Milovice 10 Jahre nach dem Abzug der sowjetischen Truppen
Machen wir jetzt einen Sprung in Raum und Zeit. Wir überspringen etwa 18 Jahrhunderte und 150 Kilometer, verlassen das Lager der römischen Legionen und treffen im mittelböhmischen Ort Milovice ein, der in der Vergangenheit als Quartier von gleich vier verschiedenen Armeen diente. Durch die Touristensprechstunde führt Sie Markéta Maurová.
Vor zehn Jahren, im Jahre 1991 hat der letzte sowjetische Soldat die Tschechoslowakei verlassen. Beinahe als Synonym für die Sowjetarmee galt in der Tschechoslowakei dereinst das mittelböhmische Städtchen Milovice - Milowitz, das das Hauptquartier der Truppen der Mittel-Gruppe der sowjetischen Okkupationsarmee war. Darüber, wie es in Milowitz heute aussieht, aber auch darüber, dass die sowjetische Armee nicht das einzige und erste Heer in dieser Stadt war, habe ich mit der dortigen Bürgermeisterin, Stanislava Matejkova, gesprochen:
"Der Militärraum entstand im Jahre 1904. Damals wurden Grundstücke aufgekauft und die Gemeinde Mladá ausgesiedelt, die dem Truppenübungsplatz ihren Namen gab. Es handelte sich um eine kleine Gemeinde mitten in den Wäldern. In diesem Gelände entstand auch ein Friedhof, auf dem Gefallene aus dem ersten Weltkrieg begraben wurden. In Mlada befand sich nämlich ein großes Gefangenenlager, in dem etwa 5 Tausend Italiener bestattet wurden. Seit dem Abzug der sowjetischen Armee sorgt die italienische Botschaft für diesen Friedhof, er wird inoffiziell als italienischer Friedhof bezeichnet. Man kann dort auch einen Gedenksaal besuchen, in dem Photos, Uniformen und andere Sachen ausgestellt sind." Zur Gründung eines Truppenübungsplatzes wurde vor fast 100 Jahren ein kleiner Ort im Wald in der Landschaftsebene des Elbe-Tals etwa 40 km von Prag entfernt ausgewählt. Die erste Erwähnung des Dorfes Milowitz stammt aus dem Jahre 1393, als dort zwei Adelsgeschlechte ansässig waren und eine Festung sowie zwei Höfe bewohnten. Bis 1503 gehörte Milowitz zur Herrschaft Lysá, in jenem Jahr wurde es an Friedrich von Donín verkauft und der Herrschaft von Benatky angeschlossen. Eine rasche Entwicklung erlebte Milowitz erst im 19. Jahrhundert, als eine Spiritusfabrik im Ort errichtet wurde und vor allem zu Jahrhundertwende, als dort ein Truppenübungslager entstand. Dies brachte eine Aussiedlung des Pfarrdorfes Mladá nördlich von Milowitz mit sich, die dortige Kirche musste niedergerissen werden. Während des 1. Weltkriegs wurden dort zwei Lager für russische und italienische Gefangene errichtet. Die Russen beteiligten sich auch an der Ausschmückung einer neuen Kirche, die in Milowitz um 1907 gebaut wurde und starke orthodoxe Züge trägt.Über die Geschichte des Militärraumes habe ich mich auch mit Herrn Ales Kubes unterhalten, einem Bewohner von Milowitz, der sich mit der Erforschung der Militärgeschichte seiner Gemeinde befasst. Die Rede kam aber auch auf das Leben in Milowitz und ich habe mit Überraschung erfahren, dass das, was die ganze Republik als Übel empfand, nämlich die Anwesenheit der Okkupanten, von den dortigen Bewohnern eigentlich nicht als so schlecht wahrgenommen wurde. Fangen wir aber am Anfang der militärischen Geschichte von Milowitz an.
Am 21. Januar 1991 verließ die sowjetische Armee Milowitz und im selben Jahr wurde der Ort zur Stadt erhoben. In der ganzen Tschechoslowakei wurde der Abzug der Truppen mit Begeisterung gefeiert. Wie es direkt in Milowitz aus- sah, erzählt Stanislava Matejkova.
"Milowitz war durch den Aufenthalt der Armee immer in zwei Teile geteilt: In den alten, ursprünglichen Teil und dann in den Militärraum Mlada. Dieser blieb nach dem Abzug verlassen und wurde von der Tschechischen Armee bewacht. Ich kann mich an die damalige Atmosphäre in Milowitz kaum erinnern. Ich würde nicht sagen, dass jemand gewinkt und geklatscht hätte. Aber natürlich haben wir dass mit Dank angenommen. Es vereinfachte den Verkehr auf den Straßen, es flogen keine Flugzeuge mehr dicht über die Schornsteine hinweg - also, ja es war eine Erleichterung und wir haben das sicher alle dankend aufgenommen."
Nach der Räumung blieb Mlada einige Jahre verlassen. Es stand dort eine früher geheimgehaltene Siedlung in der Größe von 2,5 x 2 Quadratkilometer, die bis Anfang der 90. Jahre auf keiner Landkarte gezeichnet war. 1996 erhielt die Stadt Subventionen für die Renovierung der Plattenbauten, die dort von russischen Soldaten errichtet und bewohnt worden waren. Bis Ende 1997 waren alle renovierten Wohnungen neu besiedelt. Während Milowitz 1991 1380 Einwohner hatte, leben dort derzeit fast 5000 Menschen, dabei handelt es sich vor allem um junge Familien. Im Zusammenhang mit der Stadt und deren Umgebung werden ab und zu Befürchtungen vor verschiedenen Gefahren geäußert, die wohl auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz drohen könnten. Es gab dort außer den Kasernen auch mehrere Schießplätze, ein Munitionslager, einen militärischen Flughafen und weitere Armeeeinrichtungen: "Im letzten Jahr wurde hier eine pyrotechnische Untersuchung abgeschlossen. Es handelte sich um die Sanierung von nichtexplodierten Funden (übrigens stammten sie eher aus dem Ersten Weltkrieg als aus der Zeit der sowjetischen Okkupation). Der ganze ehemalige Truppenübungsplatz wurde durch einen Regierungsbeschluss im Jahre 1995 aufgehoben und ist seitdem frei zugänglich. Für Fußgänger ist es dort meiner Meinung nach fast hundertprozentig sicher. Bei den Bauarbeiten ist eine pyrotechnische Aufsicht oder Untersuchung erforderlich, aber während des Waldspaziergang droht den Leuten keine Gefahr."