Unruhige Situation auf dem Balkan

Jiri Dienstbier

Am Mittwoch dieser Woche hat der UN-Sonderbeauftragte für das ehemalige Jugoslawien, Jiri Dienstbier, eine Pressekonferenz zum aktuellen Geschehen in dieser Region einberufen. Grund sind die unklaren Machtverhältnisse nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Jugoslawien und die daraus hervorgehenden Spannungen in der gesamten Balkanregion. Die Ausführungen des UN- Sonderbeauftragten fasste für Radio Prag unser freier Mitarbeiter Armin Sandmann zusammen:

Jiri Dienstbier
Die Hoffnung war groß, als man am 24. September in Jugoslawien zu den Wahlurnen schritt. Alle wichtigen politischen Vertreter Westeuropas erhofften sich politische Veränderungen und das endgültige Aus für das Regime des amtierenden jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Doch es kam alles anders, wie auch der UN-Sonderbeauftragte Jiri Dienstbier für das ehemalige Jugoslawien auf einer Pressekonferenz feststellen konnte. So kamen schon bei der Frage, wer nun wahlberechtigt sei Unklarheiten auf, den nach Dienstbiers Worten seien 100.000 Stimmen mehr abgegeben worden, als überhaupt Wahlberechtigte existieren. Diese seien Verlautbarungen der Wahlkommission in Belgrad zufolge von im Kosovo lebenden Serben abgegeben worden. Wie die Situation in Jugoslawiens Hauptstadt zur Zeit aussieht dazu Jiri Dienstbier:

"Die Situation in Belgrad erinnert etwas an die Begebenheiten im November 1989 in Prag. Die Menschen gehen auf die Strasse, sind ausgelassen und feiern ihren Sieg, aber auf der anderen Seite geht die Angst um, den niemand weiß, wie Milosevic auf diese Situation reagieren wird."

Unruhen auf den Straßen vieler serbischer Städte rufen auch die immer häufigeren Berichte über zurückgehaltene oder gar vernichtete Stimmzettel auf. Brachte dieser Fälschungsversuch nach Dienstbiers Meinung den machthabern in Belgrad den erhofften Erfolg:

"Die Fälschung der abgegebenen Stimmzettel genügte nicht, um den hohen Stimmanteil zu Gunsten der Opposition zu Nichte zu machen. Auch wenn man Wählermassen und Wahllokale erfand, die de facto überhaupt nicht existierten."

Wahlmanipulationen und Einschüchterungen durch Inhaftierung vieler Journalisten unabhängiger Zeitungen, Rundfunk - und Fernsehstationen brachten dem derzeitigen Regime die Treue der Demonstrierenden und Streikenden in Jugoslawien auch nicht wieder. Wie reagierten die Oppositionsführer auf den Vorschlag der Wahlkommission bei eventuellen Unklarheiten einen 2. Wahlgang auszuschreiben.

"Die Opposition lehnt einen 2. Wahlgang eindeutig ab, denn das auf der Straße demonstrierende Volk will die Wahrheit hören. Es ist vom Wahlsieg überzeugt und lehnt jegliche politischen Schachzüge, wie einen 2. Wahlgang ab."

Autor: Armin Sandmann
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