10 Jahre Teilung der Tschechoslowakei - zwei neue Staaten, zwei neue Staatsbürgerschaften

Tschechoslowakei in 1992

Bereits am Montag haben wir unsere Hörerinnen und Hörer darauf verwiesen: in der diesjährigen Silvesternacht, pünktlich um null Uhr, wird sich die Teilung des ehemaligen tschechoslowakischen Staates zum zehnten Mal jähren. Im Rahmen der angekündigten Beitragsserie zu Detailaspekten dieses Themas beschäftigt sich Gerald Schubert heute mit Problemen rund um Fragen der Staatsbürgerschaft.

Zwar gab es, wenigstens in formaler Hinsicht, bereits vor dem 1.1.1993 eine Tschechische und eine Slowakische Republik. Doch im Rahmen der damaligen tschechoslowakischen Föderation gab es in Fragen der Staatsangehörigkeit keinerlei Probleme. Alle waren tschechoslowakische Bürger. Mit der Teilung am 1.1.1993 sollte sich das freilich ändern.

Zunächst: Für den Großteil der Menschen zu beiden Seiten der neu entstandenen Staatsgrenze ergaben sich kaum administrative Probleme. Denn in erster Linie war der ständige Wohnsitz entscheidend, der ohnehin oft mit der Muttersprache - meist tschechisch oder slowakisch - bzw. mit der Gestaltung anderer sozialer Lebensbezüge einherging. Doch wie man weiß, ist die Realität in so heiklen Fragen wie Staatsangehörigkeit oder Nationalität stets ein wenig komplizierter. Im Gespräch mit Radio Prag hat Pavla Bouckova, sie ist Leiterin der "Poradna pro obcanstvi", einer Beratungsstelle für Staatsbürgerschaftsfragen, die damalige Problematik nachgezeichnet:

"Die slowakische Republik ist mit dieser Sache viel liberaler umgegangen. Sie hat auch allen tschechischen Bürgern ohne irgendwelche Einschränkungen ermöglicht, sich innerhalb eines Jahres zu entscheiden, ob sie die slowakische Staatsbürgerschaft annehmen wollen. Anders die Tschechische Republik: Sie hat den Erwerb der Staatsbürgerschaft für all jene, die sie nach der damaligen Gesetzgebung nicht ohnehin automatisch erhielten, an eine Menge restriktiver Bedingungen geknüpft. Dazu gehörten zum Beispiel der Verlust der slowakischen Staatsbürgerschaft oder die Bedingung, fünf Jahre ohne Eintrag im Strafregister zu sein. Und gerade letzteres verursachte große Probleme."

Denn es sei, so Bouckova, eine Gruppe von Leuten entstanden, die praktisch staatenlos wurden, weil sie vorbestraft waren, umgekehrt aber in der Slowakei keinen festen Wohnsitz hatten. Wie ging man in weiterer Folge mit dieser Problematik um?

"Im Jahr 1996 begann man dann, diese Frage zu lösen. Das erste Zugeständnis war eine Gesetzesnovelle, der zufolge das Innenministerium auf die Bedingung der fünfjährigen Unbescholtenheit verzichten konnte. Und im Jahr 1999 schließlich, nach dem Antritt der sozialdemokratischen Regierung, knüpfte daran eine weitere, noch viel liberalere Novelle an, die diese Bedingung überhaupt aufhob und eine neue, zeitlich unbefristete Regelung für die Annahme der tschechischen Staatsbürgerschaft einführte, die keine zusätzlichen Bedingungen mehr enthielt. Und so hat jeder ehemals tschechoslowakische Staatsbürger, der mindestens seit Anfang des Jahres 1993 hier lebt, das Recht, die tschechische Staatsbürgerschaft zu wählen."

Nun sei laut Bouckova das Problem auf legistischer Ebene weitgehend aus der Welt geschafft. Allgemeine Fragen, wie etwa die nach einem zwingenden Zusammenhang von kultureller Identität einerseits und dem Verlauf von Staatsgrenzen andererseits, wurden im Zuge der Teilung der Tschechoslowakei jedoch eher aufgeworfen als geklärt. Wagen wir zum Abschluss eine Prognose: Wenn die Bürger beider Staaten erst einige Zeit in der EU vereint sein werden, dann wird ihnen die kurze Periode der tschechisch-slowakischen Grenzbalken vielleicht sogar einigermaßen grotesk erscheinen.