Kein Platz in den Klassen: Viele ukrainische Kinder in Tschechien gehen nicht zur Schule

Längst nicht alle ukrainischen Kinder in Tschechien erhalten eine Schulbildung. Vor allem in Prag und Umgebung fehlen die Plätze an den Schulen. Die Nichtregierungsorganisation Meta kritisiert zudem das Niveau der sogenannten Anpassungsgruppen für den Nachwuchs der Geflüchteten.

Ivan aus dem westukrainischen Lwiw geht seit März vergangenen Jahres in die Grundschule beim Bahnhof im Prager Stadtteil Vršovice (Základní škola u Vršovického nádraží). Vor einem Jahr kam er dort in die neunte Klasse. Wenig später sagte er bereits in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Die Schule ist sehr gut. Nach einer Woche spreche ich schon etwas Tschechisch und verstehe die Sprache.“

Illustrationsfoto: Ivana Bernáthová,  Tschechischer Rundfunk

Einen Monat nach Beginn des russischen Einmarsches hatte die Schule bereits 30 ukrainische Kinder in ihren Klassen, heute sind es 120. Die Integration klappt gut, besonders dank der Kinder jener Ukrainer, die bereits früher nach Tschechien gekommen sind. Nun helfen sie ihren Mitschülern dabei, hierzulande anzukommen. Doch Schulrektorin Jana Frojdová musste zuletzt fünf Bewerbungen zurückweisen.

„Mir hat das sehr leidgetan, aber es ging nicht anders. Wir haben die Schülerzahl schon von 400 auf 460 erhöht. Aber wegen der Hygienevorschriften können wir nicht darüber hinausgehen. Immerhin besteht eine Abmachung mit den anderen Grundschulen im zehnten Prager Stadtbezirk, dass sie sofort Bescheid geben, wenn bei ihnen ein Platz frei wird. Daher konnten wir manchmal die Interessenten auch anderswo hinschicken. Aber es gab auch Fälle, in denen nirgendwo ein Platz frei war“, so Frojdová.

Eine ähnliche Lage herrscht in allen Schulen Prags, aber auch in den Kindergärten. Dies hat die NGO Meta in einer Erhebung herausgefunden. Demnach haben rund 650 ukrainische Kinder keinen Platz in einer Prager Schule gefunden und sind damit nicht ins tschechische Bildungssystem eingegliedert.

Illustrationsfoto: Václav Plecháček,  Tschechischer Rundfunk

Im Vergleich mit den anderen drei Ländern der Visegrád-Gruppe stehe Tschechien immer noch gut da bei der Integration von ukrainischen Schülern, sagt Kristýna Titěrová. Sie ist Programmdirektorin bei Meta. Dennoch fordert sie konkrete Verbesserungen. So lernen hierzulande nicht-muttersprachliche Vorschulkinder eigentlich schon im Kindergarten sechs Monate lang Tschechisch. Doch wie umgehen mit dem Nachwuchs aus der Ukraine, der keinen Platz im Kindergarten bekommen hat? Titěrová schlägt Vorbereitungsklassen vor, wie es sie bereits für ältere Schüler gibt. Allerdings müssten diese sogenannten „Anpassungsgruppen“ (Tschechisch: adaptační skupiny) besser organisiert werden, so die Programmchefin:

„Das betrifft 430 Kinder in Prag. Für Tschechisch als Zweitsprache gibt es keinen ordentlichen Lehrplan. Wir wissen nicht, wer in diesen Gruppen unterrichtet und wie sie aussehen. Deswegen können wir die Qualität nicht beurteilen. Aber vor allem sind die Kinder in diesen Gruppen formal nicht ins Bildungssystem integriert. Dabei geht das schon lange so, seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Und das ist problematisch.“

Illustrationsfoto: Michaela Danelová,  Český rozhlas

Meta fordert daher einen Lehrplan für den Tschechisch-Unterricht in den „Anpassungsgruppen“ und Vorgaben dazu, wie lang die Kinder dort bleiben sollen. Doch das Bildungsministerium plant keine Änderungen.

„Derzeit sind die Anpassungsgruppen nach den Regeln organisiert, wie sie im entsprechenden Programm vom Januar dieses Jahres festgelegt wurden. Und während der Umsetzung des Programms werden die Regeln nicht geändert. Die Gruppen sind vor allem gedacht für die ersten 90 Tage auf tschechischem Boden, um die Gewöhnung an die neue Umgebung zu fördern“, sagt Ministeriumssprecherin Aneta Lednová.

Der neue Magistrat in Prag hat immerhin nun eine Arbeitsgruppe gegründet, die einen Plan erstellen soll für die Integration von ukrainischen Kindern in die Schulen. Wie sich die Lage aber in den anderen Teilen des Landes darstellt, ist derzeit nicht bekannt. Die letzte Erhebung dazu stammt vom September vergangenen Jahres, und die nächste ist erst für April geplant.

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