Neue Rechtspartei am politischen Horizont
Im rechten Lager Tschechiens gärt es. Vor allem bei den regierenden Bürgerdemokraten (ODS) sind viele mit der Politik der derzeitigen Parteiführung nicht einverstanden. Allen voran Staatspräsident Václav Klaus, der die Partei einst gegründet hatte. Seit dem ODS-Kongress am vergangenen Wochenende, bei dem Václav Klaus den Ehrenvorsitz in der Partei zurückgelegt hat, ist der Konflikt offensichtlicher denn je zuvor. Und schon bald könnte es in Tschechien eine neue Rechtspartei geben, die der ODS Konkurrenz macht. Noch gibt es rund um diese neue Partei aber eine Menge Geheimnisse.
Petr Mach ist 33. Mit seinem blonden Kurzhaarscheitel wirkt er aber ein bisschen wie ein Gymnasiast, der etwas älter aussieht als er ist. Wer den unscheinbaren jungen Mann nicht kennt, würde jedenfalls kaum auf die Idee kommen, dass dieser in der tschechischen Politik gerade für gehörigen Wirbel sorgt. Mach ist Direktor des „Zentrums für Ökonomie und Politik“, das vom konservativen Präsidenten Václav Klaus ins Leben gerufen wurde, und gilt deshalb als verlängerter Arm des Staatsoberhaupts. Wenn Mach der regierenden Demokratischen Bürgerpartei (ODS) nun den Rücken kehrt und eine eigene Partei gründen will, dann spitzt Tschechien die Ohren. Vor allem deshalb, weil ODS-Gründervater Klaus beim Parteikongress am vergangenen Wochenende den Ehrenvorsitz zurückgelegt und sich damit ebenfalls von der ODS verabschiedet hat.
Hintergrund: Klaus hatte mit dem derzeitigen Premierminister Mirek Topolanek, der ihn 2003 als Parteichef ablöste, nie ein gutes Verhältnis. Solange die ODS mit Topolánek aber Wahlen gewann, konnte man sich zwischen Parteizentrale und Prager Burg noch irgendwie arrangieren. Doch die Regional- und Senatswahlen vor wenigen Wochen gerieten für die ODS zum Fiasko und brachten einen Erdrutschsieg für die oppositionellen Sozialdemokraten. Als dann Topolánek beim Parteikongress trotzdem als Vorsitzender bestätigt wurde, war das für Petr Mach das Startsignal:
„Ich glaube, für die ODS war es keine glückliche Entscheidung, weiter in die bisherige Richtung zu gehen. Auf diesem Weg hat die ODS Wähler verloren. Ich spiele schon seit längerem mit dem Gedanken, dass ich die Partei, die ich seit den Neunzigern gewählt habe und in der ich zehn Jahre lang Mitglied war, nicht mehr wählen kann, wenn es so weiter geht, und dass ich versuchen könnte, eine neue Partei zu gründen. Auf dem Kongress hat sich nun gezeigt, dass die Zeit dafür reif ist. Also habe ich mich entschlossen, im Rahmen des freien Wettbewerbs der politischen Ideen mit einer eigenen Partei in den Markt einzutreten.“
Bereits Anfang des nächsten Jahres soll die Partei registriert werden. Ihr Name ist einstweilen noch ein Geheimnis, genauso wie die Antwort auf die Frage, ob auch Václav Klaus selbst aktiv mitmischen wird. Petr Mach würde es jedenfalls freuen:„Der Herr Präsident hat Ansichten, die ihn für eine Mitgliedschaft in der Partei, die ich gründen möchte, sicher qualifizieren würden. Aber ich habe mit ihm wirklich nicht darüber gesprochen. Natürlich würde ich mich geehrt fühlen, wenn er beitritt. Die Tür steht ihm immer offen, ob noch dieses Jahr oder in zwanzig Jahren. Aber das ist allein seine Entscheidung.“
Jan Bureš, Politikwissenschaftler an der Prager Karlsuniversität, ist da aber skeptisch. Klaus’ Abkehr von der ODS weise eher darauf hin, dass der Präsident sich noch mehr als bisher als Solospieler positionieren will, ohne allzu enge Bindung an Parteiapparate, Regierung oder bestimmte Parlamentsfraktionen.
„Ich glaube, dass der Schritt, den Václav Klaus nun vollzogen hat, nicht wirklich als Ausdruck der Unterstützung für eine neue Partei gesehen werden darf. Klaus ist ein sehr rationaler Mensch. Er muss wissen, dass diese neue Partei nur einen sehr kleinen Prozentsatz der Wähler ansprechen kann, wovon ich wirklich überzeugt bin. Die Parteienlandschaft in Tschechien ist mittlerweile klar strukturiert, und der Großteil der ODS-Wähler wird der ODS treu bleiben.“
Doch worum geht es eigentlich inhaltlich beim Streit im rechten Lager? Da ist zum einen die angebliche Abkehr von Grundwerten wie etwa der „Marktwirtschaft ohne Adjektive“, die die ODS in der Koalition mit Christdemokraten und Grünen vollziehen musste. Soziale oder gar ökosoziale Marktwirtschaft sind nicht die Sache von Václav Klaus. Der Politologe Jan Bureš glaubt aber, dass sich die ODS-Wähler nicht wegen der Hinwendung zur politischen Mitte von der Partei abwenden, sondern umgekehrt wegen ihrer marktliberalen Rhetorik.
„Die ODS ist ideologisch in ihrer eigenen Vergangenheit gefangen. Als nämlich noch Václav Klaus die Partei führte, da machte auch er keine rein rechte Politik. Manche konkrete Schritte während seiner Zeit als Regierungschef kann man sogar als eher links bezeichnen. So wurden etwa unrentable Betriebe am Leben erhalten, man wollte Banken nicht privatisieren sondern lieber in den Händen des Staates lassen und so weiter. Umso mehr musste sich die ODS aber rhetorisch als eindeutig rechte Partei präsentieren, die in wirtschaftlichen Fragen sehr liberal auftritt.“
In den neunziger Jahren, kurz nach dem Ende der kommunistischen Diktatur, bescherte die Verkündung der Lehre von der reinen Marktwirtschaft der Partei noch ansehnliche Wahlerfolge. Mittlerweile aber hätten sich die Interessen der ODS-Wähler verschoben, meint Bureš.
„Nicht nur, dass eine Wirtschaftskrise auf uns zukommt. Es gibt auch andere ökonomische Risikofaktoren. Zum Beispiel der Anstieg der Mieten oder die wachsenden Energiepreise. Das sind Dinge, die sich nicht nur auf niedrige Einkommensschichten auswirken, sondern auch auf Menschen mit mittlerem und höherem Einkommen. Die Wähler verlangen also nach einer sozialer ausgerichteten Politik, und das auch in der rechtsgerichteten ODS.“Vor allem aber ist es der EU-Reformvertrag von Lissabon, der im rechten Lager Zwietracht gesät hat. Topolánek hat ihn unterschrieben und tritt, wenn auch oft mit recht halbherziger Stimme, für seine Ratifizierung ein. Klaus hingegen ist eine vehementer Gegner des Lissabonner Vertrags, ebenso wie der Parteigründer in spe Petr Mach.
„Die Meinungsumfragen zeigen seit langem, dass die Wähler der ODS nicht nur besonders pro-europäisch gestimmt sind, sondern von der europäischen Integration auch den größten Nutzen haben“, sagt der Politikwissenschaftler Bureš. „Das sind meist junge, gebildete und weltoffene Leute, die unternehmerisch tätig sein wollen, mit dem Westen Handel treiben möchten und die Vorteile der europäischen Integration erkennen. Die Haltung der ODS gegenüber der Europäischen Union ist aber ziemlich negativ, und das hauptsächlich aufgrund einer gewissen ideologischen Voreingenommenheit.“
Wenn es also wirklich stimmt, dass der Großteil der enttäuschten ODS-Wähler mehr soziale Sicherheit und mehr europäische Integration will, dann wäre das Konzept von Petr Mach nicht gerade vielversprechend. Doch Mach hat mächtige Unterstützer, nach eigenen Angaben auch von Abgeordneten der ODS, und er meint, dass seine neue Partei Zukunft hat:
„Das sagt mir nicht nur mein Gefühl, sondern auch die große Unterstützung, die ich von den Menschen bekomme, zum Beispiel in vielen E-Mails. Soziologische Untersuchungen habe ich nicht, aber die Nachfrage nach einem neuen politischen Subjekt, die kann ich spüren. Wenn die neue Partei ihre Ideen glaubhaft und verständlich darlegen kann, dann hat sie eine große Chance auf Erfolg.“
Die erste Nagelprobe soll die Wahl zum Europaparlament im Juni 2009 sein. Mach würde sich dabei gerne mit dem irischen Millionär Declan Ganley zusammentun, der in seiner Heimat die erfolgreiche Kampagne gegen den Vertrag von Lissabon finanziert hat. Ob es tatsächlich zu einer solchen Kooperation kommt? Auch das ist derzeit noch ein Geheimnis.