Luftverschmutzung: Grenzüberschreitendes Problem findet grenzüberschreitende Lösungen
Auf dem Gebiet des Umweltschutzes, und hier insbesondere auf dem der Luftreinhaltung, wird der grenzüberschreitende Aspekt europäischer Politik in zunehmendem Maße sichtbar. Und so hat auch das tschechische Umweltministerium eine Informationskampagne zum EU-Beitritt gestartet, die ganz auf die gesamteuropäische Umweltproblematik ausgerichtet ist. Gerald Schubert war auf der Pressekonferenz des Ministers und berichtet in der nun folgenden neuen Ausgabe des Magazins Schauplatz:
Auch wenn die Europäische Union längst noch kein Superstaat im Sinne einer tatsächlichen politischen Union ist, und auch wenn sie das vielleicht nie sein wird: in jedem Fall gilt, dass unter ihren Mitgliedern so gut wie alle Rechtsbereiche miteinander verzahnt sind, sei es durch die Angleichung von konkreten Paragraphen, sei es durch die gemeinsame europäische Rechtsordnung, zu der nationale Gesetzgebung wenigstens nicht im Widerspruch stehen darf.
Kritiker einer vertieften europäischen Integration merken oft an, dass supranationale Strukturen da und dort nationale Identitäten auflösen, beziehungsweise dass eine gesamteuropäische Harmonisierung der Legislative an den tatsächlichen Gegebenheiten und Problemen der einzelnen Mitgliedsstaaten allzu oft vorbeiziele.
Einer der Bereiche, die jedoch a priori grenzüberschreitenden Charakter haben, ist der Umweltschutz. Hier geht es ganz bestimmt nicht darum, dass durch ein zentralistisches Brüsseler Regelwerk Dinge vereinheitlicht werden, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben müssten, sondern vielmehr darum, einer einheitlichen europäischen Umwelt auch die entsprechend einheitlichen juristischen Rahmenbedingungen zu geben.
In diesem Sinn hat auch der tschechische Umweltminister Libor Ambrozek seine jüngste Pressekonferenz zu diesem Thema eröffnet, die einen Teil einer EU-Informationskampagne seines Hauses darstellt:
"Das Motto unserer Informationskampagne lautet: Gemeinsames Europa - gemeinsame Umwelt. Und in kaum einem Bereich gilt diese Verbindung so wie im Bereich der Luftreinhaltung. Die Verunreinigung der Luft ist tatsächlich etwas, das keine Staatsgrenzen kennt. Wir erinnern uns alle an das sogenannte schmutzige Dreieck, das Ende der 80er Jahre Nordböhmen, einen Teil Ostdeutschlands und einen Teil Westpolens verpestet hat."
Schon bald nach der politischen Wende des Jahres 1989 aber, also lange vor den Diskussionen über die Erweiterung der Europäischen Union und der damit einhergehenden Rechtsharmonisierung, wurden die ersten Schritte zu einer Verbesserung der Luftqualität in der damaligen Tschechoslowakei gesetzt:
"Nach der Annahme sehr strenger legislativer Maßnahmen bereits im Jahr 1991 und nach anschließenden Investitionen in die Luftreinhaltung im privaten sowie im öffentlichen Sektor hat sich die Luftqualität bei uns bedeutend verbessert. Die Emissionen der am meisten für die Luftverschmutzung verantwortlichen Stoffe wie zum Beispiel Schwefeldioxid sanken mittlerweile auf ein Zehntel, also um über 90 Prozent, und die von Stickoxiden und Kohlenmonoxid um 40 - 50 Prozent. Es kam also zu einer bedeutenden Senkung der Emissionsbelastung, wenn sich auch dieser Trend nach den ersten entsprechenden Investitionen mittlerweile wieder verlangsamt."
Freilich wäre es jedoch allzu optimistisch, nur die positiven Entwicklungen im Bereich der Umweltqualität und der Luftreinhaltung zu sehen. Denn einerseits wurde natürlich so mancher Industriekoloss aus kommunistischen Tagen mittlerweile neuen ökonomischen und ökologischen Anforderungen gemäß umstrukturiert, andererseits aber kam es etwa auf dem Gebiet des Individualverkehrs zu einer bedeutenden Zunahme der Fahrzeugdichte. Musste man im real existierenden Sozialismus meist jahrelang warten, bis man endlich das heiß ersehnte eigene Auto erwerben konnte, so bestehen hier heute lediglich materielle Probleme, die sich aber durch geschickte Finanzierungsmodelle der meisten Automobilkonzerne meist irgendwie bewältigen lassen. Die Folge: Auf den tschechischen Straßen gibt es heute so viele PKW wie niemals zuvor. Und darin besteht auch für Umweltminister Ambrozek eine der Schattenseiten der aktuellen Entwicklung:
"Gegenwärtig bestehen noch zwei Probleme: Das eine ist der Anstieg von Stickoxiden aus dem Automobilverkehr. Das Absinken der Stickoxidemissionen insgesamt wurde dadurch angehalten, wenn nicht sogar wieder in einen leichten Anstieg umgewandelt. Und selbstverständlich ist auch die Situation im Bereich der Emissionen sogenannter Treibhausgase nicht wirklich rosig. Wir haben zwar natürlich auch hier eine beträchtliche Absenkung erreicht, allerdings gibt es in den Ländern der Europäischen Union noch viel niedrigere Werte. Im Jahr 2001 etwa betrugen die Emissionen in den 15 EU-Ländern 8,9 Tonnen CO2 pro Kopf, in der Tschechischen Republik hingegen 12,6 Tonnen, also um ein Drittel mehr. Das heißt, auf diesem Feld erwartet uns noch ein ganzes Stück Arbeit."
Auf jeden Fall, und darin besteht dann auch die Hauptaussage der Ministeriumsinitiative, wirken sich all jene Anstrengungen, die derzeit im Vorfeld des angestrebten tschechischen EU-Beitritts unternommen werden, positiv auf die Umweltqualität des Landes aus. Einmal mehr zeigt sich somit, dass der Beitritt selbst ein zwar entscheidender Teil, aber eben doch nur ein Teil des Europäischen Integrationsprozesses sein wird. In unzähligen privaten und öffentlichen Initiativen wird bereits seit Jahren an der Überwindung alter Ost-West-Gegensätze gearbeitet, lokale Projekte und Städtepartnerschaften verwirklichen den Aufbau - oder manchmal auch Wiederaufbau - funktionierender Regionalstrukturen, neue Absatzmärkte tun sich auf, Verwaltungssysteme lehnen sich aneinander an, und es kommt eben zur Harmonisierung von Gesetzen, die im immer enger werdenden europäischen Kontext eigentlich längst keine Disharmonien mehr zulassen. Der Stichtag der EU-Erweiterung, voraussichtlich ist dies der erste Mai 2004, wird also nur der formale Höhepunkt einer Entwicklung sein, die längst begonnen hat und danach noch lange nicht enden wird. Und zwar sowohl was die Herausbildung einer gesamteuropäischen Identität als auch was die spröde Materie künftiger Gesetzestexte betrifft. Zur Perspektive der tschechischen Umweltpolitik im Hinblick auf die EU noch einmal Minister Ambrozek:
"Im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Europäischen Union möchte ich sagen, dass voriges Jahr, als wir die europäische Legislative in unsere Rechtsordnung übergeführt haben, ein neues Gesetz zur Luftreinhaltung und eine an dieses Gesetz anschließende Regierungsverordnung beschlossen wurden. Und gegenwärtig bereitet das Umweltministerium noch eine kleinere Novelle dieses Gesetzes vor, durch die dann alle europäischen Richtlinien in unserer Rechtsordnung ihren Niederschlag finden. Also auch dieser Bereich ist einer, wo es durch den Beitritt zur Europäischen Union zur weiteren Absicherung aller dieser Limits und Grenzwerte kommt, die heute schon bei uns gelten, und somit bestimmt auch zur weiteren Verbesserung der Luftqualität. Der Beitritt zur Europäischen Union ist also mit einem positiven Beitrag vor allem für die Umweltqualität und damit für die Gesundheit der Bürger verbunden."