Wanderausstellung "Kde domov muj - Wo ist meine Heimat? Spuren tschechisch-deutscher Gemeinsamkeiten im 19. und 20. Jahrhundert" zu Gast in Liberec
Die Wanderausstellung "Kde domov muj - Wo ist meine Heimat?" der Brücke/Most-Stiftung dokumentiert auf 60 Tafeln das Verhältnis von Deutschen und Tschechen im 19. und 20. Jahrhundert. Nach Stationen in Prag, Dresden, Köln, Konstanz, Augsburg, Regensburg und Freiburg wurde die Ausstellung am vergangenen Freitag in Liberec/Reichenberg eröffnet. Hören Sie dazu das folgende Gespräch, das Silja Schultheis mit Daniel Kraft von der Brücke/Most-Stiftung geführt hat.
Kraft: "Als wir die Ausstellung Ende der 1990er Jahre vorbereitet haben, haben wir festgestellt, dass in der Darstellung des Verhältnisses zwischen Tschechen und Deutschen vor allem die Konflikte, Spannungen, Krisen dargestellt wurden. Man hat eigentlich das deutsch-tschechische Verhältnis vor allen Dingen auf die Katastrophe von 1938 bzw. 1945 reduziert. Konfliktgeschichte - das wäre vielleicht der gemeinsame Tenor dessen, was wir beobachtet haben. Und das wollten wir ein Stück weit anders sehen. Wir wollten uns auf die Spuren der Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und Tschechen im 19., vor allem aber im 20. Jahrhundert machen. Also ein wenig unter den Trümmern der Katastrophe suchen und einige positive Beispiele des menschlichen Miteinanders vorstellen und darstellen."
Schultheis: "Können Sie konkrete Beispiele nennen?"
Kraft: "Ein Beispiel wäre der sehr rege Austausch zwischen sudetendeutschen und tschechischen Schülern zwischen 1918 und 1938 - "na vexl" nannte man das damals, wenn deutschsprachige Schüler in den tschechischsprachigen Teil gegangen sind und entsprechend dann die tschechischen Schüler in deutsche Familien in den Grenzgebieten."Schultheis: "Vor Liberec war die Ausstellung bereits in Prag und einer Reihe deutscher Städte. Wie sah die bisherige Resonanz aus?"
Kraft: "Die überwiegende Resonanz war von der inhaltlichen Seite her sehr positiv - ein Indiz sind etwa die Einträge in den Gästebüchern. Sowohl auf tschechischer als auch auf deutscher Seite hat man sich sehr gefreut über unseren Zugang, die Gemeinsamkeiten zu zeigen. Es gab natürlich auch Kritik an der Ausstellung, die wir teilweise auch berechtigt fanden. Ein Hinweis war z.B., dass es zuviel Text in der Ausstellung gibt. Aber es gab auch die eher revanchistische Kritik an dem Tenor der Ausstellung. Man hat uns vorgeworfen, wir hätten zu wenig das Leid der tschechischen Seite dargestellt. Von sudetendeutscher Seite wiederum wurde uns vorgeworfen, wir hätten zu sehr das Leid der tschechischen Seite und zu wenig die Vertreibung dargestellt. Einmal davon abgesehen, dass es uns gar nicht darum ging, nur das Leid zu zeigen, sondern eben auch diese Vorbilder vielleicht auch für das heutige Zusammenleben, war hier deutlich zu beobachten, dass hier jeder nur das gesehen hat, was er sehen wollte. Und nicht das, was eigentlich Teil der Ausstellung ist."
Schultheis: Wo wird die Ausstellung nach ihrer Station in Liberec zu sehen sein?
Kraft: Sie bleibt in Liberec noch bis Ende Januar 2003 und geht dann relativ zügig nach Wolfsburg. Dort wird sie von 04.-26.2.2003 zu sehen sein und wandert dann in den Deutschen Bundestag nach Berlin (Paul-Löbe-Haus), wo sie von Mitte März bis Mitte April bleibt.
Schultheis: Herr Kraft, ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch.
Begleitend zur Ausstellung ist ein umfangreicher zweisprachiger Katalog erschienen, den Sie auch über das Internet bei der Brücke/Most-Stiftung bestellen können:
Kde domov muj... Wo ist meine Heimat...
Eigenverlag Brücke/Most-Stiftung
ISBN: 3-925008-07-1
Erscheinungsjahr: 1999
Preis: 25 ⬠bzw. in Tschechien 380 Kronen