Vor 25 Jahren: Letzte sowjetische Soldaten verlassen die Tschechoslowakei

Foto: ČT24

Ein Vierteljahrhundert ist es her, dass der letzte sowjetische Militärkonvoi die Tschechoslowakei verlassen hat. Am 21. Juni 1991 war der Abzug der Truppen vollbracht, nach fast 23 Jahren Besatzung infolge des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Truppen.

Im August 1968 hatten Truppen des Warschauer Paktes die Tschechoslowakei besetzt  (Foto: ČT24)
Am 21. August 1968 hatten Truppen des Warschauer Paktes die Tschechoslowakei besetzt und damit die Reformbewegung des Prager Frühlings niedergeschlagen. Über eine halbe Million Soldaten fielen damals ins Land ein – das Militär aus der Sowjetunion blieb letztlich dauerhaft. Erst die Samtene Revolution und damit der Sturz des kommunistischen Regimes in Prag machte es möglich, die verhassten Besatzer wieder aus dem Land zu befördern.

Der Abzug der Sowjets war eines der wichtigsten Ziele des Bürgerforums vom November 1989 und kurz darauf auch der ersten demokratischen Regierung nach der Wende. Eine der treibenden Kräfte war der Rockmusiker Michal Kocáb:

Michael Kocáb  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Der gesamte Prozess der Verhandlungen mit den Sowjets gipfelte am 26. Februar 1990 mit den Unterschriften unter einen gemeinsamen Vertrag über den Abzug der Truppen. In Moskau unterzeichneten damals Eduard Schewardnadse und unser Außenminister Jiří Dienstbier. Begonnen hatte alles aber bereits dreieinhalb Monate vorher, was nur wenige wissen. Schon am 19. November 1989 haben wir von der Initiative Most den damaligen Ministerpräsidenten Adamec besucht und Verhandlungen über einen Truppenabzug gefordert.“

Zwar reagierte Adamec nicht darauf, aber Kocáb und seine Mitstreiter schrieben einige Tage später einen Brief direkt an Michail Gorbatschow, den höchsten sowjetischen Staatsvertreter. Und Gorbatschow stimmte tatsächlich Gesprächen zu, die sehr schnell zu einem erfolgreichen Ende gebracht wurden.

Foto: ČT24
Insgesamt 73.500 sowjetische Militärs und 40.000 Angehörige waren damals in der Tschechoslowakei stationiert. Sie hatten teilweise kein Zuhause in ihrer eigentlichen Heimat. Deswegen kam es zu einem Kompromiss: Bis 30. Juni 1990 verließen zunächst nur die Kampfeinheiten die Tschechoslowakei, innerhalb der folgenden zwölf Monate dann der Rest der Truppe.

Die Kommandozentrale der Sowjets hierzulande war Milovice im mittelböhmischen Elbetal. Der Historiker Aleš Kubeš stammt aus der Stadt und erinnert sich an den Abzug der Sowjets:

Foto: Tschechisches Fernsehen
„Sie sind damals nur widerwillig weggegangen. Auch wenn die Tschechoslowakei für sie nicht das gelobte Land war, bot es etwas, das sie zuhause nicht hatten. Die letzten Tage des Abzugs erinnerten daher an eine schnelle Flucht von der Front. Sie warfen alles, was sie hatten, einfach so in die Eisenbahnwaggons. Teils haben sie wohl nicht mal geahnt, dass sie weggehen mussten. In einer Küche habe ich noch einen Kessel mit Essen für die Ausgabe an die Soldaten gefunden.“

In der Tschechoslowakei weinte den Besatzern aber niemand eine Träne nach, obwohl sich um den Abzug eine kleine Geschichte zum Schmunzeln rankt. Michal Kocáb:

Foto: Archiv des Militärhistorischen Instituts in Prag
„Von irgendwoher kam die Forderung auf, dass wir uns von den sowjetischen Soldaten verabschieden und ihnen Geschenktüten mit Orangen überreichen sollten. Wir haben dann in der parlamentarischen Kommission beraten, ob wir ihnen für die 20 Jahre Okkupation auch noch Orangen schenken sollen. Ich war damals dagegen.“

Auch wenn die sowjetischen Soldaten nun seit 25 Jahren weg sind, haben sie ein Erbe hinterlassen. Das ist zum einen die Russenfeindlichkeit eines Teils der tschechischen Bevölkerung, und zum anderen sind es die ökologische Altlasten. Denn dort, wo einst die Militärbasen waren, ist bis heute der Boden mit Öl und Chemikalien verseucht.

Autor: Till Janzer
schlüsselwort:
abspielen