Slowakische Arbeitnehmer auf dem tschechischen Arbeitsmarkt
Mit der Teilung der Tschechoslowakei sind viele Slowaken, die bis dahin in der tschechischen Teilrepublik gearbeitet hatten, zu Ausländern geworden. Dies bedeutete jedoch keineswegs, dass sie automatisch das Land verlassen mussten. Die Zahl slowakischer Arbeitskräfte in Tschechien hat sich seitdem sogar wesentlich erhöht. Mehr zu diesem Thema hören Sie im folgenden Beitrag von Jitka Mladkova:
In der Tat, 10 Jahre nach der Teilung arbeiten in der Tschechischen Republik (legal) schätzungsweise - eine offizielle Statistik gibt es nicht - 65 Tausend Slowaken. Das ist dreimal so viel wie in der Zeit, als es einen gemeinsamen Staat gab, Tendenz steigend. Dass Slowaken gerne Arbeit in Tschechien suchen, hat im wesentlichen einen Grund - die hohe Arbeitslosigkeit im eigenen Land. Dass sie die Arbeit hierzulande auch finden, hat mehrere Gründe:
Im Unterschied zu anderen ausländischen Bewerbern haben die Slowaken einen freien Zugang zum tschechischen Arbeitsmarkt, d.h. sie brauchen keine Arbeitsgenehmigung - so wurde es im zwischenstaatlichen tschechisch-slowakischen Vertrag fixiert. Sie sind nur verpflichtet, sich beim zuständigen Arbeitsamt am Standort des Arbeitgebers registrieren zu lassen. Beide Länder haben z.B. auch die gegenseitige Anerkennung ihrer Hochschuldiplome vereinbart, und so trifft man in Tschechien neben slowakischen Arbeitern im Hütten- und Bauwesen, in der Land- und Forstwirtschaft zunehmend auch auf slowakische Ärzte bzw.
Krankenschwestern, die hierzulande bessere finanzielle Bedingungen als im eigenen Land finden. Die letzteren ersetzen oft ihre tschechischen BerufskollegInnen, die wiederum aus denselben Gründen gerne die Möglichkeit wahrnehmen, westlich der tschechischen Grenze zu arbeiten. Der Mangel an Arbeitskräften macht sich aber in Tschechien trotz einer Arbeitslosenquote von derzeit 9,3 Prozent auch in anderen Ressorts bemerkbar. Mancherorts könnte man nur schwer auf die slowakischen Arbeitskräfte verzichten, namentlich in einigen Grenzregionen, wo die Slowaken auf wechselnden Bedarf am Arbeitsmarkt flexibel reagieren können. Andere wichtige Faktoren, die die Beschäftigung slowakischer Arbeitnehmer bei tschechischen Firmen begünstigen, sind u.a. die fast identische Ausbildung, ähnliche Arbeitsgewohnheiten und nicht zuletzt auch eine ähnliche Mentalität sowie die faktisch nicht existierende Sprachbarriere. Nicht ohne Bedeutung ist, dass auch die Einstellung der tschechischen Bevölkerung gegenüber den Slowaken im Allgemeinen sehr freundschaftlich ist.
Der Slowake Ivan Sykora ist seit August dieses Jahres in Prag, gemeinsam mit einer Gruppe seiner Landsleute, die hier Fassaden-Isolierung an Zins- und Familienhäusern durchführen. Alle stammen aus der nord-ostslowakischen Region Kysuce, die sich durch eine außerordentlich hohe Arbeitslosenrate auszeichnet. Dies bestätigt auch Sykora in seiner Antwort auf die Frage, warum er und seine Kollegen Arbeit in Prag suchten:
"Der Hauptgrund, warum wir nach Prag gegangen sind, ist die hohe Arbeitslosigkeit, die sich um die 20 Prozent bewegt. Bei uns kann man eventuell kurzfristig eine Arbeit finden, aber ansonsten hat man keine Perspektive."
Nach Prag sind sie aufgrund einer Annonce in der tschechischen Presse gekommen und arbeiten hier auch für eine tschechische Baufirma. Finanziell lohne es sich und so schwer sei es ihnen nicht gefallen, sagt Sykora, denn
"Wir leben in einem an der Grenze zur Tschechischen Republik gelegenen Gebiet. Wir haben hier eine ganze Reihe freundschaftlicher Kontakte und auch früher schon haben viele unsere Leute hier gearbeitet, z.B. im nordmährischen Ostrava. Es war also für uns faktisch kein Problem hierher zu kommen."
Nach Hause fahren sie ungefähr alle drei Wochen. In der Freizeit, die ihnen nach der Arbeit bleibt, gehen sie ab und zu in die Kneipe oder auch schwimmen. Auf meine Frage, wie sich er und seine Kollegen im tschechischen Milieu fühlen, antwortete Ivan Sykora sachlich:
"Das Milieu ist ganz normal. Wenn es keine Zollämter und keine Staatsgrenze zwischen uns geben würde, wäre es genauso wie früher. Wir haben eigentlich nicht das Gefühl, im Ausland zu sein. Wenn wir so in einer Kneipe sitzen, sind die Tschechen nett zu uns, einige sagen sogar, dass es besser war, als wir noch in einem gemeinsamen Staat zusammenlebten. Diese Meinung teile ich auch."