Deutschsprachige Verlage auf dem tschechischen Zeitungs - und Zeitschriftenmarkt.

Die Präsenz deutschsprachiger Verlage auf dem tschechischen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt ist unschwer zu übersehen - eine Tatsache, die sich der durchschnittliche Leser bei seiner Zeitungslektüre sicherlich nicht alltäglich bewusst macht, die aber hierzulande doch unterschwellig in den Köpfen präsent zu sein scheint. Hin und wieder jedenfalls, besonders in Zeiten angeheizter politischer Diskussionen über das tschechisch-deutsche Verhältnis, werden Stimmen laut, die den Zeitungen aus deutschsprachigen Verlagshäusern einseitige Berichterstattung bzw. Kommentierung vorwerfen und dies auf eine Einflussnahme der Verleger zurückführen. Wie sehen dies die Verlage selbst, was sagen sie zu diesen Vorwürfen und welche Entwicklungen beobachten sie auf dem hiesigen Zeitungsmarkt und bei ihren Lesern? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, wollen wir in dieser Sendung Vertreter aus drei deutschsprachigen Verlagen zu Wort kommen lassen.

Drei von vier überregionalen Zeitungen sowie etliche Zeitschriften, Sport- und TV-Magazine, mit anderen Worten: die maßgeblichen tschechischen Printmedien, werden heute von deutschsprachigen Verlagen herausgegeben. Eine ähnliche Tendenz lässt sich im gesamten mittel- und osteuropäischen Raum verzeichnen. Was macht diese Region für Verleger eigentlich so attraktiv? Bodo Zapp, Chefredakteur der Westfalenpost und beauftragter Koordinator der Gesellschafter der WAZ-Mediengruppe, die vor allem in Südosteuropa die unangefochtene Nummer eins unter den Verlagshäusern ist:

"Wissen Sie, es gibt nicht viele Zeiten, in denen sich wirklich was tut, wo man von Anfang an dabei ist und sich etwas entwickelt. Ich finde das ungeheuer aufregend. Und richtig spannend. Das kann man doch mit den Fingern greifen und spüren, wo sich was tut. Und wer da als Zeitung nicht dabei ist, der muss sich fragen, warum er eigentlich Zeitung macht."

Auf dem tschechischen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt sind vor allem die Passauer Neue Presse, die Rheinische Post und der Schweizer Ringier-Verlag aktiv. Im Zeitschriftenbereich sind darüber hinaus Burda, Springer, Bertelsmann und Bauer hervorzuheben. Die auflagenstärkste Tageszeitung hierzulande, das Boulevard-Blatt Blesk - Pendant zum schweizerischen Blick bzw. zur deutschen Bildzeitung - wird vom Schweizer Ringier Verlag herausgegeben. Bedenken vor einer zu starken Dominanz ausländischer Verlage in Tschechien hat der Generalmanager von dessen tschechischem Tochterunternehmen, Tomas Böhm, nicht - im Gegenteil:

"Meine Motivation, in einem solchen Verlag zu arbeiten ist die, dass ich bei Dingen zugegen sein möchte, die Sinn machen. Und die Anwesenheit ausländischer Verlage auf dem tschechischen Medienmarkt macht meiner Meinung nach Sinn. Und zwar deshalb, weil sie zur Verbreitung der Presse- und Meinungsfreiheit beiträgt."

Ringier ist seit 1990 in Tschechien tätig, beschäftigt gegenwärtig ausschließlich tschechische Mitarbeiter und verlegt mittlerweile zehn Zeitungen und Zeitschriften, allesamt im Boulevardsektor. Neben Blesk sind dies beispielsweise die Zeitschriften Reflex und abc, drei TV-Zeitschriften sowie die Zeitung Sport. Aber nicht nur im Bereich der Printmedien, sondern auch im Internetsektor hat Ringier inzwischen ein festes Standbein. Mit dem Betreiber eines der größten und beliebtesten Internet-Portale hierzulande, seznam.cz, gewissermaßen eine Art tschechisches "google", hat sich Ringier für die Präsentation seiner Publikationen im online-Bereich einen einflussreichen Vertreter an Land gezogen.

An der Zielsetzung, die das Unternehmen damit auch in Zukunft verfolgt, gibt es wenig zu deuteln. Tomas Böhm:

"Ringier will erfolgreich sein. Erfolgreich und fest etabliert und die Nummer eins auf dem tschechischen Verlagsmarkt."

Den Vorwurf, dass die Verleger auch auf die inhaltliche Gestaltung der Zeitungen Einfluss nehmen, hält Böhm für gegenstandslos und erkennt darin ein gewisses Defizit des tschechischen Medienmarktes:

"Auf dem tschechischen Medienmarkt fehlt gegenwärtig am meisten eine gewisse Kultiviertheit, würde ich sagen. Hier überwiegt immer noch die Meinung, dass die Verleger den Inhalt der Zeitungen beeinflussen wollen und damit auch die politische Szene. Das muss ich eindeutig zurückweisen. Eingriff in die inhaltliche Gestaltung der Zeitungen seitens der Verleger gibt es hier nicht."

Ähnlich sieht es Roman Latuske, Pressesprecher des Gesellschaft Mafra, die für die Rheinische Post-Gruppe die auflagenstärkste "seriöse" Tageszeitung Tschechiens, die Mlada fronta Dnes, herausgibt:

"Wir haben hier außer zwei Geschäftsführern nur tschechische Mitarbeiter. Auch ich spreche Tschechisch genauso gut wie Deutsch und werde gar nicht als ausländischer Mitarbeiter betrachtet. Die Vorwürfe, die man ab und zu hört, dass die deutschen Verlage hier die öffentliche Meinung einseitig beherrschen, die weisen wir rigoros zurück. Wir halten redaktionelle Arbeit und Verlagsarbeit strikt auseinander."

Neben der Mlada fronta Dnes gibt die Rheinische Post eine weitere überregionale seriöse Tageszeitung heraus - Lidove noviny. Auch bei den seriösen Zeitungen hierzulande lässt sich in letzter Zeit eine zunehmende Boulevardisierung beobachten. Mit Gewinnspielen u.ä. versucht man die Auflagen zu steigern, und auch die Schlagzeilen auf der Titelseite zeugen nicht selten von einer Tendenz zur Vereinfachung. Nach seiner Meinung zu dieser Entwicklung befragt, beruft sich Roman Latuske auf den Leserauftrag:

"Wir sind der Auffassung: Mehr Farbe im Produkt ist nicht gleich Boulevard. Wir machen intensive Leserumfragen und fragen unsere Leser auch, was sie lesen möchten, wo ihr Wissensdrang ist. Wir bekommen ganz oft die Antwort: Heutzutage ist man eigentlich übersättigt von zuviel reiner Politik. Man möchte ganz klar seriöse Informationen haben. Aber man möchte auch sehr viele Service-Informationen haben, TV-Programm, Wetterinformationen, regionale Informationen. Und die Zeitung muss auch unterhalten."

Diesem Leserauftrag fühlt sich die Rheinische Post ohne Einschränkungen verpflichtet:

"Wir stehen auch voll dazu und sehen uns als die meistgelesene seriöse Tageszeitung im Lande. Und das möchten wir auch weiterhin bleiben."

Apropos Leser: Unterscheiden sich eigentlich die tschechischen Zeitungsleser von den Lesern in Westeuropa? Tomas Böhm von der tschechischen Ringier-Tochter meint nein:

"Die Leser in der Tschechischen Republik und in anderen Ländern wie der Schweiz sind gleich. Sie kaufen sehr gerne Boulevardzeitungen, haben aber mitunter Probleme, dies zuzugeben. Wenn Sie sie fragen, was sie lesen, zählen sie Ihnen drei andere Zeitungen auf und verschweigen den Blesk."

Einen entscheidenden Unterschied zwischen ost- und westeuropäischen Zeitungslesern verortet hingegen Bodo Zapp von der WAZ-Gruppe:

"Ja, es wird in Osteuropa noch mehr gelesen, es gibt eine größere Lesebereitschaft. Da muss man ansetzen. Ein Vertrieb, wo man beispielsweise jeden Morgen die Zeitung zum Frühstück bekommt, ist eben nicht überall gegeben. Ich denke, man kann die Auflagen in einigen Fällen schon noch erweitern. Wir sind optimistisch, dass Zeitungen im MOE-Raum wirklich eine gute Zukunft haben, zumindest keine schlechtere als in Westeuropa. Zumal hier auch die Werbung noch nicht so weit entwickelt ist."

Bleibt zu hoffen, dass Bodo Zapp mit seiner Einschätzung der mitteleuropäischen Lesebereitschaft Recht behält und der traditionelle Zeitungsleser in Tschechien nicht auch schon bald zur aussterbenden Spezies zählt.