Neue StVO im Kreuzfeuer: Richtiger Schritt mit zu harten Bandagen

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Seit dem vergangenen Samstag ist sie in Kraft, und seitdem wird über sie wieder eifrig diskutiert: die neue Straßenverkehrsordnung (StVO) in Tschechien. Auf den ersten Blick hat der mit ihr auf Tschechiens Straßen vollzogene Einschnitt durchweg positive Ergebnisse gebracht. Doch es gibt auch bereits etliche kritische Stimmen, denen zufolge die Ahndung von StVO-Verstößen zu hart bzw. zu undifferenziert vorgenommen werde. Lothar Martin fasst zusammen.

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Der dichte Verkehr in Prag und anderen Großstädten Tschechiens hat in der Vergangenheit ziemlich oft zu Unfällen geführt, weil nicht wenige Autofahrer oft die Nerven verloren, alle paar Meter die Spur wechselten, Volllinien überfuhren und häufig auch noch bei Rot die Kreuzung passierten. Dies und viele andere Verkehrsverstöße wird man jetzt vermutlich weitaus seltener erleben, weil seit Samstag das neue Verkehrsgesetz in Kraft getreten ist, das solche Verstöße wesentlich härter bestraft. Und dass der vorliegende Strafenkatalog durchaus Wirkung zeigt, bewies das erste neu geregelte Verkehrswochenende prompt: Auf den tschechischen Straßen registrierten die Polizisten am Samstag und Sonntag 561 Unfälle - das ist um ein Fünftel weniger als zum gleichen Wochenende des Vorjahres und zugleich die niedrigste Unfallzahl in den letzten zehn Jahren. Was aber noch gravierender hervortrat, ist die Anzahl der Verkehrstoten: Mussten zum ersten Juli-Wochenende, mit dem stets die Haupturlaubssaison eröffnet wird, im Vorjahr noch zwölf Tote beklagt werden, so waren es in diesem Jahr nur noch zwei. Das ist die niedrigste Anzahl seit 1988 und demnach der beste Wert in der Nach-Wende-Zeit.

Eine erste Bestätigung für die Richtig- und Wichtigkeit des neuen Gesetzes also? Josef Tesarik von der Landesdirektion der Verkehrspolizei äußerte sich zu der den Verkehrsregeln sichtlich besser angepassten Fahrweise der Auto- und Kradfahrer noch zurückhaltend: "Es wird sich zeigen, wie lange sie ihren neuen Fahrstil beibehalten." Und nicht nur das, auch die hohe Politik will das neue Gesetz, kaum dass es eingeführt wurde, schon wieder in Frage stellen. Allen voran Noch-Premier Jiri Paroubek, der der Meinung ist, dass das Strafmaß bei mehreren Verstößen unangemessen hart und zu wenig differenziert sei. Deshalb brachte er es bei der Regierungssitzung am Montag auch gleich auf die Tagesordnung und führte später aus:

"Die Meinungen sind ziemlich unterschiedlich, aber nichtsdestoweniger haben wir beschlossen, dass der Verkehrsminister und der Innenminister bis nächste Woche eine erste Einschätzung vorlegen werden, und anhand dieser Einschätzung werden wir weiter fortfahren."

Premier Paroubek, für den es zum Beispiel unverständlich ist, für eine Geschwindigkeitsübertretung von einem Kilometer pro Stunde gleich eine Geldbuße von 2500 Kronen zahlen sowie zwei Strafpunkte in Kauf nehmen zu müssen, hatte in einer ersten Reaktion sogar von einer zeitlich befristeten Amnestie für Verkehrssünder gesprochen. Doch inzwischen hat er eingesehen, dass seine vorschnell geäußerte Meinung nicht der Weisheit letzter Schluss war, zumal eine Amnestie von mehreren Ministern nicht mitgetragen werde, wie sowohl Verkehrsminister Simonovsky als auch Innenminister Bublan ihrerseits verlauten ließen. Und auch bei den Angehörigen der Polizei stößt eine solche Maßnahme auf Ablehnung, wie der stellvertretende Direktor der Prager Stadtpolizei, Ludvik Klema, bestätigte:

"Wir sind leider die, die unter Ausnutzung unserer Kompetenzen das Gesetz in der Praxis durchsetzen müssen, und mir erscheint es daher schon etwas sonderbar, dass bei einem gerade erst zwei Tage alten Gesetz Experten, Polizisten und Wachmänner für dessen Anwendung schon kritisiert werden. Jetzt schon über eine Amnestie zu sprechen, hilft nicht dabei, dass sich die Fahrzeugführer auch in Zukunft rücksichtsvoll verhalten werden."

Da aber am vergangenen Wochenende gerade die Vertreter der örtlichen Stadtpolizeien bei der Ahndung von Verkehrsverstößen kompromisslos zugeschlagen haben, wird das neue Verkehrsgesetz wohl zu einem ersten Schwerpunkt der Arbeit im neu gewählten Abgeordnetenhaus werden. Denn parteiübergreifend ist man sich bereits einig geworden, dass die neue StVO ein Schritt in die richtige Richtung war, ihr Strafenkatalog aber zu drastisch sei. Gerade die doppelte Bestrafung - Geldbuße und Strafpunkte - für geringfügige Vergehen wie zum Beispiel das Fahren ohne Licht halten die Gesetzgeber mittlerweile für maßlos überzogen.