Befruchtet im Nachbarland: Das Geschäft mit Eizellen und Spermien
Ein Kind zu haben, das ist für viele Menschen ein inniger Traum. Doch für einige bleibt er unerfüllt. Fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Einen Ausweg bietet etwa eine künstliche Befruchtung. Doch wenn auch diese keinen Erfolg zeigt, führt der Weg oft nach Tschechien. Vor allem die Rechtslage in dem Nachbarland, durch die Eizell- und Embryonenspenden möglich sind, zieht die Paare an. Längst hat sich ein florierendes Geschäft aus der Behandlung des Kinderwunsches ergeben. Radio Prag International ist der Thematik in einer Sondersendung auf den Grund gegangen.
Sabrina und Michael haben lange versucht, Eltern zu werden. Sehr lange. Doch auch nach neun Jahren setzte kein Erfolg ein…
„Wir haben Insemination, ICSI-Behandlungen und Hormontherapien probiert. Die Ärzte konnten uns aber nie wirklich sagen, ob es an mir oder meinem Mann liegt, dass es nicht gelingt. Als ich 24 Jahre alt war, waren wir das erste Mal in Hannover in einer Kinderwunschklinik. Ich war damals noch sehr jung, weshalb uns gesagt wurde, dass es in Zukunft schon irgendwann klappen würde.“
Doch es klappte nicht. Für das Paar aus der Nähe von Münster war die künstliche Befruchtung in Tschechien die letzte Hoffnung.
„Man kam sich vor wie ein Privatpatient“
Mit der Klinik in Prag sei er sehr zufrieden gewesen, beschreibt Michael weiter im Interview für Radio Prag International:
„Man kam sich wirklich vor wie ein Privatpatient. Der Empfang war sehr freundlich, und es wurde Deutsch gesprochen. Alles in allem war das gar nicht zu vergleichen mit einer deutschen Kinderwunschklinik, in der man eher abgefertigt wird.“
Die Spannung nach dem Eingriff war groß. Nach einer Woche machte Sabrina dann den ersten Schwangerschaftstest. Und er war positiv. Zum Zeitpunkt des Interviews ist Sabrina nun hochschwanger. Der Geburtstermin steht in wenigen Wochen bevor, es wird ein Junge.
„Die tschechische Rechtslage war visionär“
Einer, der jungen deutschen Familien zu ihrem Glück verhilft, ist Tomáš Frgala. Er ist Chefarzt einer Reproduktionsklinik in Brno / Brünn. Sie wurde 1991 gegründet. Mittlerweile gibt es neben der Niederlassung dort auch eine Prag. 35 Prozent der Patientinnen in den beiden Dependancen kommen aus Deutschland.
Zu den beiden Befruchtungsverfahren, der Eizell- und der Embryonenspende, die in Tschechien erlaubt sind, sagt Frgala:
„Man könnte sagen, dass die tschechische Legislative in dieser Richtung nahezu visionär war.“
Die Motivation einer Eizellspenderin
In den beiden Niederlassungen der Reproduktionsklinik, für die Tomáš Frgala arbeitet, werden jährlich rund 5000 Eingriffe durchgeführt. In vielen Fällen werden gespendete Eizellen verwendet. Aber… wo kommen diese überhaupt her? Eine Spenderin in einer anderen Klinik ist zum Beispiel Barbora.
Barbora ist 20 Jahre alt und stammt aus Prag. Im vergangenen Jahr hat sie ihr Abitur gemacht, und derzeit bereitet sie sich auf die Aufnahmeprüfungen an der Universität vor. Und: sie hat bereits Eizellen gespendet. Aber wie ist es dazu gekommen? Das erzählt die junge Frau im Studio von Radio Prag International:
„Ich bin seit längerer Zeit relativ sicher, dass ich keine Kinder will. Aber warum sollte ich, die ich Kinder haben könnte, sie aber nicht möchte, Menschen in genau der anderen Lage um diese Möglichkeit bringen? Es begann alles damit, dass ich auf Instagram über ein Inserat gestolpert bin, in dem Eizellspenderinnen gesucht wurden. Also habe ich mir gesagt, dass ich das einmal versuche und dann weitersehen werde.“
Barbora musste zahlreiche Untersuchungen durchlaufen, ehe sie in die Spenderkartei aufgenommen werden konnte. Die Injektionen und Tabletten, durch die ihre Eizellproduktion angeregt wurde, wirkten sich für einige Tage sehr negativ auf ihr Befinden aus. Doch sie würde heute wieder spenden, sagt die junge Frau.
Gleichgeschlechtliche Paare bleiben außen vor
Die tschechische Rechtslage rund um die künstliche Befruchtung bietet für viele Interessensgruppen zweifelsohne Vorteile. Außen vor bleiben jedoch gleichgeschlechtliche Paare. Janna und Aneta Lédlová aber hatten Glück. Denn Janna hat auch die deutsche Staatsbürgerschaft.
Nach ihrer Hochzeit in Deutschland kam bei den beiden Frauen der Kinderwunsch auf. Er sollte mittels künstlicher Befruchtung realisiert werden. Zunächst versuchte Janna über die gängigste Methode, nämlich die Insemination, schwanger zu werden. Dafür sind nur eine Samenbank und ein Frauenarzt von Nöten.
„Wir hatten sechs Versuche, die alle nicht gelangen. Daraufhin haben wir uns für die künstliche Befruchtung in einer Klinik in München entschieden. Es hat direkt beim ersten Versuch geklappt.“
Isabella ist mittlerweile zwei Jahre alt und wird von ihren beiden Müttern zweisprachig erzogen. Janna redet mit ihrer Tochter auf Deutsch, Aneta auf Tschechisch. Ihr Umfeld würde die zwei Frauen und ihre Tochter gut annehmen, so Aneta:
„Niemand stört sich daran, dass wir zwei Frauen sind, stattdessen sehen alle uns beide als Mütter an.“
Dies tun jedoch weder der deutsche noch der tschechische Staat bisher. In Deutschland ist es die Bürokratie, in Tschechien die Rechtslage, wegen der Aneta nicht als Mutter gilt. Die junge Tschechin hofft, dass sich das in Zukunft ändert:
„Wir wünschen uns vor allem für unsere Tochter, dass wir in dem Land, in dem wir leben, als Familie angesehen werden. Wenn einer von uns beiden etwas zustoßen würde, hätte unsere Tochter so noch die andere, und es müssten keine Gerichte eingeschaltet werden.“
Zudem hofft Aneta, dass auch andere gleichgeschlechtliche Paare, die nicht den Vorteil eines deutschen Partners haben, in Tschechien schon bald über eine künstliche Befruchtung Kinder bekommen können.
Die gesamte, ungekürzte Sondersendung von Radio Prag International hören Sie in der Audioversion des Beitrags.