Im Jahre 2000/2001 studiert eine Rekordzahl slowakischer Studenten an tschechischen Hochschulen

Von Martina Schneibergova.

Wie immer in der letzten Ausgabe dieser Sendereihe im Monat befassen wir uns in der Zusammenarbeit mit der deutschsprachigen Redaktion von Radio Slowakei International mit einem Thema aus dem Bereich der tschechisch-slowakischen Beziehungen. Diesmal wollten wir mehr über slowakische Studenten in Tschechien wissen. Das Wort hat zuerst die leitende Redakteurin unserer Partnerreaktion in Bratislava, Lydia Korecka:

Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus - Also lasst uns fröhlich sein, denn wir sind noch jung...mit diesem alten lateinischen Studentenlied, das bei der Verabschiedung von der Schule gesungen wird, endet das sorglose Studentenleben an den Gymnasien und beginnt die Vorbereitung auf das Abitur und auf die Aufnahmeprüfungen auf die Hochschulen. Besonders die Aufnahmeprüfungen machen den Studenten zu schaffen, sie sind sehr anspruchsvoll und die Zahl derjenigen die aufgenommen werden können, beschränkt.

Die slowakischen Studenten nutzen oft die Möglichkeit im benachbarten Tschechien zu studieren. Während es nach der Teilung der Republik für die slowakischen Studenten Limite gab und man für das Studium bezahlte, ist es heute anders. Im Jahre 1999 wurde das Protokoll zwischen den Schulministerien der Slowakischen und der Tschechischen Republik über das Hochschulstudium unterzeichnet und die Limite, die die Zahl der slowakischen Studenten in Tschechien bestimmten, aufgehoben. Das gemeinsame Protokoll besagt, dass die Studenten, die vorher die Kosten für ihr Studium im Nachbarland selbst zu tragen hatten, umsonst studieren können. Diese Möglichkeit nützen immer mehr Studenten, denn das Schulgeld z. B. an der Karlsuniversität zu Prag hat die Summe von 3 bis 12 Tausend US-Dollar betragen. Ohne Einschränkungen können auch die tschechischen Studenten an den slowakischen Hochschulen studieren.

Laut slowakischem Schulminister Milan Ftacnik sind die Tschechen am meisten am Studium an der Comenius Universität zu Bratislava interessiert - u. z. an der Pharmazeutischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät, gross ist das Interesse auch für das Studium an der Hochschule der musischen Künste, sowie an der Hochschule für bildende Kunst zu Bratislava. Die Universität im nordslowakischen Zilina hat auch guten Ruf bei tschechischen Studenten, wo sie vor allem die Fakultät für Verkehr und Telekommunikation bevorzugen. Im mittelslowakischen Zvolen ist die Technische Hochschule, besonders ihre Fakultät für Holzverarbeitung wohl besucht.

Die slowakischen Studenten interessieren sich besonders für das Studium an der Karlsuniversität zu Prag, sowie an der Masaryk Universität zu Brünn. Der 20-jährige Jurastudent aus der Universität im slowakischen Trnava Jan Lipovsky, hat voriges Jahr Aufnahmeprüfungen auch in Tschechien abgelegt.

Die Sprache beim Studium im anderen Land ist kein Problem. Es genügt ja diese bloß zu verstehen. Denn sowohl bei der Aufnahmeprüfung, als auch beim Studium dürfen die Studenten ihre Muttersprache benutzen, solange die Beherrschung der Sprache des Nachbarlandes keine grundlegende Bedingung für die Aufnahme ist. Also: Vivat academia, vivant professores...- Hoch lebe die Universität, hoch leben die Professoren...

Aus Bratislava kommen wir jetzt wieder nach Prag zurück:

"Die Bürger der Slowakischen Republik können an tschechischen öffentlichen Schulen unter den selben Bedingungen wie die Bürger der Tschechischen Republik, und zwar aufgrund des entsprechenden gegenseitigen Übereinkommens studieren. Es gibt auch einen Vertrag über die gegenseitige Äquivalenz der Studiendokumente..."

So heißt es in der Sprache der Beamten. Dagmar Nemeckova vom tschechischen Schulministerium fügte gegenüber Radio Prag hinzu:

"Am meisten interessieren sich slowakische Studenten für Medizin, Ökologie oder für das Studium an den Kunstakademien."

In diesem akademischen Jahr studiert an den tschechischen Hochschulen offensichtlich eine Rekordzahl von 3542 slowakischen Studentinnen und Studenten. Mehr als 2000 davon waren allein im ersten Semester an den Hochschulen eingetragen, was sogar dreimal so viel ist wie in den Zeiten der Tschechoslowakischen Föderation. Ondrej Dostal, Vorsitzender des in Tschechien wirkenden slowakischen Studentenvereins "Detvan" meint, dass diese Zahl jedoch nicht mehr steigen wird. Die Zahl der Studenten ist seines Erachtens deswegen so angestiegen, weil in der Tschechien Republik im vergangenen Jahr ein ganzer Abiturientenjahrgang gefehlt hat.

An der Karlsuniversität in Prag studieren derzeit 630 Slowakinnen und Slowaken, an der Masaryk-Universität in Brno 450 und an der Wirtschaftlichen Universität in Prag 300. Die übrigen slowakischen Studentinnen und Studenten studieren an weiteren tschechischen Hochschulen.

Im Vergleich mit dem hohen Interesse slowakischer Abiturienten für das Studium in Tschechien ist die Zahl der Tschechinnen und Tschechen, die die Möglichkeit nutzen, den Hochschultitel in der Slowakei zu erwerben, recht bescheiden. In diesem Jahr sind es 264. Zu dieser Disproportion bemerkte Dagmar Nemeckova vom Schulministerium:

"Für uns als Ressort stellt dies kein Problem dar..."

Die slowakischen Studenten bewerben sich um die Aufnahme zum Studium in Tschechien unter den selben Bedingungen wie die Tschechen und erfolgreich sind nur die besten, die außerdem das sprachliche Handicap sowie bestimmte Unterschiede in den Vorbereitungen auf das Hochschulstudium zu überwinden wissen. In Wirklichkeit kann man also von einer Art "Zustrom von Intellektuellen aus der Slowakei" sprechen. Mit dieser beachtenswerten Erscheinung befasste sich Ende der vergangenen Woche die tschechische Tageszeitung Lidove noviny. In ihrem Artikel wird in diesem Zusammenhang hinzugefügt, dass ein Teil der slowakischen Studentinnen und Studenten in ihre Heimat nicht mehr zurückkehrt und in Tschechien bleibt. Deren Zahl werde - so die Zeitung - auf 20% geschätzt. Die Mitarbeiterin des Schulministeriums sprach gegenüber Radio Prag jedoch von viel höheren Zahlen.

Auch wenn die Beziehungen zwischen den tschechischen und slowakischen Studenten allgemein sehr gut sind, sei - so die Lidove noviny - aber in der letzten Zeit doch ein Problem aufgetaucht, das durch mangelnde Kapazitäten der Studentenheime der Karlsuniversität verursacht worden sei. An der Mehrheit der Fakultäten können nicht alle, die es brauchen würden, in einem Studentenheim untergebracht werden. Der Anspruch auf Unterkunft hängt davon ab, wie lange die Reise des Studenten von seinem ständigen Wohnort zur Uni dauert. Diejenigen, die in der Slowakei wohnen, haben damit selbstverständlich viel größere Chancen auf die Unterkunft als diejenigen, die irgendwo in Nordböhmen oder z. B. in Budweis wohnen. Von den Studenten der ersten medizinischen Fakultät wurde in diesem Zusammenhang ein Aufruf initiiert - zur Erweiterung der Kapazitäten der Studentenheime oder zur Änderung der Regelungen für die Unterbringung ausländischer Studenten.

Wie dieses Problem gelöst wird, dies wäre ein Thema für einen nächsten Bericht aus Prag.