Hilfsorganisation Nadeje (Hoffnung) sorgt für Obdachlose im Rentenalter
Die Zahl der Menschen, die in der Tschechischen Republik ihr Obdach verloren haben ist seit dem Jahre 1991 deutlich gestiegen. Lebten 1991 etwa 4720 Menschen in sogenannten Notunterkünften, so beläuft sich ihre Zahl nunmehr auf über 44 000. Das ergab die letzte Volkszählung des Statistischen Amtes aus dem Jahre 2001. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Arbeit von Organisationen zunimmt, die sich dieser hilfsbedürftigen Mitbürger annehmen. Eine der ersten Einrichtung dieser Art, die in der Tschechischen Republik entstanden sind, ist der Bürgerverein Nadeje/Hoffnung. Ein Bericht von Katrin Sliva:
"Die Tätigkeit der Organisation ist in unterschiedliche Hilfsprogramme unterteilt, wovon eines speziell auf die Bedürfnisse obdachloser Mitbürger ausgerichtet ist. Sie umfasst die erste Kontaktaufnahme mit betroffen Personen auf der Straße, Tageeinrichtungen, in denen diese Menschen etwas zu essen und saubere Kleidung bekommen sowie Übernachtungsmöglichkeiten auf Zeit. In einer der beiden Prager Tageseinrichtungen wird darüber hinaus die medizinische Versorgung der Obdachlosen gewährleistet, die oft nicht krankenversichert sind oder sich nicht trauen, eine gewöhnliche Arztpraxis aufzusuchen. Langfristiges Ziel von Nadeje ist es, dauerhafte Lösungen für ihre Schützlinge zu finden, was unter anderem bedeutet, dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen."
Eine solche Lösung ist das sogenannte "Haus für einen würdigen Lebensabend", das am 15. Oktober diesen Jahres feierlich eröffnet wurde. Es bietet Raum für etwa 30 Menschen, die hier ein neues Zuhause gefunden haben. Bei den frisch eingezogenen Bewohnern handelt es sich um Menschen fortgeschrittenen Alters, die ohne festes Dach über dem Kopf lebten und denen hier die Chance gegeben wird, hier würdigen Lebensabend zu verbringen.
Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und befand sich zu dem Zeitpunkt, als Nadeje es vom Vorbesitzer, der Verwaltung des Prager Stadtbezirks 10 nämlich, übernahm, in einem desolaten Zustand. Der Organisation ist es gelungen, das baufällige Objekt mit Hilfe von Spenden zu sanieren. Zuschüsse von staatlicher Seite gab es hierfür keine. Die Obdachlosen haben einen eigenen Beitrag geleistet, indem sie bei der Ausführung vieler Arbeiten "mitangepackt" haben. So ist ein Altersheim entstanden, das einzigartig ist. Auf meine Frage, warum obdachlose Menschen ein spezielles Altersheim brauchen, antwortete Jan Kadlec:
"Menschen, die jahrelang ein Leben auf der Straße geführt haben, verfügen über einen anderen Hintergrund, der mit dem "normalen Leben" der anderen Heimbewohner nicht vereinbar ist. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass die Obdachlosen selbst im Altersheim noch am Rande der jeweiligen Gemeinschaft leben und ausgeschlossen sind. Deshalb hielten wir es für notwendig, eine Einrichtung zu schaffen, die speziell für diese Gruppe gemacht ist. Wo Mitarbeiter arbeiten, die diese Menschen verstehen und ihnen das Alter angenehmer gestalten können."
Jan Kadlec nennt die Voraussetzungen, die die neuen Bewohner erfüllen müssen, um hier einen Platz zu bekommen:
"Meist lernen wir diese Menschen in unseren Tageseinrichtungen kennen. Sie müssen entweder Alters- oder Invalidenrente beziehen. Außerdem müssen wir ihre Pflege gewährleisten können, d.h. der Gesundheitszustand muss einen dauerhaften Aufenthalt bei uns erlauben. Anderenfalls versuchen wir eine andere geeignete Einrichtung für die betreffende Person zu finden. Natürlich bemühen wir uns zunächst um eine Rückführung in den Kreis der Familie. Und erst wenn das nicht gelingt, nehmen wir die betreffende Person auf."
Einer der Bewohner, die bereits in das Obdachlosenheim im Prager Stadtteil Zabehlice einziehen durften ist Dr. Jindrich Trilc, ein ehemaliger Universitätsprofessor, der seine Eindrücke schildert:
"Ein riesiger Vorteil besteht hier darin, dass hier jeder sein eigenes Zimmer hat. Es leben ganz unterschiedliche leute in diesem Heim. Das Essen wird von außerhalb angeliefert und es ist genießbar und es reicht immer aus. Jeder, der will, kann sich aber selbst etwas zu essen machen. Ich bin hier unwahrscheinlich zufrieden. Herr Dropa, der Leiter des Hauses ist ein ganz außergewöhnlicher Mensch. Wir sagen, dass er gar kein Licht anmachen muss, wenn es dunkel wird, weil er einen Heiligenschein auf hat."
Nach der Zeit, die er auf der Straße verbracht hat, wisse er besonders zu schätzen, dass er sich hier wieder fühlen dürfe wie ein Mensch. Bevor er Hilfe bei Nadeje suchte, fuhr er nachts immer mit der Straßenbahnlinie 22 quer durch die Stadt, um nicht in der Kälte schlafen zu müssen. Darüber, wie es ihm ohne die Organisation ergangen wäre, entgegnete er, dass er sich das lieber nicht vorstellen möchte. Der Begründer von Nadeje, Ilja Hradecky, dank dessen Engagement in den vergangenen zwölf Jahren vielen anderen in Not geratenen Menschen in der Tschechischen Republik geholfen werden konnte, gibt eine Prognose für die künftige Arbeit seiner Organisation ab:
"Wir bereiten uns darauf vor, dass mit dem Beitritt Tschechiens zur EU und der damit verbundenen Grenzöffnung, auch mehr Obdachlose aus dem Ausland hierher kommen werden. Unsere Mitarbeiter werden dann ihre Fremdsprachenkenntnisse erweitern müssen, um sich auch um diese Menschen kümmern zu können."
Da Nadeje seit 1994 Mitglied der "FEANTSA" der europäischen Vereinigung von Organisationen, die sich um Obdachlose kümmern, wird sie für den erwarteten Zuwachs ensprechend vorbereitet sein.
Das war die heutige Ausgabe des Themenkaleidoskops. Am Mikrofon verabschieden sich von Ihnen Gerald Schubert und Katrin Sliva