„Vater“ der Reagenzglas-Kinder: Reproduktionsmediziner Ladislav Pilka wäre 90 geworden

Ladislav Pilka (zweiter von rechts) und ‚sein‘ erstes Kind aus dem Reagenzglas (08.11.1982)

Tschechien hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Mekka für künstliche Befruchtung gemausert. Einer, der daran schon zu Zeiten der Tschechoslowakei großen Anteil hatte, war Ladislav Pilka. Durch seine Behandlung wurde 1982 erstmals im Ostblock ein Kind aus dem Reagenzglas zur Welt gebracht. Am Montag wäre der Wegbereiter der Reproduktionsmedizin in Tschechien 90 Jahre alt geworden.

In Tschechien erblicken jährlich 5000 Kinder aus dem Reagenzglas das Licht der Welt. Zudem ist das Land ein Zentrum der künstlichen Befruchtung in Mitteleuropa – vor allem, da durch die besondere Rechtslage hier Eingriffe möglich sind, die etwa in Deutschland untersagt sind.

Das machen sich mittlerweile sehr viele Paare mit unerfülltem Kinderwunsch zu nutzen – so auch Michael und Sabrina. Die werdende Mutter sagte zur Situation in Deutschland vor Kurzem für eine Sondersendung von Radio Prag International:

„Wir haben Insemination, ICSI-Behandlungen und Hormontherapien probiert. Die Ärzte konnten uns aber nie wirklich sagen, ob es an mir oder meinem Mann liegt, dass es nicht gelingt. Als ich 24 Jahre alt war, waren wir das erste Mal in Hannover in einer Kinderwunschklinik. Ich war damals noch sehr jung, weshalb uns gesagt wurde, dass es in Zukunft schon irgendwann klappen würde.“

Doch es klappte nicht. Für das Paar aus der Nähe von Münster war schließlich die künstliche Befruchtung die letzte Hoffnung. Und die Therapie in Tschechien mit gespendeten Eizellen und fremden Spermien hatte schließlich Erfolg.

Dass die künstliche Befruchtung hierzulande schon lange auf hohem Niveau praktiziert wird, ist unter anderem Ladislav Pilka zu verdanken. Am 17. Juli 1933 wurde der spätere Gynäkologe und Geburtsheilpfleger in Hradčovice / Radischowitz im Osten Mährens geboren. Er sei gerade in der sechsten Klasse gewesen, als ihm der Gedanke kam, später einmal gern Menschen heilen zu wollen, erinnerte sich Pilka rückblickend. Nach dem Medizinstudium wollte er eigentlich Endokrinologe werden. Stattdessen wurde er ans Schloss Přílepy im Kreis Zlín versetzt. In dem einstigen Adelssitz befanden sich seit den 1950er Jahren eine Geburtenklinik und ein gynäkologisches Krankenhaus.

Doch Gynäkologe werden wollte Ladislav Pilka damals noch nicht. Er habe mindestens 100 Kündigungen geschrieben, so seine Erinnerung, aber sein Vorgesetzter hätte die Schreiben alle in den Papierkorb geworfen, da es für den jungen Arzt keinen Ersatz gegeben hätte.

Und so ließ sich der angehende Mediziner weiter ausbilden und wechselte in die mährische Metropole Brno / Brünn. Dort folgten weitere Schritte, die ihn später zu einem der wichtigsten Ärzte im Bereich der künstlichen Befruchtung machen sollten.

Der ganz große Durchbruch gelang Ladislav Pilka dann 1982. Damals erblickte hierzulande das erste Kind aus dem Reagenzglas das Licht der Welt. Das sogenannte Retortenbaby war damit zugleich das erste durch künstliche Befruchtung entstandene Kind im damaligen Ostblock.

Die Bedingungen unter denen Ladislav Pilka in der Tschechoslowakei allerdings zu künstlicher Befruchtung forschte, waren nicht sonderlich günstig. So fehlte es Pilka und seinem Team an Ausrüstung und Medikamenten. Um sich mit erfahrenen Reproduktionsmedizinern im Ausland auszutauschen, war zudem die eine oder andere Mauschelei nötig. So reiste Pilka etwa mehrmals als Torwart einer Handballmannschaft aus. Jahre später erinnerte sich der Gynäkologe in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Sportler wurden damals nicht sonderlich streng kontrolliert. Wenn also 14 Personen ausreisten, und auch 14 wieder zurückkehrten, waren alle zufrieden. Mit dem Handballteam sind meine Kollegen und ich mehrmals mitgefahren. Wir haben die Sportler dann zum Beispiel in Österreich verlassen und unsere Arbeit gemacht. Kommentare gab es keine. Die Spieler wussten ja gar nicht, wer da zusammen mit ihnen im Mannschaftsbus sitzt.“

Ladislav Pilka ging damals ursprünglich davon aus, dass seine neue Methode ein Nischendasein führen würde. So sagte er 1982:

„Einige Formen von Unfruchtbarkeit bei Frauen kann man nur durch die Befruchtung des menschlichen Eis außerhalb des Organismus umgehen. Diese Methode im größeren Stil einzusetzen, wird in absehbarer Zeit aber nicht möglich sein. Das Verfahren ist zu aufwendig. Es wird in der näheren Zukunft wohl nur bei Frauen eingesetzt werden, bei denen die besten Bedingungen auf Erfolg bestehen.“

Mittlerweile ist die künstliche Befruchtung jedoch zu einem Standardeingriff geworden. Weltweit sind bisher mehrere Millionen Reagenzglas-Kinder zur Welt gekommen.

Ladislav Pilka, der sich bis an sein Lebensende mit der Behandlung von Unfruchtbarkeit beschäftigte, starb am 25. Oktober 2014. Er hinterließ eine Tochter und zwei Enkel – und Tausende Kinder, denen er zur Geburt verholfen hat.