Kavan: Europäische Kommission soll sich mit Temelin befassen
Die Österreicher seien "hysterisch", die tschechischen Politiker wiederum "arrogant" und die Haltung der österreichischen Regierung sei "skandalös" - solche populistischen wie beleidigenden Äußerungen fliegen in den letzten Tagen immer öfter zwischen Prag und Wien wegen der bevorstehenden Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin durch den Raum, schrieb am Montag die französische Tageszeitung "Le Monde". Die Atmosphäre zwischen beiden Nachbarstaaten ist vergiftet - eine Situation, die das Europäische Parlament so nicht mehr hinnehmen will. Zu den neuesten Entwicklungen rund um den Zankapfel Temelin informiert Sie Lothar Martin.
Am Montag entsprach das Europäische Parlament in Strassburg dem Gesuch der europäischen Fraktion der Grünen, eine Resolution über die anhaltende Missstimmung zum südböhmischen Kernreaktor Temelin in die Tagungsordnung der laufenden Tagung aufzunehmen. Die Diskussion über den strittigen Atommeiler ist für Donnerstag Nachmittag vorgesehen.
Der tschechische Außenminister Jan Kavan begrüßte die Initiative. Dem Tschechischen Rundfunk gegenüber sagte er, dass sich auf europäischer Ebene eine objektivere Beurteilung zum "Fall Temelin" erwarten ließe, als dies bei der gegenwärtigen Haltung Österreichs der Fall sei. Zumal man in Österreich beabsichtige, die Frage Temelin mit dem angestrebten EU-Beitritt Tschechiens zu verknüpfen und man hierbei mit einer den Beitritt blockierenden Einstellung gedroht habe. Des weiteren äußerte Kavan: "Die Europäische Kommission wäre ein besseres Forum für die Diskussion darüber, ob die Sicherheit von Temelin - wie wir behaupten - den hohen, in der EU üblichen Standards entspricht oder nicht, als nur die eigenständige Beurteilung von Seiten Österreichs. Ich habe gegen eine Diskussion über die Sicherheit von Temelin auf EU-Ebene nichts einzuwenden und ich bin überzeugt davon, dass die Tschechische Republik aus dieser gestärkt hervorgehen wird." Nicht ganz so selbstbewusst und selbstgefällig wie Außenminister Kavan und Premier Milos Zeman äußerte sich der tschechische Präsident Vaclav Havel unmittelbar vor seinem Abflug in die USA zur Frage Temelin. Havel erklärte, dass die Tschechische Republik ein größeres Verständnis für die Ängste des Nachbarn zeigen sollte, da Österreich ein traditionell antiatomar orientiertes Land sei. Mit dieser Aussage stieß der Präsident in etwa in diesselbe Kerbe wie die Klubobmann der ÖVP im Niederösterreichischen Landtag, Klaus Schneeberger, der in einem Telefonat mit Radio Prag auf Kavans Vorschlag wie folgt reagierte: Schneeberger gab somit zu verstehen, dass es mit einer zum Streitfall Temelin auf europäischer Ebene geführten Diskussion nicht getan sein wird, die Beziehungskrise zwischen Österreich und Tschechien zu entkrampfen. Vielmehr sollte - so Schneeberger - von der tschechischer Seite ein Wink erfolgen, dass man bereit sei, das Problem freundschaftlich zu lösen. Und auf diesen Wink warte man bis heute vergeblich, entgegnete Schneeberger.