Die nicht immer legalen Tricks der Transformationsgewinner

Viktor Kozený

Das Schlagwort "Transformation", das heute in aller Munde ist, bedeutete Anfang der neunziger Jahre auch in der damaligen Tschechoslowakei einen stürmischen Aufbruch ins Ungewisse. Quasi über Nacht umgebaute Strukturen schufen ungeahnte Freiräume. Manche Menschen nutzten die Gunst der Stunde und brachten es in kürzester Zeit zu riesigem Reichtum. Nicht immer freilich ging es dabei ganz legal zu. Einer, dem im Zusammenhang mit den frühen Privatisierungen heute Betrug vorgeworfen wird, könnte sich nun vielleicht bald vor Gericht verantworten müssen. Mehr zum "Fall Kozený" und zu den Tricks mancher Transformationsgewinner hören Sie nun von Gerald Schubert:

Der prominenteste Nachwende-Neureiche der Tschechischen Republik heißt Viktor Kozený, lebt auf den Bahamas und wird per internationalen Haftbefehl gesucht. Das Pech für die Behörden: Zwischen Tschechien und den Bahamas gibt es keine diplomatischen Beziehungen und daher auch keinen bilateralen Auslieferungsvertrag. So lebt Kozený, der gemeinsam mit einem Mitbeschuldigten rund 11,5 Milliarden Kronen, das sind etwa 370 Millionen Euro, veruntreut haben soll, nach wie vor unbehelligt in seinem Inselparadies.

Kozený, laut eigener Aussage kurz nach der Wende mit 100 Dollar in der Tasche aus Amerika remigriert, mag ein Extrembeispiel sein. Doch die Privatisierungen der frühen neunziger Jahre haben bis heute Spuren in der ökonomischen Landschaft - und auch so manchen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Jan Bures ist Politologe an der Prager Karlsuniversität und hat sich auf die Entwicklung der tschechischen Nachwende-Gesellschaft spezialisiert. Die enormen Eigentumstransfers von damals erklärt er so:

"Im Wesentlichen ging es darum, dass der Staat Anteile an großen Unternehmen verkaufte. Dabei legte die damalige Regierung Wert darauf, dass die Industrie in die Hände tschechischer Bürger gelangt. Jedoch: Tschechische Bürger hatten nicht das große Geld, um diese Unternehmen auch bezahlen zu können. Also verkaufte man eigentlich auf Pump. Mit anderen Worten: Es wurde gegen das Versprechen einer späteren Rückzahlung privatisiert."

Diese Rückzahlung sei dann eben in vielen Fällen ausgeblieben. Im Zusammenhang mit den Privatisierungswellen der neunziger Jahre taucht darüber hinaus auch ein anderer Begriff immer wieder auf: Tunelování, auf Deutsch am ehesten mit Aushöhlen oder Untertunneln zu übersetzen. Jan Bures:

"Das Untertunneln begann dann ein bisschen später, sozusagen als Produkt dieses nicht ausreichend geregelten Milieus und der mangelnden Kontrolle der großen Firmen. Deren Manager konnten - etwa mithilfe ihrer Beziehungen zu Banken - das Vermögen dieser Unternehmen in ihre eigenen kleinen Tochtergesellschaften transferieren. Und so landete das Geld dann letztlich auf ihren Privatkonten."

Bewertungen dieser frühen Privatisierungsphasen fallen heute unterschiedlich aus. Bürgerliche Politiker meinen, dass der von konservativen Regierungen eingeschlagene radikale Privatisierungskurs prinzipiell richtig war - kriminelle Einzelfälle natürlich ausgenommen. Die Sozialdemokratie wiederum tendiert zur Ansicht, das damals entstandene Milieu habe systematisch eine nachhaltige Schädigung der Staatsfinanzen gebracht. Was sich Viktor Kozený auf den Bahamas denkt, das können wir nur erahnen. Vorerst zumindest. Denn die tschechische Staatsanwaltschaft hat einen Vertrag ausfindig gemacht, der Kozenýs Auslieferung bedeuten könnte: Die ehemalige britische Inselkolonie dürfte an ein Abkommen zwischen Tschechien und Großbritannien aus dem Jahr 1925 gebunden sein.