Vor 100 Jahren wurde Vrsovice zur Stadt erhoben/ Waldes-Museum wieder geöffnet

Prager Stadtteil Vrsovice

Der Prager Stadtteil Vrsovice begeht in diesen Tagen gleich einige Jubiläen. Aus diesem Anlass wurde dort auch das Waldes-Museum wiedereröffnet, das unter anderem an den berühmten Industriellen und Kunstsammler Jindrich Waldes erinnert. Nach Vrsovice laden Sie im folgenden Spaziergang durch Prag MS und GS ein:

Im Jahre 1885 wurde die Gemeinde Vrsovice zum Marktflecken erhoben - damals lebten dort ca. 7.000 Einwohner und standen dort 313 Häuser. Vrsovice wurde bereits damals für eine Prager Vorstadt gehalten. Es verfügte über ein eigenes "Infektionsspital", eine Mädchen- und eine Knabenschule, sogar einen Kindergarten, eine Kirche mit Pfarrei, einen Bahnhof, zehn Prunkstraßen und eine Bierbrauerei von hervorragendem Ruf. Wie entwickelte sich jedoch Vrsovice zu seiner heutigen Gestalt? Die Historikerin Pavla Statnikova dazu:

"Einen städtischen Charakter hat Vrsovice ungefähr seit dem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, als die ersten Jugendstilhäuser in der heutigen Kodanska-Strasse oder auf dem heutigen Svatopluk-Cech-Platz erbaut wurden. 1902 wurde Vrsovice zur Stadt erhoben. Vrsovice hat jedoch eine viel längere Geschichte, als eine Siedlung wird es zum erstenmal in einer Urkunde aus dem 12. Jahrhundert erwähnt. Da die Gemeinde am Bach Botic lag, nehmen wir an, dass Menschen dort viel früher - schon in der Urzeit wohnten. Es gibt übrigens auch archäologische Ausgrabungen, die beweisen, dass schon 5000 Jahre v. u. Z. auf dem Gebiet des heutigen Vrsovice Menschen lebten."

Vrsovice liegt heute im 10. Prager Stadtbezirk. Vor 100 Jahren wurde Vrsovice zur Stadt erhoben. Im Rahmen der Feierlichkeiten dieses runden Jubiläums wurde im wieder eröffneten Waldes-Museum eine Ausstellung über die Geschichte der Gemeinde eröffnet. Dabei wurde die 100 Jahre alte Erklärung zitiert:

"... Der Erzherzog von Österreich, Großherzog von Krakau, Herzog von Lothringen, Salzburg, der Steiermark, Kärnten, der Krajina, Bukowina, Ober- und Niederschlesien etc. hat aus seiner königlichen und kaiserlichen Macht durch seinen Beschluss vom 2. März 1902 seinen treuen Marktflecken Vrsovice wegen seiner ordentlichen Gemeinde und seiner hervorragenden Entwicklung zur Stadt erhoben ..."

So ungefähr klang damals vor einem Jahrhundert die Zauberformel, die das Leben von Vrsovice bedeutend beeinflussen sollte. 20 Jahre später wurde Vrsovice eingemeindet und ist seitdem Bestandteil der Hauptstadt Prag. Seit diesem Moment sind jetzt 80 Jahre vergangen. Dies sind jedoch nicht die einzigen Jahrestage, die die Bewohner von Vrsovice in diesem Jahr feiern.

Bereits auf ein 120-jähriges Bestehen kann der Bahnhof Vrsovice zurückblicken, der die weitere industrielle Entwicklung in diesem Ort beeinflusste. Der Bahnhof wurde am 1. März 1882 in Betrieb genommen, zu dieser Zeit wurde auch der Bau des Hauptgebäudes des Bahnhofs beendet, allmählich entstanden hier weitere Gebäude, wie z. B. ein Depot, das heutzutage allen Lokomotiven in Prag dient. Mit dem Bau des Bahnhofs sind viele Arbeiter nach Vrsovice gekommen, die sich dort schließlich niederließen. Dank der Bahn wurde Vrsovice damals nicht nur mit Prag, sondern auch mit zahlreichen anderen Städten in Böhmen verbunden. Den Einfluss der neu errichteten Bahnverbindung auf die Gemeinde bestätigte auch die Historikerin Pavla Statnikova:

"Die Eisenbahn als solche hat die umliegenden Gemeinden beeinflusst, sie war jedoch für die Entwicklung von Vrsovice nicht entscheidend. Entscheidend war die Beseitigung der Stadtmauer in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts und die fortdauernde Besiedlung außerhalb der Stadtmauern."

Die Aufzählung der wichtigen Jubiläen des Prager Stadtteils Vrsovice ist jedoch noch nicht zu Ende. Vor 100 Jahren - 1902 gründeten die Herren Jindrich Waldes und Hynek Puc eine Firma zur Herstellung kleiner Metallwaren. Die Firma "Waldes a spol.", die die Prager "Waldeska" nannten, hatte ihren Sitz ursprünglich in Karlin. Nachdem die Produktion 1907 in neue Fabrikhallen in Vrsovice übertragen wurde, zählte "Waldeska" (die heute unter dem Namen "Kohinoor" bekannt ist) bald zu den größten Produzenten der Welt in ihrem Bereich. Der Bürgermeister des 10. Prager Stadtbezirks, Karel Vyrut, schätzt die Bedeutung der Fabrik für Vrsovice sehr hoch ein:

"Es gab eine Reihe von Unternehmern, die sich in Vrsovice niederließen. Die Fabrik "Waldeska" war hier die wichtigste und bekannteste Firma. Meiner Meinung nach war Jindrich Waldes neben Tomas Bata überhaupt der bedeutendste tschechische Industrielle. Für Vrsovice brachte Waldes Engagement viele Vorteile mit sich. So trug Waldes beispielsweise finanziell zur Errichtung der Bahnstrecke nach Strasnice oder zum Bau des Fußballstadions bei und war ein hoch geachteter Mäzen und Kunstsammler."

Den Namen des Unternehmers Jindrich Waldes trägt auch das Museum, das vorige Woche in denselben Räumlichkeiten eröffnet wurde, wo Jindrich Waldes einst ein Museum für Kleidverschlüsse und Druckknöpfe errichtete. Nach den Worten des Bürgmeisters Karel Vyrut war ein solches Museum weltweit einzigartig. Die damaligen Exponate hingen mit der Produktion der Fabrik Waldes eng zusammen. Dieses Museum existierte jedoch nur bis zum Zweiten Weltkrieg, Jindrich Waldes wurde ins Konzentrationslager verschleppt.

Ein Teil der Exponate aus seinem Museum ist nicht verlorengegangen und befindet sich heute im nordböhmischen Jablonec nad Nisou (Gablonz) im dortigen Glasmuseum. Das wieder eröffnete Waldes-Museum ist jedoch kein Museum im Sinne einer wissenschaftlichen Institution, wie Bürgermeister Vyrut bemerkte:

"Es wird eher ein Ausstellungssaal, und nicht ein Museum mit einer ständigen Exposition sein, das über einen wissenschaftlichen Rat verfügt, der sich mit der Tätigkeit des Museums beschäftigen würde. So haben wir es nicht konzipiert. Die Räumlichkeiten werden zu Ausstellungszwecken dienen. In Vrsovice hat bislang ein solcher Ausstellungssaal gefehlt."

Zur Zeit kann man sich im Jindrich-Waldes-Museum in einer Ausstellung über die Geschichte von Vrsovice mit den Anfängen der Gemeinde, deren späterer Entwicklung, mit Sehenswürdigkeiten sowie den Bauprojekten bekannt machen, die noch geplant werden. Im Museum wird auch ein Originalgemälde von Frantisek Kupka gezeigt, das das spätere Markenzeichen der Firma Waldes darstellt.

Den Bürgermeister Karel Vyrut, der selbst auch einige Bücher über Prag schrieb, fragte ich danach, ob er in den Chroniken seines Stadtbezirks auch kuriose Geschichten fand. Eine davon ist mit dem bis heute berühmten Fußballklub "Bohemians" verbunden:

"Als einst die Fußballmannschaft AFK Vrsovice nach Australien reiste, war der Name des Klubs "AFK Vrsovice" für die dortigen Fans kaum auszusprechen. So tauften sie die Mannschaft aus Prag einfach "Bohemians". Da diese Auslandsreise sehr erfolgreich war, beschloss der Fußballverband, dass der Klub den Namen "Bohemians" behalten darf. Und so heißen unsere Kicker seit 1927 "Bohemians". Ihre Australien-Reise ist noch mit einer lustigen Geschichte verbunden. Einer der neuseeländischen Minister wollte damals dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomas Garrigue Masaryk eine Freude machen und schickte ihm über die Mannschaft "Bohemians" zwei Känguruhs. Die Fußballer aus Vrsovice kamen auf die Prager Burg zu Präsident Masaryk mit den beiden geschenkten Tieren, aber der Präsident soll gesagt haben, dass er sich im Schloss Lany, wo er oft weilte, mit Pferden begnüge. Sie sollten die Känguruhs mit nach Vrsovice nehmen. Und so kam der Fußballklub zu seinem etwas exotischen Wappen mit den Känguruhs."