10 Jahre Abzug der Sowjetarmee
Nach dem Kalender endet der Frühling am 21. Juni, an dem Tag nämlich, an dem der Sommer beginnt. In der tschechoslowakischen Geschichte aber folgte auf den Frühling des Jahres 1968 eine mehr als zwei Jahrzehnte dauernde Kälteperiode. Olaf Barth berichtet.
Es taute zwar schnell, dennoch, für viele Tschechen und Slowaken begann der politische Sommer erst am 21. Juni vor zehn Jahren. An jenem Sommeranfangstag des Jahres 1991 nämlich, an dem nach dreiundzwanzigjähriger widerrechtlicher Besatzungszeit auch der letzte Sowjetsoldat die nun freie Tschechoslowakei verließ.
Nach der samtenen Revolution war der Abzug der Sowjetarmee das primäre Anliegen der tschechoslowakischen Öffentlichkeit. Bereits im Februar 1990 kam es zu Gesprächen zwischen dem tschechoslowakischen und dem sowjetischen Außenminister. Die Unterzeichnung der Vereinbarung über den Abzug der Truppen vom 26. Februar 1990 gilt als erster außenpolitischer Erfolg der neuen Prager Regierung.
Doch der Abzug, der im Frühjahr 1990 begann und eben am 21. Juni 1991 endete, brachte für die betroffenen Gemeinden auch einige Schwierigkeiten, wie der Bürgermeister des ehemaligen Garnisonsstädtchens Vysoke Myto, Bohuslav Fencl, zu berichten weiß:
"Zu Beginn waren das natürlich vor allem die ökologischen Rückstände. Wir mussten all diese schwarz angelegten Deponien finden, sie kennzeichnen und kartographieren und Geld für ihre Liquidierung auftreiben. Wir haben also ein Projekt zur Dekontaminierung der Gelände auf die Beine gestellt und dabei auch mit den staatlichen Organen gut zusammengearbeitet. So ist es uns innerhalb kurzer Zeit gelungen, sämtliche Abfälle zu beseitigen und die Dekontaminierung der Areale durchzuführen."
Dazu befragt, ob die Stadt durch den Abzug der Truppen nicht auch einige Nachteile, z.B. ökonomischer Art, gehabt hätte, erklärte der Bürgermeister:
"Im Ausland fragt man mich oft: 'Wenn bei euch mehrere Tausend Soldaten abgezogen sind, dann muss das doch negative Auswirkungen auf eure Wirtschaft gehabt haben?' Aber diese Leute verstehen nicht, welche Verhältnisse hier vor 15 oder 20 Jahren herrschten. Dass man als normaler Bürger gar nicht in die Geschäfte kam, weil die Armeeangehörigen schon seit dem frühen Morgen Schlange standen und Vorzug erhielten. Es ist aber heute schwer, einem Auswärtigen diese Situation verständlich zu machen."