Hochwasser: Trauriges Jubiläum
Dieser Tage blickt Tschechien auf ein trauriges Jubiläum zurück: genau vor einem Jahr wurden weite Teile des Landes einschließlich der Hauptstadt von einer verheerenden Flutkatastrophe heimgesucht. Ein Jahr danach wird nun vielerorts bilanziert. Auf die Frage, ob die angerichteten Schäden hätten geringer ausfallen können, wenn man entsprechende Maßnahmen getroffen hätte, findet man keine eindeutigen Antworten. Ebenso wenig auf Fragen danach, wer wofür und in welchem Maße Schuld trage - da kommt man nicht selten zum Schluss, Schuld an dem Hochwasser habe das Wasser selbst! Vielen Städten und Gemeinden ist es mittlerweile gelungen, die größten Schäden zu beheben, in vielen hingegen hat sich nur wenig zum Besseren verändert. In solch einen Ort führt Sie jetzt Jitka Mladkova:
Die Gemeinde Horin liegt am Zusammenfluss der Moldau und der Elbe und wurde deshalb sozusagen doppelt von Flutmassen getroffen, der Wasserpegel lag hier stellenweise bei bis zu 5 Metern. Horin und die weiteren drei zu ihm gehörenden Orte mit insgesamt etwa 700 Einwohnern lagen im August 2002 inmitten eines riesengroßen Sees, zu dessen Bestandteil Dutzende von Gemeinden, aber auch historische Städte wie z.B. Litomerice/Leitmeritz, Terezin/Teresienstadt und Melnik binnen kurzer Zeit geworden sind. Wie war es damals mit der Vorwarnung der Bevölkerung, fragten wir den Bürgermeister von Horin, Petr Fous, der seine Gemeinde zu den statistisch am stärksten beschädigten zählt. Derzeit gibt es hier 73 abgerissene Objekte, die angerichteten Schäden lassen sich auf eine halte Milliarde Kronen, ca. 16 Mio Euro, beziffern.
"Das erste Warnsignal war nicht so wie es sein sollte. Die Leute glaubten zunächst nicht, dass sie in Gefahr sind. Sie wurden zwar evakuiert, aber konnten keine Maßnahmen zum Schutz ihres Eigentums treffen. Kurzum, alle haben alles verloren."
Auf die Frage, ob man tatsächlich nichts retten konnte, sagte uns einer der Evakuierten:
"Was sollten wir da retten? Plötzlich kreuzten hier Busse auf und auch Polisten und Feuerwehrleute, die uns aufforderten: schnell, schnell weg von hier. Und so stieg ich mit meinen Familienangehörigen ins Auto ein, mit nichts, nur Personalausweis und ein paar Dokumente nahmen wir mit."
Die stark beschädigten Häuser werden in Horin immer noch repariert, 73 wurden abgerissen, die Mehrheit ihrer Insassen wohnen immer noch in Ersatzunterkünften - in Containern, im nahe liegenden Melnik zur Untermiete oder bei verwandten. Einige bauen neue Häuser, einige warten auf den Fertigbau eines Hauses mit 22 Wohnungen. Alles geht langsam voran, denn es mussten vorerst Projekte ausgearbeitet werden, auf deren Grundlage die Gemeinde faktisch neu auferstehen soll. Diese Projekte - vor allem für eine neue Gasleitung, für die Reparierung der bis heute verseuchten Brunnen, für eine neue Wasserkläranlage, für die Reparatur der Brücke, die die Gemeinde für die Außenwelt zugänglich macht etc. - haben die Gelder der staatlichen Unterstützung fast restlos verschlungen. Etwas ist jedoch schon jetzt oder zumindest demnächst intakt: Die Schule samt Schulküche, Bibliothek und das Gemeindehaus. Immerhin, vielen bleiben nur bittere Erinnerungen, wie dieser Bewohnerin von Horin:
"Wir hatten hier ein Haus, 26 Quadratmeter, sechs Zimmer, jetzt haben wir nichts. Wir müssen irgendwie damit fertig werden. Wer es nicht erlebt hat, kann sich´s kaum vorstellen."