Pressestimmen zum NATO-Gipfel
Das NATO-Gipfeltreffen in Prag war am Freitag natürlich auch beherrschendes Thema in der tschechischen Presse. Silja Schultheis hat für Sie in den Gazetten geblättert.
"Eine Einladung in die NATO erhält man nicht einfach so", schreibt die Zeitung "Lidove noviny" in Anspielung auf die am Donnerstag bekannt gegebene Osterweiterung der Allianz um sieben ehemals kommunistische Staaten. Weiter heißt es in dem Blatt:
"Die Kandidaten hätten hart gearbeitet, um die sehr hohen Standards der NATO zu erfüllen, begründete Generalsekretär George Robertson die Entscheidung. Dabei kann ihm nicht entgangen sein, dass es bis heute eine Reihe von Zweifeln aufgrund der Korruption in diesen Ländern gibt. Die NATO hat aber - wie bei ihrer ersten Osterweiterung 1999 auch - die harte Arbeit belohnt und nicht auf perfekte Vorbereitung bestanden Wichtiger als der augenblickliche Zustand ist für die politische Allianz ein starker und klarer Trend."
Auch das Blatt Mlada fronta dnes widmet sich in ihrer Freitagsausgabe der Osterweiterung der NATO:
"Der Prager NATO-Summit wird deshalb in die Geschichte eingehen, weil er die Landkarte Europas umgeschrieben hat. Das Anti-Jalta heißt jetzt Prag. Der Kontinent ist plötzlich ein völlig anderer."
Weiter gibt der Autor zu bedenken:
"Noch im Jahr 2001 wäre die größte Erweiterung in der Geschichte der Allianz der Höhepunkt des NATO-Gipfels gewesen. Jetzt ist sie nur eine formale Kulisse zu den Verhandlungen über den Irak, die Brüchigkeit der Allianz und den Kampf gegen den Terrorismus. Die Allianz hat nach Auflösung des Warschauer Paktes vergeblich nach dem Sinn ihrer Existenz und ihrer Mission gesucht. Jetzt hat sie ihn gefunden - oder besser: die neue Mission hat sich ihr aufgedrängt."
Die Zeitung "Hospodarske noviny" hingegen betrachtet die Diskussion um den Irak keineswegs als Zeichen für eine neue gemeinsame NATO-Mission, sondern erkennt in ihr umgekehrt die Schwäche der Allianz: "Nichts belegt besser die Schwierigkeit der Suche nach einem neuen Sinn der NATO als eben der Streit um das Vorgehen gegen den Irak. Der Irak war - wenn auch unterschwellig - das Hauptthema des NATO-Gipfels. An diesen wird man sich einmal nicht deshalb erinnern, weil sich die NATO-Mitglieder auf die bislang größte Erweiterung in der Geschichte geeinigt haben, sondern wegen der Themen, auf die sie sich nicht geeinigt haben - wegen des Iraks. Die NATO-Deklaration zum Irak ist diplomatisch kulant formuliert. Es darf aber bezweifelt werden, dass die USA damit zufrieden sind, denn sie hatten viel daran gesetzt, dass der Wortlaut der Deklaration härter ausfällt. Der Streit um den Irak ist gleichzeitig ein Streit um den Sinn der Nordatlantischen Allianz."
Ein weiteres großes Thema des NATO-Gipfels waren die künftigen Beziehungen der Allianz zu Russland.
Die Zeitung "Pravo" betrachtet die intensivere Zusammenarbeit mit Russland als die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen den internationalen Terrorismus:
"Den Kampf gegen den Terrorismus, in dem Übereinstimmung zwischen den NATO-Mitgliedern und den übrigen zivilisierten Staaten herrscht, gewährleistet die Festigung der neuen Beziehungen zwischen den USA und Russland. Der eigentliche Höhepunkt des Prager NATO-Gipfels spielt sich deshalb am Freitag zwischen Bush und Putin in der Nähe von St. Petersburg ab."
Der tschechische Präsident Vaclav Havel hatte bereits vor Beginn des NATO-Gipfels angedeutet, dass er sich eine Zusammenarbeit mit Russland im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht vorstellen könne, ohne Kritik an der russischen Tschetschenien-Politik zu äußern. Der Publizist Jan Petranek, den Radio Prag um seine Meinung bat, sieht das anders:
"Für mich stellt sich der Tschetschenien-Konflikt nicht so dar, dass sich Russland auf das tschetschenisches Volk gestürzt hat, sondern zur Situation in Tschetschenien ist es durch eine ganze Reihe von Konflikten innerhalb tschetschenischer Gruppierungen gekommen. Ich denke, hier haben die Amerikaner und die übrigen NATO-Mitglieder einen nüchterneren Blick auf die Situation als die tschechische Seite."
Soweit der Journalist Jan Petranek - und soweit unser kurzer Pressespiegel zum NATO-Gipfel.