Die Couponprivatisierung im Rückblick

Vor zehn Jahren hat in der damaligen Tschechoslowakei die Privatisierung des Staatsbesitzes begonnen. In dieser Aktion gigantischen Ausmasses ging es darum, die Grundsteine für Privatbesitz und marktwirtschaftliche Verhältnisse zu legen. Ob dies gelungen ist, namentlich mit der Methode der sogenannten Couponprivatisierung, ist bis heute umstritten. Hören Sie dazu den folgenden Beitrag von Rudi Hermann.

Ein geglücktes oder ein missglücktes Experiment? Die unter den gegebenen Umständen bestmögliche Methode oder ein Betrug am Volk? Rückgängig kann die Couponprivatisierung nicht mehr gemacht werden, doch ob sie Tschechien den Weg zur Marktwirtschaft erleichtert oder im Gegenteil kompliziert hat, darüber gehen die Meinungen bis heute auseinander. Vaclav Klaus, einst tschechoslowakischer Finanzminister, dann tschechischer Ministerpräsident und heute Vorsitzender der Abgeordnetenkammer, war einer der Mitbegründer des Gedankens der Couponprivatisierung und verteidigt diese bis heute als bestmögliche Methode angesichts des Umfelds, in dem die gross angelegte Entstaatlichungsoperation durchgeführt werden musste. Milos Zeman, der amtierende Ministerpräsident, der damals in der sozialdemokratischen Opposition Politik machte, hält die tschechische Version der Volksprivatisierung dagegen nach wie vor für einen grossen Schwindel, der den Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft nicht nur nicht gefördert, sondern sogar behindert habe. In der ökonomischen Fachwelt wird dem ursprünglichen Gedanken eine gewisse Originalität zwar nicht abgesprochen, doch wird die Couponprivatisierung restrospektiv als generell nicht geglückt erachtet.

Worum ging es bei dieser Methode?

Die Grundidee bestand darin, den von den Kommunisten als volkseigen deklarierten Staatsbesitz tatsächlich in die Hände des Volkes zu bringen. Gegen eine bescheidene Verwaltungsgebühr konnte ein sogenanntes Couponheft mit Investitionspunkten erworben werden, und über diese Punkte konnten Anteile an Staatsfirmen erworben werden. Die Bürger kamen damit erstmals mit dem Gesetz von Angebot und Nachfrage in Kontakt, und rückblickend hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die damals sehr begehrt waren, heute nicht zu den besten gehören. Wer sich nicht selber zu investieren traute, konnte sein Punkteheft auch einem der vielen zu diesem Zweck entstandenen Investitionsfonds anvertrauen und dafür nicht einen Anteil an den einzelnen Staatsunternehmen, sondern diesem Investitionsfonds erwerben.

Die Hauptvorwürfe an die Adresse der Couponprivatisierung lauteten und lauten bis heute, dass sie darin bestand, Eigentum praktisch zu verschenken und damit kein neues Geld in die vielfach kapitalbedürftigen Unternehmen brachte. Ausserdem sei eine sehr unübersichtliche Aktionärsstruktur geschaffen worden, die die Führung und notwendige Restrukturierung der Unternehmen erschwert habe. Und diese Probleme hätten schliesslich den ganzen Reformprozess gebremst. Die Autoren des Couponkonzepts halten dem entgegen, dass mit der Couponprivatisierung nur der erste Schritt zur Entstaatlichung getan werden sollte. Die definitive Aktionärsstruktur sollten den privatisierten Unternehmen nicht Staatsbeamte, sondern die Marktkräfte geben.

Allerdings hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die nach sogenannten Standardmethoden privatisiert, das heisst direkt oder über Auktion an einen Investor teilverkauft wurden, heute besser dastehen als Unternehmen, die mehrheitlich über die Couponmethode neue Eigentümer fanden - gerade deshalb, weil ein konkreter Eigentümer eher in der Lage war, langfristig und strategisch zu denken und dafür auch das nötige Kleingeld einschiessen und Know How beibrigen konnte. Das Paradebeispiel für eine geglückte Privatisierung dieser Art ist die Automobilfabrik Skoda Mlada Boleslav. Die führenden Köpfe der Couponprivatisierung allerdings halten dem entgegen, dass es nicht viele solcher gut und erfolgreich zu privatisierender Unternehmen gegeben habe und dass sich die ausländischen Investoren nur die Rosinen aus dem Kuchen gepickt hätten. Die Erfahrugen anderer Länder, etwa Polen, zeigen allerdings, dass heute mit einer Privatisierung in bedächtigerem Tempo in längerfristiger Perspektive eher bessere Resultate erzielt wurden. Damit der Hauptvorteil der Couponprivatisierung, die Geschwindigkeit der Entstaatlichung und der Schaffung eines marktwirtschaftlichen Umfelds, hätte greifen können, hätte laut Fachleuten ein besserer legislativer und institutioneller Rahmen geschaffen werden sollen.

Autor: Rudi Hermann
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