Nichteuropäische Ärzte in Paris - Leben und Arbeiten am Rande der Legalität

Polnische Zahnärzte in Schweden, deutsche Mediziner in Großbritannien: Leicht haben auch sie es nicht immer, doch sind - oder werden - innerhalb der Europäischen Union wenigstens die größten administrativen Hürden beseitigt. Ganz anders ist die Situation für Nicht-EU-Bürger. Zum Beispiel arbeiten in Frankreich zirka 6.000 diplomierte außereuropäische Ärzte. Eigentlich dürften sie nicht praktizieren, denn ihre Diplome sind nicht anerkannt. Und dennoch verrichten sie dieselbe Arbeit wie ihre französischen Kollegen, haben aber nicht denselben Status. Und der Staat schließt beide Augen, handelt es sich doch um billige Arbeitskräfte. Nadine Baier von Radio France Internationale über Chancenungleichheit in Krankenhäusern:

Dr. Tsalal Annani ist Gynäkologe und arbeitet in einem versteckten Kämmerchen im Krankenhaus von Fontainebleau, einem Pariser Vorort. Wenn man dort nach ihm fragt, kennt man ihn nicht, und auch auf Listen und Aushängeschildern ist er nicht zu finden. Er ist eigentlich nicht da - und doch macht er dieselbe Arbeit wie seine französischen Kollegen - verdient jedoch 30 bis 50 Prozent weniger. Das muss aufhören, sagte er sich. Der Franzose mit dem libanesischen Diplom ist Vorsitzender der Gewerkschaft der außereuropäischen Ärzte:

"Es handelt sich um Chancenungleichheit, weil wir die gleiche Arbeit verrichten, die gleichen Kompetenzen haben, jedoch nicht das gleiche Gehalt bekommen. Es ist eine Diskriminierung, weil wir eigentlich nicht arbeiten dürfen. Und wir sind der Meinung, dass man unsere Diplome diskriminiert, Doktordiplome, die in Frankreich nicht anerkannt sind. Und dennoch arbeiten wir offiziell als Ärzte. Also es handelt sich hierbei um Diskriminierung, aber auch um viel Scheinheiligkeit."

Frankreich 1990. Das Land brauchte Ärzte, um den Numerus clausus, der die Anzahl der Mediziner in Frankreich enorm begrenzt, zu kompensieren, und appellierte an Mediziner aus Nordafrika, Schwarzafrika und dem Nahen Osten. Die kamen auch, zahlreich. Erst einmal für eine kurze Zeit. Aus den Monaten wurden Jahre. Aus ein paar hundert wurden tausend Ärzte. 1999 verbot ein Gesetz Krankenhausleitern zwar außereuropäische Ärzte einzustellen - eine Zulassungsprüfung sollte im Vorfeld die Kompetenzen überprüfen - doch die Jahre vergingen, und der Staat schaute weiter zu. Schließlich waren es billige Arbeitskräfte. Erst im letzten Jahr kam die berüchtigte Zulassungsprüfung dann zum Tragen. Für völlig unpassend hält Dr. Annani dieses Examen:

"Heute bietet man uns eine Prüfung an, um uns als fähig oder unfähig in einen Beruf einzustufen, den wir schon lange ausüben. Es handelt sich um ein schulisches Examen. Weder die Betriebszugehörigkeit wird berücksichtigt noch die Berufserfahrung. Wir haben nichts gegen dieses Verfahren an sich, es ist allerdings vollkommen ungeeignet für Ärzte, die schon im Dienst sind. Es ist, als ob man heute den Gesundheitsminister auffordern würde, sein Abitur nochmals zu machen - ich denke, darauf hat er keine Lust."

Dr. Tsalal Annani ist beispielsweise durchgefallen - trotz sechs Jahren als praktizierender Arzt. Und wer die Prüfung nicht besteht, arbeitet trotzdem weiter. Sprachtest - steht auf dem Prüfungsbogen - obwohl manche schon Jahrzehnte in Frankreich leben und meist die französische Staatsbürgerschaft besitzen. 4.000 Kandidaten werden geprüft, für angeblich nur 200 zu besetzende Stellen. Ein Widerspruch:

"Wie kann man vorgeben, so wenige Ärzte zu brauchen, während Frankreich ganz klar einen Ärztemangel hat? Sonst wären wir nämlich nicht da. Diese 6.000 Mediziner besetzen Stellen, sie leisten reelle Arbeit. Wenn sie also gehen würden, würden 6.000 Ärzte fehlen."

Bei anderen hat sich das Problem schon von ganz alleine gelöst. So können nun polnische Ärzte durch die Aufnahme in die EU direkt ans Skalpell. Ohne Test, sogar ohne Sprachkenntnisse. Denn die sind ja Europäer.