Tschechischer Arzt hat sein Glück in Deutschland gefunden

Michal Boháč (links)

Sie sind jung und sehr unzufrieden. Gemeint sind tschechische Ärzte, die sich nach dem Abschluss ihres Studiums auf ihre Facharztprüfung vorbereiten müssen. Die erste Anlernphase für die frischgebackenen Mediziner dauert aufgrund einer neuen Regelung nun zweieinhalb Jahre. Radio Prag hat am Montag dieser Woche darüber berichtet. Die Regelung ist seit Juli 2009 in Kraft und nach knapp einem Vierteljahr ist sie zum Zankapfel zwischen der vor wenigen Tagen gegründeten Bürgerinitiative „Junge Ärzte“ und dem Gesundheitsministerium geworden. Die Ärzte haben am vergangenen Wochenende bei einem Treffen mit der Gesundheitsministerin die Aufhebung des neuen Systems gefordert. An dem Treffen hat auch Dr. Michal Boháč teilgenommen, der als Arzt in Deutschland arbeitet.

Michal Boháč  (Foto: Autorin)
Doktor Michal Boháč ist einer der relativ vielen Ärzte, die ihre Unzufriedenheit mit den Verhältnissen im tschechischen Gesundheitswesen dazu bewogen hat, ihr Glück im Ausland zu suchen. Allein im vergangenen Jahr sollen es um die 200 gewesen sein. Michal Boháč arbeitet seit anderthalb Jahren als Chirurg im Krankenhaus Senftenberg unweit von Dresden. Seine bisherigen Erfahrungen kann man als durchaus positiv bewerten.

Herr Doktor Boháč, nach dem Abschluss an der medizinischen Fakultät in Prag sind Sie nach Deutschland gegangen. Haben Sie die dortigen Verhältnisse in der Branche damals gekannt, oder haben Sie einfach auf die Sicherheit gesetzt, ein wesentlich höheres Gehalt als hierzulande zu erhalten?

„Ich bin nicht nur des höheren Gehalts wegen nach Deutschland gegangen. Ich war dort schon während meines Studiums. Im 5. Studienjahr war ich als Erasmus-Student ein halbes Jahr in Düsseldorf, und im 6. Studienjahr in Bonn, auch für ein halbes Jahr“.

War es so, dass schon diese beiden Aufenthalte dazu beigetragen haben, dass Sie sich nach Ihrem Abschluss in Prag entschlossen haben, nicht hier zu bleiben, sondern nach Deutschland zu gehen?

„Für mich war wichtig, mein Deutsch aufzubessern. Außerdem habe ich mich auch gut umgesehen und die Arbeitsbedingungen in Deutschland und Tschechien verglichen. Dem folgte meine Entscheidung, nicht in Tschechien zu bleiben“.

Welche Eindrücke hatten Sie damals bei der ersten Begegnung mit einem deutschen Krankenhaus?

„Während des praktischen Unterrichts im Krankenhaus fiel mir auf, dass wir in Tschechien sehr viel Theorie lernen müssen, während deutsche Studenten viel mehr als wir praktisch orientiert sind und sich mehr mit Patienten beschäftigen können“.

Sie haben gesagt, Sie sind nicht nur wegen der besseren Vergütung nach Deutschland gegangen. Was waren also die anderen Gründe?

„Einer meiner bedeutendsten Gründe war, dass ich als junger Mensch ohne feste Bindung in Tschechien auch ein anderes Land kennen lernen wollte, und auch die Sprache“.

Haben Sie auch über ein anderes Land nachgedacht? Über Großbritannien etwa?

„Ja. Damals sprach ich auch besser Englisch als Deutsch. Eigentlich wollte ich lieber nach England oder Irland gehen, aber es war nicht so einfach, dort eine Stelle zu finden“.

In Deutschland war das einfach?

Michal Boháč

„Ja. Deutsche Krankenhäuser suchen viele Ärzte“.

Nun, nach Deutschland sind Sie als frischgebackener Arzt gekommen. Sie haben es eigentlich schon angeschnitten, ich möchte aber noch einmal nachfragen: Hat Sie Ihre Hochschule auf Ihren Job im Ausland gut vorbereitet? Oder hatten Sie einen Nachholbedarf?

„Na ja, wissen Sie, für jeden Arzt, der Berufsanfänger ist, ist es nicht leicht. Man hat zwar viele theoretische Kenntnisse, aber als junger Arzt muss man vieles von Neuem lernen. Man weiß vieles, aber es reicht nicht. Wenn man fragt, bekommt man schon eine Antwort, aber auch die muss man nicht immer hundertprozentig verstehen“.

Haben Sie sich nicht ein bisschen unsicher gefühlt?

„Selbstverständlich. Das kommt auch jetzt vor. Es gibt immer wieder etwas Neues. Aber auch meine älteren Kollegen um die 50 sagen hie und da, so einen Patienten hätten Sie zum ersten Mal gesehen und behandelt. Man muss wirklich ständig etwas Neues lernen“.

Und eigentlich hüben wie drüben als Berufsanfänger hart arbeiten, oder?

„Selbstverständlich. Hier in Deutschland war das für mich noch schwerer. Aus Tschechien kannte ich zum Beispiel nur tschechische Kürzel für verschiedene Medikamente und als ich nach Deutschland kam, musste ich wieder alles neu lernen. Es hat eine Weile gedauert“.

Wie hat man Sie empfangen? Hatten Sie irgendwelche Probleme?

„Ich kann sagen, dass alle sehr nett zu mir waren. Alle waren hilfsbereit. Es war einfach locker. Etwas schwieriger war es bei der Kommunikation. Während der Frühstücks- oder Mittagspause wollten sich Kollegen mit mir unterhalten, aber bei mir haperte es sprachlich“.

Jetzt ist es aber schon besser, nicht wahr?

„Das schon. Ich bin seit anderthalb Jahren hier und es ist besser geworden“.

Auch mit Patienten hatten Sie keine Probleme, wenn es bei der Verständigung nicht gut geklappt hat?

„Ich muss sagen, dass ich damit keine großen Probleme hatte. Wenn ich mich nicht sicher fühle, gebe ich mir doppelt so viel Mühe, und die Patienten merken es und wissen das auch zu schätzen. Sie sind tolerant“.

Sie persönlich, aber auch viele ihrer tschechischen Kollegen sind mit den Arbeitsbedingungen und mit ihrer Vergütung in Deutschland zufrieden. Auf der anderen Seite sind im deutschen Ärzteblatt sehr viele Stellenangebote zu finden. Einige Kliniken scheinen händeringend nach Ärztenachwuchs zu suchen. Worauf ist dieser Mangel an Ärzten in Deutschland Ihrer Meinung nach zurückzuführen?

„Danach müssten Sie eigentlich deutsche Ärzte fragen“!

Vielleicht sind deutsche Ärzte mehr verwöhnt und suchen ein besseres Leben im Ausland?

„Ja, das ist auch ein Grund. Die Arbeit des Arztes ist schwer. Dabei geht es um Menschenleben und sie ist auch mit viel Stress, Nachtarbeit und Überstunden verbunden. Viele gehen also ins Ausland“.

Dana Jurásková
Es ist so eine kleine europäische Völkerwanderung im medizinischen Bereich. Wenn ich mich nicht irre, haben Sie am vergangenen Wochenende am Treffen der Bürgerinitiative „Junge Ärzte“ mit der Gesundheitsministerin Dana Jurásková teilgenommen. Hat es Sinn gemacht, sich mit der Ministerin zu treffen?

„Selbstverständlich. Eine Diskussion ist immer sinnvoll. Ich habe dort auch einen Vortrag gehalten“.

Was haben Sie in dem Vortrag gesagt?

„Ich habe erzählt, warum ich nach Deutschland gegangen bin und welche Vor- und Nachteile die Arbeit als Mediziner in Deutschland hat“.

Denken Sie daran, irgendwann wieder nach Tschechien zurückzukehren?

„Ja, ich möchte schon gern irgendwann nach Tschechien zurück. Ich bin stolz darauf, dass ich aus Tschechien stamme. Ich mag das Land, ich mag meine Familie, ich möchte auch, dass meine Kinder Tschechisch sprechen. Also irgendwann, in zehn, zwanzig Jahren gehe ich vielleicht zurück nach Tschechien“.