EU-Beschluss zu den Dekreten
Das Europaparlament erwartet von Tschechien bis zum EU-Beitritt die Anpassung nationaler Gesetze an das EU-Recht. Der Außenpolitische Ausschuss des EU-Parlaments fasste am Mittwoch in Brüssel mit Blick auf die Benes-Dekrete einen entsprechenden Beschluss. Dagmar Keberlova berichtet.
Der Ausschussvorsitzende, Elmar Brok, sagte, im einstimmig verabschiedeten Kompromissantrag heiße es: Für den Fall, dass die tschechische Rechtsordnung "zum Beispiel auf Grund dieser Dekrete" immer noch "diskriminierende Formulierungen" enthalte, die dem EU-weit geltenden Recht widersprächen, müssten diese spätestens bis zum Beitritt Tschechiens zur EU beseitigt werden. Der tschechische Premier Milos Zeman bezeichnete diese Formulierung als annehmbar:
"Wenn wir die konkrete Formulierung berücksichtigen, die besagt, dass wir diskriminierende Punkte beseitigen sollen, falls es diese gibt, dann ist die tschechische Regierung überzeugt, dass es diskriminierende Punkte nicht gibt. Dies hat eine Rechtsanalyse bereits bewiesen und daher betrachte ich diese Formulierung als nicht schädlich für die Interessen der Tschechischen Republik."
Der tschechische EU-Botschafter, Libor Secka, sieht in diesem Beschluss eine bedeutende Entwicklung in der Debatte:
"Im Europäischen Parlament kam es zu einer deutlichen Entwicklung in den Meinungen. Das Thema wurde tatsächlich zu einer Sache, die die Parlamentarier interessiert und das spiegelte sich in dem Entwurf der Kompromisslösung wider, der paradoxerweise noch besser ausfällt als die letzte Formulierung, die den Benes-Dekreten im vergangenen Herbst gewidmet wurde."
Einer der größten Gegner der Dekrete, der Abgeordnete und Chef der Sudetendeutschen Landsmannschaften, Bernd Posselt, sagte zu der Debatte im Europaparlament für den Tschechischen Rundfunk, dass die Diskussion über die Dekrete in der EU an Heftigkeit immer mehr zugenommen habe. Die Frage der Benes-Dekrete sei Posselt zufolge im Zusammenhang mit den Ereignissen im Kosovo wieder aufgetaucht. Gerade damals hätte man begonnen, über die Vertreibungen und ethnischen Säuberungen zu sprechen. Diese Auffassung lehnt der Historiker Karel Richter ab:
"Es stimmt nicht, dass die Benes-Dekrete im Zusammenhang mit den ethnischen Säuberungen auf dem Balkan die Aufmerksamkeit Europas auf sich lenken. So einen Zusammenhang gibt es nicht. Europa weiß nicht, was die Benes-Dekrete sind und die Europaparlaments-Abgeordneten wissen es auch nicht genau. Es ist eine sudetendeutsche Propaganda-Angelegenheit. Die Sudetendeutschen bestreiten dabei, dass diese Dekrete an die Kriegs- und Nachkriegszeit gebunden und rechtlich längst erloschen sind. Die Bemühungen um ihre Aufhebung sind Bemühungen um die Revision dieser Ergebnisse, die heute einen eigentumsrechtliches Chaos in den Grenzregionen auslösen und den tschechischen Staat lähmen würde, was allerdings auch andere Forderungen der Landsmannschaft zum Ziel haben."
Der Bericht des Europäischen Parlaments betont weiterhin, dass man die Enteignung und Vertreibung der Sudetendeutschen nicht als Verletzung des europäischen Rechts betrachten kann, weil es dazu vor der Gründung der Europäischen Gemeinschaft gekommen sei und auch deshalb, weil die EU-Legislative weder bürger- noch eigentumsrechtliche Fragen regelt. Ausschussvorsitzender Brok betonte in Brüssel, dass sich die EU-Parlamentarier eine endgültige Stellungnahme vorbehielten, bis ein Rechtsgutachten Klarheit schaffe. Dieses sollte bis Mitte Juli abgegeben werden.