Europa an der Schwelle der Vereinigung

Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe von Eurodomino. Prag, Budapest, Warschau, Pressburg auf der einen Seite, Madrid, Paris, London und Berlin auf der anderen. Wie leben die Menschen in diesen Hauptstädten und den Ländern? Gibt es immer noch Unterschiede im Ablauf des Berufslebens, in der Freizeitgestaltung, beim Einkaufen? Damit befasste sich eine umfassende soziologische Studie, aufgrund deren jetzt ein Buch veröffentlicht wird. Die Antworten auf die gerade gestellten Fragen bietet Ihnen in den folgenden Minuten der Autor des Buchs, Milan Tucek. Durch die Sendung führen Sie Joern Nuber und Dagmar Keberlova.

"Europa an der Schwelle der Vereinigung" heißt das Buch, das den Versuch darstellt, die aktuelle Situation in den EU-Ländern sowie den Kandidatenländern zu beschreiben und gleichzeitig zu analysieren, ob es bei der EU-Erweiterung aufgrund möglicher gravierender Unterschiede unter den einzelnen Ländern zu Schwierigkeiten kommen könnte. Mit welchen Bereichen sich die Forschung beschäftigte, erklärt Milan Tucek, Autor des Buchs:

"Die Untersuchung befasste sich mit dem Lebensniveau, dem Lebensstil sowie mit verschiedenen Marketingaspekten und Gewohnheiten, weil es gleichzeitig eine Marketingforschung war."

Zu welchem Schluss also kamen die Soziologen in den einzelnen Bereichen? Soziologe Tucek weiter:

"Aus der Sicht des Lebensstandards steht die Tschechische Republik im Vergleich mit den westlichen Ländern nicht im besten Licht da. Sie ist immer noch aufgrund der niedrigen Löhne noch etwas rückständig. Alles was an die schwache Krone gebunden ist, weist noch einen Rückstand auf, z. B. die Ausstattung der Haushalte etc. Was hingegen die Freizeitgestaltung betrifft, den Lebensstil und auch die Einkaufsgewohnheiten, dies sind Sachen, die absolut vergleichbar sind mit den westlichen Ländern."

Der Lebensstandard war aber nicht der einzige Unterschied, den die Soziologen feststellen konnten. Interessant war der Vergleich des Arbeitslebens in Tschechien und dem westlichen Europa, bei dem wichtig war, ob der untersuchte durchschnittliche Mensch Mann oder Frau war:

"Die Tschechische Republik ist - sowie alle postkommunistischen Länder - dadurch bekannt, dass es hier fast 100prozentige Beschäftigung der Frauen gibt, die einen Full-time Job haben. Dies hebt zweifelsohne die durchschnittliche Arbeitszeit. Wenn man Männer vergleicht, so arbeiten die tschechischen Männer um ca. eine halbe Stunde länger als die Männer in der EU. Es ist dadurch gegeben, dass unsere Volkswirtschaft doch noch ziemlich industrialisiert ist und in den Industriebetrieben ist die Arbeitszeit 8 Stunden. Das hat einen großen Einfluss auf die durchschnittliche Arbeitszeit. Wenn wir mehr Dienstleistungen hätten, wo die Arbeitszeit mehr flexibel ist, wäre das Ergebnis anders."

Ein weiterer Grund ist Herrn Tucek zufolge die Tatsache, dass die Unternehmer, die ca. 11 bis 12 Prozent ausmachen, ihre Stellung erst beweisen müssen, da sie vor relativ kurzer Zeit angefangen haben und dadurch auch mehr arbeiten müssen. Viele Menschen arbeiten im Vergleich zu den westlichen Ländern auch am Sonntag, da sie während der Woche nicht genug verdienen. Mehr arbeiten und weniger Auto fahren ließe sich zusammenfassen. Diejenigen von Ihnen, die das tagsüber mit den Autos überfüllte Prag kennen, werden sich vielleicht bei dieser Behauptung wundern, aber Prag sei den Forschern zufolge eher eine Ausnahme. In Tschechien fahren die Menschen immer noch mehr Bus, Zug sowie mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Worin unterscheiden sich also die Bewohner in den postkommunistischen Ländern oder neuen Demokratien nicht von ihren westlichen EU-Nachbarn? In der Freizeit, sagt der Soziologe Milan Tucek:

"Die Freizeitgestaltung sieht sehr ähnlich aus. Obwohl ganz gleich ist es ja auch wieder nicht. Die Tschechen verbringen mehr Zeit zu Hause, vor allem vor dem Fernseher und bei den Hausarbeiten verbringen sie mehr Freizeit als die EU-Bürger. Dies entwickelte sich in den 70er, 80er Jahren, dass sich die Menschen mehr auf ihr Zuhause konzentriert haben, auf das Fernsehen, den Garten und die Wochenendhäuser. In den 90er Jahren steht das Fernsehen auch noch hoch im Kurs, weil es einen Umbruch erlebt hatte, die Sendungen haben sich schlagartig geändert und sind immer noch etwas neues."

Man vergleicht sehr oft Angaben wie die Höhe der Einkünfte, der Ausgaben usw. und diese Vergleiche kennt man laut Milan Tucek schon. Diese Untersuchung war darin neu, dass sie sich mehr das Leben der Menschen, ihre alltäglichen Beschäftigungen zum Ziel gesetzt hat. Mehr dazu noch einmal Milan Tucek:

"In diesen Angaben ist die Recherche einzigartig und es war eine Möglichkeit, sich die Frage zu stellen, in welchem Masse die ehemaligen postkommunistischen Länder ihren EU-Nachbarn entfernt sind und in welchem Masse der Einigungsprozess in Europa Probleme bilden könnte, falls in dem gemeinsamen Europa verschiedene Lebensstile zusammenfinden würden. Es hat sich aber gezeigt, dass der Stil und Alltäglichkeiten in allen untersuchten Ländern ähnlich sind. Das ist das Hauptergebnis der Analyse der Daten, die wir durchgeführt haben."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt

Autoren: Dagmar Keberlova , Joern Nuber
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