Gespräch mit tschechischem Botschafter bei der Europäischen Union Libor Secka

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Herzlich willkommen liebe Hörerinnen und Hörer, zu einer weiteren Ausgabe von Eurodomino. In Jahr 2002 soll sich für die Kandidatenländer vieles entscheiden. Vor allem wird der Abschluss der Beitrittsverhandlungen erwartet, so dass die Bürger der neuen Länder bereits an den Wahlen für das Europäische Parlament im Jahre 2004 teilnehmen können. Ein bedeutendes Jahr also auch für Tschechien. Radio Prag hat den tschechischen Botschafter bei der Europäischen Union, Libor Secka, in Brüssel besucht, um sich mit ihm über die nahe Zukunft, die bevorstehende EU-Erweiterung sowie den Beitrag Tschechiens zu den Europäischen Gemeinschaften zu unterhalten. Durch die Sendung führt Sie Dagmar Keberlova.

24 Kapitel abgeschlossen, 7 weitere müssen noch soweit gebracht werden, sobald wie möglich. Das sind die Startangaben für dieses Jahr. Bisher geben sich alle über die Einhaltung des Zeitplans optimistisch. Wie sieht dies der tschechische Botschafter Libor Secka?

"Ich glaube, dass der Zeitplan real ist. Wir können selbstverständlich nicht vorhersehen, was alles im Laufe dieses Jahres passieren wird, aber alle äußeren Bedingungen weisen darauf hin, dass es möglich ist, den Zeitplan einzuhalten."

Die Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten können auch von den Debatten innerhalb der EU beeinflusst werden:

"Dieses Jahr wird für die Verhandlungen sehr bedeutend sein, im Hinblick darauf, dass in der Europäischen Union gleichzeitig die Debatte über die Reform ihrer gemeinsamen Politiken ausgetragen wird. Damit hängt unmittelbar die finanzielle Situation der Union und ihr Haushalt zusammen: Diese Verhandlungen sind immer sehr empfindlich. Neben den Verhandlungen mit den Kandidatenländern wird über die gemeinsame Agrarpolitik diskutiert werden, und diese Diskussion kann sich selbstverständlich in den Verhandlungen mit den Kandidatenländern widerspiegeln. Es können sich auch Bedingungen ändern, beispielsweise im Kapitel Landwirtschaft. Meiner Meinung nach, wenn wir den aktuellen Trend verfolgen werden, sollten wir in der Lage sein, den Zeitplan einzuhalten. Aber wir können selbstverständlich jetzt nicht sagen, wie sich die Dinge weiterentwickeln werden, die nicht von uns abhängen."

Es hat mich auch interessiert, wie Tschechien in Brüssel bewertet wird:

"Ich glaube, dass Tschechien hier in Brüssel als ein sehr gut vorbereiteter Kandidat angesehen wird. Als ein Kandidat, der heute schon die politischen und ökonomischen Kopenhagener - Kriterien erfüllt. Auch in dem Bereich der Anwendung des europäischen Rechts steht Tschechien gut da. Neben diesen technischen Fragen spielt auch die Tatsache eine große Rolle, dass der Prozess der europäischen Integration in Brüssel als etwas wahrgenommen wird, das nicht mehr gestoppt werden kann, als etwas, das natürlich ist und fortgesetzt werden muss. Und die Tschechische Republik ist ein Bestandteil dieses Prozesses."

In Tschechien sank vor einiger Zeit die Unterstützung des Tschechiens - Beitritts rasant. Wie werden diese Schwankungen in Brüssel bewertet?

"Meiner Meinung nach ist dies ein Thema, mit dem sich heute Politiker sowohl in den aktuellen EU-Mitgliedsstaaten auseinandersetzen als auch in den Kandidatenländern, weiter aber auch Vertreter verschiedener Institutionen hier in Brüssel. Es hängt damit zusammen, dass wir in eine schwierigere Phase der Verhandlungen eintreten. Heute sind die Interessen der Staaten viel deutlicher als sie es am Anfang waren. Wir kommen zu diffizilen Fragen für viele Länder, sei es die Freizügigkeit der Arbeitskräfte nach der Erweiterung, Fragen des Verkehrs, der Steuer, also die Öffentlichkeit ist jetzt viel mehr involviert in die Atmosphäre der Verhandlungen. Die Tatsache, dass die Unterstützung der tschechischen Bevölkerung für den EU-Beitritt zuerst gesunken, jetzt aber wieder angestiegen ist, wird hier selbstverständlich mit Interesse verfolgt. Wir betonen hier in Brüssel, dass die Reaktion der Öffentlichkeit auf die gegebene Situation berücksichtigt werden muss."

Auf beiden Seiten, sowohl der bestehenden Mitglieder als auch der Kandidatenländer, wird eine Kampagne über die Erweiterung vorbereitet. Libor Secka hierzu:

"Die Europäische Union und insbesondere die Europäische Kommission kommt nun mit einer Informationskampagne, um den Bürgern in der bestehenden EU sowie in den Kandidatenländern möglichst viel Information zu vermitteln, damit die Bürger eine noch konkretere Vorstellung haben, was die Erweiterung bedeutet. Damit wird auch eine größere Unterstützung in unserem Land erreicht."

Aber auch die tschechische Regierung habe eine Informationsstrategie bereit, die zu einem gewissen Zeitpunkt in die Form einer Kampagne übergehen wird. Botschafter Secka zufolge sei es auch wichtig, dass dieses Thema immer mehr auf der politischen Ebene diskutiert wird. Und wie stellt sich Tschechien seine Mitgliedschaft vor?

"Tschechien will nicht wie ein Land beitreten, das nur die Hand ausstreckt. Das ist keineswegs unser Ziel. Wir wollen ein Land sein, das an dem europäischen Projekt der Zukunft aktiv mitarbeitet. Wir haben unsere Vorstelllungen, wir beteiligen uns schon heute an der Diskussion über die Zukunft der EU, und wir sind ebenfalls im Konvent eingebunden. Tschechien hat eine Vision von Europa und die wollen wir nach unserem EU-Beitritt verwirklichen."

Tschechien werde für die EU aber auch eine Bereicherung bedeuten, so Botschafter Secka. Die kulturelle Vielfalt der EU werde vergrößert, Tschechien wolle seine qualitativ hohe Kultur vorstellen, seine Sprache, dies alles seien Dinge, die eine große Bedeutung in der heutigen Welt hätten, sagte Botschafter Secka. Und was werde Tschechien gewinnen?

"Tschechien wird mit dem EU-Beitritt das Gefühl einer stärkeren Zugehörigkeit zum europäischen demokratischen Komplex bekommen. Wir werden einen Platz an einem Tisch gewinnen, bei dem über grundsätzliche, jetzt vor allem ökonomische Sachen entschieden wird, wir werden nicht nur das akzeptieren, was woanders entschieden wird, sondern dies auch selber beeinflussen, was sehr wichtig ist. Unsere Bürger werden ihre wirtschaftlichen Aktivitäten ausweiten können, junge Menschen werden mehr im Ausland studieren können. Es gibt eine Reihe von positiven Schritten, die der EU-Beitritt Tschechien mit sich bringen sollte."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt