Tschechische Ärzte im internationalen Projektnetz eingebunden

Ein Großteil der Kinder, die gerade jetzt zur Welt kommen, soll Experten zufolge 90 bis 100 Jahre alt werden. Eine positive Entwicklung? Wie man´s nimmt. Die Kehrseite der Medaille sind nämlich die so genannten Zivilisationskrankheiten. Mit ihnen steigt nicht nur die Zahl der Patienten, parallel dazu erhöht sich auch die Belastung der Krankenkassen, denn die moderne Medizin feiert zwar große Erfolge, wird aber auch immer teurer. Angesichts der bereits bestehenden sowie der sich für die Zukunft abzeichnenden Probleme kommt große Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit zu. Über ein konkretes Beispiel aus diesem Bereich berichtet heute Jitka Mladkova in der nun folgenden Sendereihe "Panorama CZ":

Die Statistiken der häufigsten Todesursachen in den Industrieländern sprechen eine klare Sprache: Die größten Gefahren sind die Kreislauferkrankungen und der Krebs. Unter die letztgenannte Diagnose fallen u.a. Erkrankungen, über die man relativ wenig hört, obwohl sie bei Jung und Alt immer häufiger auftreten. Es geht um so genannte Lymphome, die durch Missbildung eines spezifischen Typs der weißen Blutkörperchen in jedem beliebigen Teil des Körpers entstehen und durch die Blutbahnen in jeden beliebigen Teil des Körpers gelangen können. Umgangssprachlich werden die bösartigen Lymphome als Lymphknotenkrebs bezeichnet. In Tschechien sind sie die als fünfthäufigste Todesursache, wobei jedes Jahr rund 2000 neue Fälle diagnostiziert werden.

1999 wurde die Tschechische Lymphomkooperationsgruppe gegründet, die mehrere medizinische Zentren im Lande, vertreten durch renommierte Fachärzte, vereint, die sich gemeinsam um eine verbesserte Bekämpfung dieser Krankheit bemühen. Sei es im Bereich der Forschung, durch die Einführung neuer Heilmethoden oder nicht zuletzt auch durch Förderung verschiedener Erziehungsaktivitäten. Darüber hinaus hat sich die tschechische Lymphom-Kooperationsgruppe als erste in den ehemaligen Ostblockländern auch in das europäische Netz etablierter Fachzentren für Lymphomheilung, das so genannte Lymphoma Forum of Excelence (LyFE) eingegliedert. Anfang April fand in Prag eine internationale Konferenz statt, die der Problematik der Lymphomheilung galt. In einem Gespräch mit Radio Prag unterstrich Dozent Marek Trneny, Vorsitzender der tschechischen Fachgruppe, die Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor allem für das Zustandekommen internationaler Studien:

"Wenn man nachweisen will, dass zum Beispiel die Methode A besser ist als die Methode B, muss man eine ganze Reihe von Kriterien erfüllen. Die Zahl der Patienten, die in so eine Studie einbezogen werden, beläuft sich auf mehrere Hundert. Die tschechische Kooperationsgruppe nahm gemeinsam mit Lymphom-Gruppen aus anderen Ländern, darunter in Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Schweden, an einer umfassenden Studie mit über 800 Patienten teil, die Professor Freundschuh aus Homburg koordiniert hat. Die internationale Zusammenarbeit ist im Prinzip der einzige Weg, einige Fragen beantworten zu können",

.. sagt Dozent Trneny und betont, dass diese Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten stattfindet, einschließlich wiederholter Studienaufenthalte tschechischer Mediziner an ausländischen Kliniken.

Nach Prag kam auch Dr. Martin Dreyling von der Universitätsklinik in München-Großhadern. In seinem Referat berichtete er über neue Therapieerfolge beim so genannten Mantelzelllymphom. Es gehe um eine relativ seltene Erkrankung, doch gerade bei diesen seltenen Erkrankungen hätten die verschiedenen Studiengruppen im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit Erfolge errungen, sagt Dr. Dreyling und fügt hinzu:

"Die großen Erfolge der letzten zehn Jahre wurden eigentlich durch nationale Studiengruppen durchgeführt. Die aktuellen Studien laufen alle auf europäischer Ebene, eigentlich unter Einschluss aller größeren Lymphomstudiengruppen, der tschechischen mit einbegriffen."

Inwieweit sind für die Zusammenarbeit die Erfahrungen der tschechischen Kollegen wichtig?

"Die sind sogar sehr wichtig. Es geht um Konzepte, in deren Rahmen wir wirklich auf Augenhöhe miteinander arbeiten, und das betrifft ganz speziell auch die Arbeitsgruppe von Herrn Doktor Trneny sowie einzelne Zentren. Das sind wirklich Leuchttürme, wie wir das nennen, also einzelne hervorragende Institutionen, die auf europäischem Niveau die gemeinsamen Konzepte vorantreiben."

Worin besteht noch die Zusammenarbeit? Es gibt gemeinsame Treffen, Vorträge und außerdem?

"Es ist so, dass die klinischen Studien gemeinsam diskutiert werden und gemeinsam auch Patienten eingebracht werden. Hier ein Beispiel: Wir haben ein europäisches Netzwerk zur Behandlung von Mantelzelllymphomen, in dem wiederum auch die Prager Gruppe beteiligt ist. Sie hat inzwischen weltweit Aufsehen geweckt. Ich bin darauf hin selbst von den amerikanischen Kollegen gebeten worden, mich an einem ähnlichen Konsortium dort zu beteiligen, um diese Arbeit, die wir zur Zeit gemeinsam in Europa leisten, auch in den USA voranzubringen. Und was bedeutet das für den Patienten? Da kann man relativ dezidiert sagen, dass sich die Therapiestandards in den letzten zehn oder fünf Jahren umwälzend verändert und verbessert haben. Das heißt, wir können heute deutlich mehr Patienten mit malignen Lymphomen heilen."

Kommt es also vor, dass man sich über einen konkreten Fall, über einen Patienten, austauscht, wenn man sich einen Rat bei ausländischen Kollegen holen will?

"Das ist in der Tat der Fall. Wir haben heute auf dem Symposium auch einzelne Patientenschicksale diskutiert, und auch das, wie man jetzt weitere Therapien optimal plant. Es ist da auch ein engerer Austausch gerade mit der Prager Gruppe. So hat zum Beispiel eine Kollegin häufige unser Institut besucht, und letztendlich gibt es auch einen intensiven fachlichen Austausch. Das heißt, dass ganz konkret Patientenbehandlung, die bestmögliche Optimierung solcher Behandlung, zukünftige Strategien und Medikamente auch gemeinsam diskutiert werden"

Wie lange gibt es diesen Austausch?

"Dieser Austausch ist, glaube ich, innerhalb der letzten drei bis fünf Jahre gewachsen. Es ist in der Tat so, dass, wie gesagt, zum Beispiel die tschechische Gruppe, aber inzwischen auch die polnische Gruppe fester Bestandteil all dieser europäischen gemeinsamen Studienkonzepte geworden sind."

Kann man vielleicht sagen, dass es eher die tschechischen Mediziner sind, die mehr von der Zusammenarbeit profitieren als umgekehrt?

"Die letzten fünf Jahre war das so. das muss man ehrlich sagen. Das ist bei allen europäischen Kooperationen so, dass es eine gemeinsame Lernkurve gibt. Es gilt im Prinzip, dass gerade diejenigen, die erstmal etwas neu aufstellen, und die tschechische Gruppe hat sich international in den letzten fünf Jahren postiert, dass diese Partner mehr davon profitieren. Aber wir profitieren alle gemeinsam, weil letztendlich diese Studien auf nationaler Ebene gar nicht mehr durchführbar sind. Es gibt konkrete Konzepte, die wir auch heute besprochen haben, unter denen zum Beispiel die tschechische Gruppe eine neue Therapieoption pilotiert."

Die Symptome der Lymphomerkrankungen sind oft eine ganze Zeitlang nicht erkennbar und kündigen sich oft erst durch verschiedene Schwierigkeiten an, wenn die Krankheit bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat. So war es auch bei der heute 23jährigen Studentin Eva aus Prag. Nach einer Serie von anfänglichen Untersuchungen lautete die Diagnose: Aggressiver Lymphom. Sie erzählte uns, was danach folgte:

"Man hat mir zwei Therapien angeboten: Eine klassische mit sechs Chemotherapieanwendungen innerhalb eines halben Jahres mit einer 65-prozentigen Heilungschance. Auch bei der anderen Behandlungsform geht es zunächst um einen sechsteiligen, aber wesentlich intensiveren Chemotherapiezyklus, gefolgt von der Knochenmarktransplantation und der anschließenden Bestrahlung. Die letztgenannte ist eine aggressive Heilmethode, die dem Körper zu schaffen macht. Die Überlebenschance beläuft sich allerdings auf 95 Prozent".

30 Prozent Unterschied bei Überlebenschance war für die junge Frau der ausschlaggebende Faktor, warum sie sich für die zweite Therapievariante entschlossen hat und mit ihr mutig vieles in Kauf nehmen musste. Es hat sich gelohnt. Heute sagt sie:

"Die abschließende Bestrahlung sei schon eine Rosine auf der Torte gewesen. Am 16. Mai 2005 habe sie sich der letzten Knochenmarktransplantation unterzogen und fühle sich seitdem exzellent. Dafür sei sie ihren behandelnden Ärzten dankbar!"