die normale Klinikatmosphäre.“

Gegen Berührungsängste

Im vergangenen Jahr erblickten allein im Krankenhaus Na Bulovce fast 1900 Kinder das Licht der Welt. Der Großteil der Geburten verlief normal, bei nur knapp 20 Prozent war ein Kaiserschnitt nötig, und der Anteil anderer Eingriffe war verschwindend gering. Insgesamt war bei nur gut einem Drittel der Entbindungen eine Geburtshelferin anwesend. Doch gerade diese sollen im neuen Hebammenentrum neben den Müttern die Hauptrolle spielen. Jindřiška Foldynova ist seit bereits dreißig Jahren in dem Beruf und hat im Hebammenzentrum eine neue professionelle Heimat gefunden:

Jidnřiška Foldynová  (2. von rechts). Foto: Archiv des Krankenhauses Na Bulovce
„Ich liebe meinen Beruf und will deshalb Teil dieses Projekts sein. Bisher ist unsere Arbeit hierzulande nicht wirklich akzeptiert. Mit dem Zentrum an der Bulovka dürfte sich das aber ändern, wofür ich sehr dankbar bin.“

Lange hatten die Medizin und damit auch die Öffentlichkeit hierzulande große Berührungsängste mit Hebammen. Die Ärzte wollen alles unter Kontrolle haben und nichts dem Zufall überlassen, meint Jindřiška Foldýnová. Das solle sich mit dem neuen Zugang in dem Prager Uniklinikum ändern, vor allem zum Wohl der Mütter, Kinder und auch der ganzen Familie:

„Eigentlich ist unser Ziel, dass die Mütter hier mit ihren Kindern rausgehen und sagen: ‚Das war der schönste Tag in meinem Leben.‘ Sie sollen nicht davon traumatisiert sein, dass die Wartezeiten lang sind und sich das medizinische Personal ständig ändert. Denn gerade das wollen die frischgebackenen Mütter nicht.“

Zimmer im Hebammenzentrum  (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
Das Hebammenzentrum in der Klinik Bulovka sei eine Art gelungener Kompromiss, gibt die Geburtshelferin Foldýnová zu. Denn es sei eine Mischung aus klinischer Geburtsmedizin und alternativer Entbindungsmethoden wie Hausgeburten oder sogenannten Geburtshäusern. Gerade von Letzteren will man sich in der neuen Abteilung dezidiert abgrenzen:

„Ein Geburtshaus hat nicht die nötige medizinische Einrichtung, darin besteht auch der größte Unterschied zum Hebammenzentrum. Die ist aber wichtig, sollte es während der Entbindung zu Komplikationen kommen. Und ich kann aus meiner langjährigen Erfahrung sagen, dass diese nicht selten auftreten, vor allem bei Hausgeburten. Auch deshalb hoffe ich, dass es in Zukunft noch mehr dieser Zentren geben wird.“

Eine Investition in die Zukunft

Hebammenzentrum im Krankenhauses Na Bulovce  (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
Bisher ist der Dienst einer Hebamme eher ein kostspieliges Extra in Tschechien. Denn die Beratungen gehen über die ärztlichen Standarduntersuchungen hinaus. Zudem bieten viele Geburtshelferinnen Vorbereitungskurse an. Werdende Eltern müssen mit Ausgaben in Höhe von rund 5000 bis 10.000 Kronen (200 bis 400 Euro) rechnen. Dazu Jindřiška Foldýnová:

„Bezahlte Zusatzleistungen fangen da an, wo die Hebamme einer Schwangeren ganze 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht. Das geht dann über die von der Kasse gedeckten Dienste hinaus. Ansonsten ist eine Hebamme auf Grundlage einer gegenseitigen Vereinbarung tatsächlich nur für eine Frau zuständig.“

Entstehen deshalb automatisch Mehrkosten für werdende Eltern im Krankenhaus Bulovka? Ja und nein, meint Klinik-Chef Jan Kvaček:

„Die Entbindung an sich gilt natürlich nicht als Zusatzleistung. Denn die Geburt mit Hebamme wird genauso wie eine Geburt mit rein medizinischem Personal von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Als Zusatzleistungen gelten bisher Geburten in den Appartements oder danach der Aufenthalt in Einzelzimmern gemeinsam mit der Familie. Wie es aber derzeit aussieht, werden wir natürliche Geburten mit Hebamme als Normalleistung anbieten können.“

Andrej Babiš bei der Eröffnung des Hebammenzentrums  (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
Neben der Bulovka bereiten noch zwei weitere Geburtskliniken in Prag vergleichbare Projekte vor: das Thomayer-Krankenhaus und die Klinik für Geburts- und Frauenheilkunde U Apolináře. Des Weiteren gibt es zahlreiche Spitäler in und um Prag, die sehr offen sind für Hebammen und andere alternative Entbindungsmethoden, so das Prager Klinikum Podolí oder die Kreiskrankenhäuser in Mělník oder Neratovice. Doch der für Tschechien noch innovative Zugang könnte bald zum Standard werden, denn entsprechende Ansätze haben derzeit viel Rückhalt in der Politik. So sagte Premier Andrej Babiš (Partei Ano) bei der Eröffnung des Hebammenzentrums:

„Wir unterstützen das auf jeden Fall, ich sehe dahinter auch eine Art des Marketings für steigende Geburtenzahlen. Damit haben wir jetzt ein Projekt, mit dem wir unsere Frauen dazu motivieren könnten, mehr und früher zu gebären. Der Durchschnitt liegt ja derzeit hierzulande bei 30 Jahren, obwohl er bei 25 liegen sollte. Auch sollten wir von 1,7 Kindern pro Frau auf über zwei kommen. Das ist unter anderem für unsere Wirtschaft wichtig, die an der Überalterung der Gesellschaft leidet. Wir brauchen also ein Regierungsprogramm, das den Frauen die Angst davor nimmt, überhaupt und möglichst früh Kinder zu bekommen.“