Reaktionen der tschechischen Politik zur Situation in Jugoslawien

Die Ereignisse in Belgrad, wo zigtausende Anhänger der serbischen Opposition das Parlamentsgebäude und das staatliche Fernsehen erstürmten, beherrschten am Donnerstag die Berichterstattungen in den tschechischen Medien. Die Reaktionen der tschechischen Politik auf die Geschehnisse in Serbien hat Lothar Martin zusammengefasst.

Mit Sorge auf eine mögliche Gewaltanwendung, aber auch mit der Hoffnung, dass es wie 1989 in der Tschechoslowakei zu keinem Blutvergießen kommt, verfolgt die tschechische Diplomatie die Entwicklung der Ereignisse in Belgrad. Die jugoslawische Opposition hat die gesamte internationale Gemeinschaft aufgefordert, sich zurück zu halten und in die innerserbische Auseinandersetzung nicht einzugreifen. Diese Entwicklung begrüßte auch der Sprecher des tschechischen Außenministeriums, Ales Pospisil: "Weder die Polizei noch die Armee haben Gewalt gegen ihre Bürger eingesetzt. Das erachte ich als einen Schlüsselfaktor, was anderseits aber noch nicht bedeutet, dass über das Schicksal und die Zukunft der Vereinigten Republik Jugoslawien die definitive Entscheidung schon gefallen ist. Deshalb müssen wir weiterhin die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass dieser bereits begonnene Prozess der demokratischen Veränderungen ohne Gewalt vonstatten geht."

Dass der revolutionäre Prozess in Rest-Jugoslawien ermöglicht wurde und demokratischen Veränderungen auch eine Chance haben - diese Hoffnung verbindet sich vor allem mit einem Namen - dem des Oppositionsführers und von der Mehrheit der Jugoslawen auch als Wahlsieger angesehenen Vojislav Kostunica. Warum gerade er prädesniert sei, die oppositionellen Kräfte zu einen, dazu sagte der tschechische UN-Menschenrechtsbeauftragte für Jugoslawien, Jiri Dienstbier: "Die Opposition wird sich ihrer Sache bewusst, und nun, nachdem sie lange Jahre zerstritten bzw. nicht in der Lage war, sich zu vereinigen, hat sie sich einen Kandidaten ausgewählt, der in der Tat für alle eine annehmbare Lösung darstellt als ein Mensch, der sich in verfassungsrechtlichen Dingen auskennt, als jemand, der nie mit Korruption in Berührung gekommen ist, ganz einfach als einer, der aus der Vergangenheit unbefleckt hervorgegangen ist."

Und Kostunica lässt auch keine unnötige Zeit verstreichen, um die revolutionären Umwälzungen zum Erfolg zu führen. Für Freitag hatte er bereits eine Sitzung des jugoslawischen Parlaments einberufen. Die Regierungsmacht in Serbien soll seinen Vorstellungen zufolge ein sog. Krisenstab für Jugoslawien, den die Opposition zusammen stellte, übernehmen. Das Programm der parlamentarischen Tagung erläuerte die tschechische Botschafterin in Belgrad, Judita Stouracova, gegenüber dem Tschechischen Rundfunk wie folgt:

"Auf dieser Tagung sollten schon alle wichtigen Regierungs- und staatlichen Strukturen errichtet werden, die dann schon die legale Tätigkeit des Staates ermöglichen sollten, so wie er zu funktionieren hat."

Dass die Entwicklung in Jugoslawien nicht mehr aufzuhalten und daher auch nicht mehr rückgängig zu machen ist, darüber schreibt die tschechische Tagespresse in ihren Freitagausgaben. So schreibt die linksorientierte "Pravo" - wir zitieren: "Egal wie sich die Situation entwickeln wird, eines steht fest: Milosevic machte den kardinalen Fehler, dass er nicht von sich aus zurückgetreten ist. Mit der Anwendung von Gewalt gegen das eigene Volk hat er alles verloren und er wird sich selbst zu Hause nicht mehr sicher fühlen."