Reaktionen auf die Äußerungen Chiracs an die Adresse der mittel- und osteuropäischen Kandidatenländer (1)
Die harten Worte des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, die er im Zusammenhang mit der Irak-Krise am Montag an die Adresse der Kandidatenländer richtete, stießen in der tschechischen politischen Szene auf Ablehnung. Martina Schneibergova fasst die Reaktionen zusammen.
"Ich meine, dass es um eine Erklärung ging, die in einer bestimmten Lage gemacht wurde. Diese Lage ist vorbei und damit auch die Bedeutung der Erklärung."
In Reaktion auf die Wort-Attacke Chiracs auf die Beitrittskandidaten verteidigte der britische Premier Tony Blair das Recht der künftigen EU-Staaten, sich zu internationalen Fragen zu äußern. Der tschechische Premier meinte in diesem Zusammenhang:
"Ich muss sagen, dass ich mit Vertretern der meisten wichtigen EU-Länder sprach, und in deren Haltungen gibt es keine grundlegenden Unterschiede. Es stimmt schon, dass es zwischen Tschechien und Großbritannien langjährige traditionelle Beziehungen gibt, die unter Tony Blair sehr gut sind. Ich schätze die Haltung Großbritanniens sehr hoch ein."
Der tschechische Innenminister und Vizechef der regierenden Sozialdemokraten, Stanislav Gross, meinte in Reaktion auf Chiracs Worte, es sei höchst gewagt, einem souveränen Staat zu raten, wie er sich zu verhalten habe. Die Abgeordneten der oppositionellen Bürgerdemokraten sprachen von einer Arroganz der Macht und dem Versuch der großen Staaten, den kleineren Ländern ihre Politik zu diktieren. Gegen Chiracs Erklärung sprach sich auch der Vizechef der Christdemokraten, Jan Kasal, aus und bemerkte, keinem Staatsoberhaupt stehe eine dermaßen wertende Position zu. Etwas mehr Verständnis für Chirac scheint nur der Vizechef der Kommunisten, Jiri Dolejs, zu haben, der hinter Chiracs Angriff eine friedliche Motivation vermutet.
Kritische Reaktionen löste das französische Staatsoberhaupt auch in der tschechischen Tagespresse aus. So schreibt die Tageszeitung Mlada fronta Dnes in ihrer Mittwochausgabe:"Der französische Staatsmann hat sich mit seinen Erklärungen selbst angeschossen. Frankreich drängte in den letzten Wochen ständig auf eine gemeinsame Haltung Europas zur Irak-Krise. Nachdem dies endlich erreicht worden war, unternahm der französische Präsident alles dafür, dass niemand diesen Erfolg zur Kenntnis nahm," hieß es in der Zeitung. Und weiter: "Wenn Chirac Leonid Breshnew vertreten und dessen Doktrin der beschränkten Souveränität - also der eingeschränkten Rechte für bestimmte Länder - wieder ins Leben rufen will, sei es ihm gegönnt," meint der Kommentator der Mlada fronta Dnes.
Die Tageszeitung Lidove noviny meint, dass Chiracs Rede die vielen Mythen über Frankreich und die EU beseitigte, die es in Tschechien immer noch gab. Man könne - so die Zeitung - nun nicht so sehr glauben, dass sich Europa vereinige, und einen idealistischen, vollkommen freien und demokratischen Charakter habe.