„Unsere Stimme“: Kampagne greift nichtmuttersprachlichen Schülern in Tschechien unter die Arme

Náš hlas

In Tschechien gibt es immer mehr Schüler, die eine andere Muttersprache als Tschechisch haben. Eine Kampagne will nun auf die Benachteiligung dieser Kinder aufmerksam machen.

„Das ist unsere Stimme. Hören Sie uns?“ Diese Frage stellen Jugendliche, die aus dem Ausland stammen und auf tschechische Schulen gehen – und zwar in Videos für eine neue Kampagne. Unter dem Titel „Unsere Stimme“ wurde die Kampagne in diesen Tagen von der NGO Meta gestartet. Das Ziel ist, auf die Sprachbarriere aufmerksam zu machen und Schülern mit einer anderen Muttersprache als Tschechisch unter die Arme zu greifen.

In einem der Videos tritt Jehor auf. Er stammt aus der Ukraine und besucht die zweite Klasse einer mittleren Industrieschule, die auf das Bauwesen spezialisiert ist. Tschechische mittlere Schulen entsprechen den weiterführenden Schulen in Deutschland. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schildert Jehor seine Erfahrungen mit der Verständigung in der Klasse:

„Ich hatte viele Probleme mit der tschechischen Sprache. Vor anderthalb Jahren bin ich aus der Ukraine hierhergekommen und habe begonnen, auf die mittlere Schule zu gehen. Am schwierigsten war es, meinen Klassenlehrer zu verstehen. Denn er spricht ein sehr schnelles Tschechisch. Nicht einmal meine muttersprachlichen Mitschüler haben ihn verstanden und fragten manchmal nach, was er eigentlich da gesagt hat. Ich aber musste mit dem Problem alleine zurechtkommen. Nach den Unterrichtsstunden habe ich daher meinen Klassenlehrer immer angesprochen und ihn gefragt, was ich wissen müsse.“

Jehor gehört zu einer Gruppe ausländischer Schüler, mit denen die NGO Meta zusammenarbeitet. Seit Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine im Februar 2022 ist die Zahl an Kindern in tschechischen Schulen, die keine Muttersprachler sind, laut Meta um das Zweieinhalbfache angestiegen. Die meisten von ihnen gehen derzeit auf Grundschulen.

Nicht nur ukrainische Kinder haben jedoch Verständigungsprobleme in der Schule. Dies bestätigt eine Vietnamesin, die sich Vee nennt:

„Ich bin in Tschechien zur Welt gekommen, und habe mich hier wie eine Außerirdische gefühlt. Eine Rolle spielte dabei auch die Sprachbarriere. Zu Hause wurde Vietnamesisch gesprochen, in der Schule sprach ich Tschechisch. Da herrschte bei mir oft Chaos.“

Die Kampagne macht darauf aufmerksam, dass die Arbeit mit Schülern, die eine andere Muttersprache als Tschechisch haben, viel Mühe kostet. Kristýna Titěrová leitet die NGO Meta. Sie glaubt, dass die Lehrer oft nicht genug vorbereitet seien und sich manchmal auch keinen Rat wüssten. Darum habe man zwölf fremdsprachige Schüler im vergangenen Sommer bei einigen Picknicks mit Lehrern zusammentreffen lassen, schildert Titěrová:

Kristýna Titěrová | Foto: Tschechisches Fernsehen

„Die Reaktionen darauf waren positiv. Als die Kinder das Interesse der Lehrer erlebten, fühlten sie sich in der Schule viel besser integriert. Und schließlich waren sie auch erfolgreicher.“

Es gebe Mängel in der Lehrerausbildung, was die Arbeit mit ausländischen Schülern betreffe, meint Luboš Zajíc. Er ist Vorsitzender des Verbandes der Grundschuldirektoren und leitet die Grundschule in der mittelböhmischen Stadt Pečky / Petschek. Die künftigen Tschechischlehrer müssten seiner Meinung nach schon während des Studiums an der Universität lernen, wie man Ausländern Tschechisch beibringe. Und weiter merkt Zajíc an:

„Zudem wäre es notwendig, im Rahmen der Weiterbildung der Lehrer diese Spezialisierung stärker zu fördern. Außerdem fände ich es gut, wenn den Lehrern methodische Unterlagen und Unterrichtsmaterial für die Arbeit mit Schülern zur Verfügung gestellt werden, die nicht tschechische Muttersprachler sind.“

Das Bildungsministerium plant jedoch vorläufig keine grundlegenden Änderungen. Man bewerte regelmäßig den Sprachunterricht für Ausländer, hieß es, dabei seien einige kleinere Änderungen nicht ausgeschlossen. Seit dem vergangenen Jahr kann beispielsweise ein finanzieller Zuschuss für ukrainische Schulassistenten beantragt werden. Ukrainische Kinder und Jugendliche, die sich an einer Mittelschule bewerben, müssen auch in diesem Jahr keine Aufnahmeprüfung im Fach Tschechisch ablegen, die für die tschechischen Schüler obligatorisch ist.

Ende September vergangenen Jahres besuchten rund 48.000 Ukrainer tschechische Schulen und Kindergärten. Über 37.000 von ihnen gingen auf Grundschulen, das entsprach 3,7 Prozent der Schüler. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl ukrainischer Schüler an den tschechischen Mittelschulen auf rund 5000. Dies entspricht rund einem Prozent der Schüler.

Autoren: Martina Schneibergová , Eva Mikulka Šelepová
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