Feuilleton
"Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe". Diese Redensart ist in der Praxis schon oft belegt worden. So auch vor Wochenfrist, als ausgesuchte europäische Zeitungen einen Aufruf zur uneingeschränkten Unterstützung der US-amerikanischen Haltung in der Irak-Frage veröffentlichten - unterschrieben von sieben europäischen Regierungschefs und vom seinerzeit noch amtierenden tschechischen Präsidenten Václav Havel.
Scheinbar "dasselbe" wollen auch die Prager Straßenbahnfahrer, nämlich mehr Lohn. Zumal man ihre Arbeit - so die Vertreter der Tram-Gewerkschaft "Föderation der Straßenbahnfahrer" (FRT) - im Vergleich zu den Kollegen von Bus und Metro nicht "mit zweierlei Maß" messen dürfe. Eine Studie sollte daher offen legen, dass auch die Straßenbahner eine ebenso anspruchs- und verantwortungsvolle Tätigkeit verrichten wie ihre Bus fahrenden Kollegen, was die bestehende Lohndifferenz von durchschnittlich 60 Euro im Monat nicht rechtfertigen würde. FRT-Gewerkschaftsboss Antonín Dub und seine Gleichgesinnten ließen jedoch außer Acht, dass sie dazu weder ein Lenkrad einschlagen noch bei eisglatter Fahrbahn die Spur halten müssen. Im Gegenteil, die Spur, die sie selbst einschlugen, hat sie geradewegs aufs Abstellgleis geführt. Zwei Drittel der Straßenbahner wählten nämlich einen anderen Weg als den Streik, der auf dem Rücken der Prager ausgetragen werden sollte. Warum auch nicht, übersteigt das Arbeitgeberangebot von sechseinhalb Prozent mehr Lohn die derzeitige Inflation doch gleich um einen Dezimalbruch mit einer dicken Zwei vorm Komma. Doch merke: Wer den Hals nicht voll genug kriegt, der verschluckt sich zumeist dabei. Oder aber: Wenn man wirklich das Gleiche will, dann sollte man zunächst einmal auch dasselbe dafür tun. Egal, ob auf dem weiten Feld der Weltpolitik oder auf dem abgesteckten Weg des Schienenstrangs.