75 verurteilte kubanische Dissidenten - kein Grund für Protestdemonstrationen?
Man hat schon immer - unter allen möglichen Regimes - für den Weltfrieden gekämpft. Martina Schneibergová befasst sich im folgenden Feuilleton mit einigen Gemeinsamkeiten der Demonstranten von früher und von jetzt.
Mit Luftballons, Friedenstauben und antiamerikanischen Spruchbänden marschieren Kinder verschiedenen Alters - vom Kindergartenalter bis zu den Halbwüchsigen - fröhlich winkend ... Der hellen Zukunft entgegen - möchte man hinzufügen. Denn diese Bilder, die man vor ein paar Tagen in der Fernsehberichterstattung aus verschiedenen westeuropäischen Städten sehen konnte, erinnerten mich an die genauso marschierenden und winkenden Schüler, die von ihren Pädagogen begleitet und organisiert bei den verschiedensten Gelegenheiten dem kommunistischen Regime und dem Weltfrieden huldigten.
An diese Assoziation, die diese Kinderumzüge hervorrufen, erinnerte auch der in Deutschland lebende Publizist Jirí Loewy vor kurzem in seiner Bemerkung in der Tageszeitung Lidové noviny. Darin beschrieb er sein Erlebnis vom Januar 1991, als er in Wuppertal Besuch aus Tschechien hatte. Einen Tag vorher brach damals der Golfkrieg aus. Im Stadtzentrum begegnete er mit seinen Besuchern einen Schüler- und Lehrerumzug mit entsprechenden Friedensutensilien. Die Tschechen hatten damals dieselbe Assoziation, die ich in den letzten Tagen hatte. Jirí Loewy bemerkt in seinem Artikel, er habe damals erklärt, es handele sich um eine zufällige Ähnlichkeit: Die Lehrer hatten unter dem kommunistischen Regime die politische Verdummung der Kinder auf dem Arbeitsplan, sie selbst hätten jedoch die Ideologie, die sie predigen mussten, oft nicht vertreten. Und Jirí Loewy setzt den Vergleich fort: Dagegen indoktrinieren die deutschen Pädagogen, die oft der radikal linken Generation der "Achtundsechziger" entstammen, die Jugend freiwillig und mit Begeisterung, ohne dazu von einem Lehrplan gezwungen zu werden. Sie tun es vielleicht aus ehrlicher Friedensliebe, wegen der Hochachtung der Menschenrechte, aus internationaler Solidarität, fügt der Publizist hinzu, aber ist dem wirklich so?
Das, was Jirí Loewy im Zusammenhang mit den deutschen Pädagogen konstatiert, gilt übrigens auch für die anderen, plötzlich aktiv gewordenen passionierten Friedenshüter. Während der vergangenen Jahre wurden deren Stimmen nie laut - kein einziges Mal, weder nach dem Einmarsch der Russen nach Tschetschenien, noch nach den Genoziden in Afrika mit Millionen von Opfern oder auch nach dem Massaker von Srebrenica.
Nun böte sich übrigens für alle Friedenskämpfer und Beschützer der Menschenrechte ein guter Grund, um auf die Straße zu gehen. Der kubanische Führer Fidel Castro ließ 75 Dissidenten zu insgesamt 1454 Jahren Gefängnis verurteilen. Bislang habe ich nicht verzeichnet, dass aus diesem Anlass eine Demonstration gegen das kubanische Regime stattgefunden hätte. Entweder ist das Charisma des einstigen bärtigen Guru der westlichen Linken immer noch so stark, oder stellt diese harte Unterdrückung der Dissidentenbewegung keinen ausreichenden Grund für Proteste dar. Denn um den Frieden geht es in diesem Falle kaum, denn die Verurteilten werden schön f r i e d l i c h im Gefängnis sitzen.