Reaktionen auf den Amoklauf von Erfurt
Seien Sie nun, verehrte Hörerinnen und Hörer, recht herzlich willkommen zum regelmäßigen Medienspiegel von Radio Prag. Am Mikrophon begrüßen Sie Robert Schuster und Silja Schultheis.
In der heutigen Sendung beschäftigen wir uns zum einen mit Reaktionen der hiesigen Print-Medien auf den Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium. Zum anderen überlegen wir gemeinsam mit dem Publizisten Petr Uhl, warum sich die Einstellung der Tschechen zum 1. Mai von der ihrer Mitbürger in anderen europäischen Staaten unterscheidet.
Zu unserem 1. Thema. Der Amoklauf im Erfurter Gutenberg-Gymnasium am vergangenen Freitag hat auch hierzulande seinen Wiederhall in den Medien gefunden. Was man gegen Ereignisse dieser Art machen kann, fragt Jan Jandourek in der Montagsausgabe der auflagenstärksten Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" und konstatiert:
"Die Antwort mag vielleicht zynisch klingen, aber man kann im großen und ganzen nichts machen. In unserer modernen Zeit ertragen wir es aber nicht, dass uns etwas derartig aus den Händen gleiten kann. Zu sehr glauben wir, dass wir alle gesellschaftlichen und psychologischen Gesetzmäßigkeiten kennen, dass uns jeder weiße Fleck auf der Karte bestürzt macht. Wenn wir dann lesen, dass der Erfurter Amokläufer zu den Konsumenten von brutalen Computerspielen zählte oder ein Fan aggressiver heavymetall-Musik war, neigen wir zum Aufatmen. Ja, wenn wir Computerspiele und aggressive Musik begrenzen, kann sich Erfurt nicht wiederholen. Und das ist genau der Fehler."
Auch wenn man vollständig den Waffengebrauch für Zivilisten verbieten würde, so Jandourek weiter, könnte man nicht verhindern, dass jemand beispielsweise mit einem Kanister Benzin ein Attentat begehe. Der Kommentator kommt zu dem Schluss:
"Ein Attentäter, ob kaltblütig, ideologisch motiviert oder einfach verrückt ist im Grunde immer im Vorteil. Für den modernen Verstand ist es schwer zu akzeptieren, dass es Tragödien gibt, die man nicht verhindern kann. Um so weniger entschuldigt es uns, dass wir noch nicht einmal diejenigen verhindern, die sich verhindern ließen."
Soweit der Auszug aus der "Mlada fronta Dnes" vom 29. April.
Der Publizist und Schriftsteller Ondrej Neff warnt in der Montagsausgabe der Tageszeitung "Lidove noviny" davor, im Falle des Erfurter Amoklaufs zu den Lösungen leichteren Kalibers zu greifen und sich auf eine bessere technische Ausrüstung der Schulen zu konzentrieren, um derartige Anschläge künftig zu verhindern. Stattdessen, so schreibt Neff weiter:
"Könnte die Tragödie von Erfurt auch ein Aufruf zu einem Wandel im Denken sein. Hören wir auf, den Täter als "Opfer des Systems" zu betrachten und das Opfer als Menschen der "zur schlechten Zeit am schlechten Ort" war. Die Gewalt muss ein Gegenstand der Verabscheuung und des Hasses sein, sowohl privat als auch öffentlich. Wenn wir das lernen würden, würden wir wohl aufhören, uns brutale Filme anzuschauen und in Hollywood würde man aufhören, solche zu drehen."
Nach Ansicht des Kommentators Jiri Sladek hat die Tat des 19jährigen Robert Steinhäuser eine ganze Reihe schwerwiegender Fragen aufgeworfen. Sladek kommt in der Montagsausgabe von "Hospodarske noviny" zu dem Schluss, dass eine strengere Kontrolle von Waffenbesitz zwar sinnvoll ist, es dabei aber nicht bleiben darf. Zitat:
"In den Vereinigten Staaten, wo seit längerer Zeit die Psychologie von Amokläufern in Waffenbesitz beobachtet wird, sagen Fachleute, dass sich kaum ein Täter völlig unerwartet entscheidet. Es gibt immer sichtbare Zeichen dafür, dass er eine unüberlegte Tat vorbereitet. Und so ist dies zweifelsohne ein Aufruf zu größerer Achtsamkeit der eigenen Umgebung gegenüber. Und zwar nicht nur für die Lehrer."
Soweit ein Auszug aus "Hospodarske noviny" vom 29. April und soviel zu diesem Thema.