Die Tschechische Republik war in den letzten Wochen und Monaten immer wieder, gerade von ihren Nachbarstaaten Deutschland und Österreich unter Beschuss geraten, wenn die Diskussion um das südböhmische Atomkraftwerk Temelín oder aber zur Vergangenheitsbewältigung hinsichtlich des Zusammenlebens mit den Sudetendeutschen entfacht wurde. Deshalb ist man hierzulande erfreut darüber, wenn einem hin und wieder ein anderes EU-Land in diesen Fragen hilfreich zur Seite springt. So wie das Königreich Großbritannien, dessen Premier Tony Blair am Montag zu einem Kurzbesuch in Prag weilte. Lothar Martin hat die wesentlichsten Momente der Stippvisite zusammengefasst.
Am Montag traf der britische Premier in Prag bis auf Präsident Václav Havel, der gegenwärtig zu einem Staatsbesuch in Malta weilt, nacheinander mit allen Spitzenpolitikern der Tschechischen Republik zusammen. Bei seinen Gesprächen mit Ministerpräsident Milos Zeman, Abgeordnetenchef Václav Klaus und Senatschef Petr Pithart erörterte er jedes Mal auch jenes Thema, das hierzulande derzeit am brennendsten diskutiert wird: die so genannten Benes-Dekrete. Gegenüber seinen gastgebenden Gesprächspartnern erklärte Blair, dass diese Dekrete kein Hindernis auf dem Weg Tschechiens in die Europäische Union darstellen. Zudem bekannte sich Blair zu der 1996 von der britischen Regierung geäußerten Haltung, nach der die nach dem Zweiten Weltkrieg verfassten Nachkriegsverordnungen unantastbar und die Ergebnisse der Potsdamer Konferenz unstrittig seien. "Die britische Position hat sich nicht geändert. Alle Fragen, die die Geschichte betreffen, sind sehr sensibel. Ich vertraue jedoch darauf, dass sich die Politik der Europäischen Union hauptsächlich mit der Zukunft befassen wird. Der Grund, warum wir uns zur Position der britischen Regierung aus dem Jahr 1996 bekennen, ist der, dass wir weiterhin an deren Berechtigung glauben. Und ich denke nicht, dass diese Frage innerhalb der EU irgendeine Diskussion im Zusammenhang mit dem Beitritt der Tschechischen Republik entfachen könnte", sagte Blair.
Tony Blair und Milos Zeman, photo CTK
Soweit Tony Blair zur Frage der Benes-Dekrete. Auch sein tschechischer Amtskollege Zeman appellierte, sich im Rahmen der EU-Erweiterung an der Zukunft zu orientieren. "Nur impotente Politiker beschäftigen sich mit der nicht zu ändernden Vergangenheit", unterstrich der Sozialdemokrat in seiner gewohnt sarkastischen Art. In diesem Zusammenhang hatte am gleichen Tag auch der deutsche Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Günter Pleuger, bei Gesprächen in Prag betont, dass Deutschland die Beziehungen mit Tschechien nicht mit Fragen aus der Vergangenheit belasten wolle.
Tony Blair hatte jedoch auch zu anderen Themen noch einiges zu sagen. So dankte er der Tschechischen Republik für die Beteiligung tschechischer Ärzte an der internationalen Schutztruppe in Afghanistan. Gegenüber Senatschef Pithart äußerte Blair zudem, dass "Europa auf eigenen Füßen stehen müsse", auch was seine militärische Bewaffnung und Ausrüstung anbelangt. In diesem Zusammenhang unterstützte Blair den vom Zeman-Kabinett ins Auge gefassten Kauf von Überschalljagdflugzeugen des Typs Gripen vom britisch-schwedischen Konsortium BAe Systems-Saab.