"Weiße Tiger" aus Liberec wollen in zwei Jahren ein Spitzenteam sein

Tschechische Basketballspielerinnen, Foto: CTK

Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Der diesjährige Sommer ist definitiv zu Ende, der Winter noch ein Stück entfernt. Es ist Herbst, und im Sport bedeutet dies, dass derzeit weder die typischen Sommer- noch Wintersportarten das Sagen haben, sondern in erster Linie die Mannschaftssportarten, die ihre Spielzeiten eben gerade in das Herbst- und Frühjahrsquartal legen. Die weiblichen wie männlichen Volleyballer und Basketballer trugen hierbei im zurückliegenden Monat jeweils ihre Europameisterschaften aus, wobei die tschechischen Basketballspielerinnen von ihrem EM-Championat im griechischen Patras mit einem beachtlichen Erfolg zurückkehrten. In einem nie gekannten Siegeszug zogen sie bis ins Finale ein, und erst hier unterlagen sie der russischen Vertretung knapp mit 56:59. Die Silbermedaille war der verdiente Lohn für eine hervorragende Vorbereitung und ein noch besseres Turnier, welches die Damen von Auswahltrainer Jan Bobrovský gespielt haben. Doch dieser großartige und nahezu völlig unerwartete Erfolg der tschechischen Korbjägerinnen soll heute (noch) nicht das Thema unserer Sendung sein. Ich führe Sie vielmehr aufs glatte Eis, doch wohin genau, das erfahren Sie gleich!

Nicht nur in Prag, sondern auch in einigen anderen tschechischen Großstädten bewegt sich einiges in Sachen Spitzensport. Eine hervorragende Adresse für alle Fußballfans ist mittlerweile zum Beispiel der FC Slovan Liberec geworden, der in der Saison 2001/02 zum ersten Male die Landesmeisterschaft gewann und zudem mit dem Vordringen bis ins Viertelfinale des UEFA-Cups für Furore sorgte. Und es hat ganz den Anschein, als wenn auch der in Liberec/Reichenberg beheimatete Eishockeyclub eine ähnliche Entwicklung vollzieht. Denn was hier gerade in den zurückliegenden zehn Jahren bei dem am 21. August 2000 in HC Bíli Tygri Liberec umbenannten Verein alles so gelaufen ist, das verdient schon höchste Anerkennung. 1994 war der damals noch HC Stadión Liberec heißende Klub mit Hilfe eines großen Sponsors - der vom heutigen Präsidenten Petr Syrovátko geführten Firma Syner - angetreten, um sich aus den Niederungen der drittklassigen 2. Nationalen Liga kontinuierlich nach oben zu arbeiten. Und das ambitionierte Vorhaben gelang: 1995 stieg die Mannschaft in die 1. Liga auf, nach der Saison 2001/02 dann in die oberste Spielklasse des Landes, die so genannte Extraliga. Welche finanziellen Konsequenzen dieser Aufstieg nach sich zog, dazu sagte mir der Generalmanager des Clubs, Ctibor Jech:

"Wir haben uns in den letzten zehn Jahren Schritt für Schritt nach oben gearbeitet. Wir gelangten aus der 2. Liga über die 1. Liga bis hoch in die Extraliga und jedes Jahr hatten wir uns dabei bestimmte Ziele gesetzt, die wir in der Regel auch erfüllt haben. Wir haben mit einem Budget von zwei Millionen Kronen begonnen und jetzt liegen wir bei einem Saisonbudget von ca. 63 Millionen Kronen. Das heißt, wir haben eine relativ kontinuierliche Entwicklung genommen, zumal auch die Leute im Management ziemlich die gleichen geblieben sind."

Klar, man hat klein begonnen und sich inzwischen ein viel breiteres Umfeld geschaffen. Der HC Bílí Tygri, zu deutsch: Eishockeyclub Weiße Tiger, erfreut sich nämlich heute der Unterstützung von bereits 70 bis 80 Sponsoren, von denen ein jährlicher Mindestbetrag von einer halben Million Kronen zu entrichten sei, verrät mir Ctibor Jech. Doch auf Firmen und Unternehmer allein will man sich in Zukunft nicht verlassen, so der Manager, denn es gelte ebenso, vor allem Zuschauer und damit auch treue Fans an den Verein zu binden. Doch das sei hierzulande noch ein großes Problem, offeriert mir Ctibor Jech:

"Die Frage des Besucherzuspruchs ist bei uns ganz sicher eines der größten Probleme, denn aufgrund der Vergangenheit, wo man bei uns so etwas wie Klubtreue und Fanzugehörigkeit nicht wünschte, wo man nicht wollte, dass sich die Menschen hier in größeren Gruppen zusammentun, wie das viel früher der Fall war, da hat die oberste Liga auch ohne Probleme vor nur wenigen Zuschauern gespielt. Niemand hatte ein ausgemachtes Interesse daran, dass viele Menschen Sportveranstaltungen besuchen. Heute aber ist es so wie überall auf der Welt: Man setzt auf eine gewisse Vereinstreue, und so versuchen auch wir, die Zuschauer für uns zu gewinnen, dass sie mit dem Club leben, stolz auf dessen Trikot sind, dass er ihnen etwas bedeutet. Das Geschehen der nationalen Spitzenligen im Fußball oder im Eishockey sollte sich daher in wirklich größeren Städten abspielen, weil hier ein entsprechendes Umfeld gegeben ist. Zudem müssen Stadien bzw. Hallen entstehen mit Niveau und Komfort, das gehört heute einfach dazu. All diese Faktoren zusammen gewährleisten ein Spitzenerlebnis, sowohl ein sportliches als auch ein gesellschaftliches."

Um seine Aussage noch zu bekräftigen, schildert mir Jech in detaillierter Weise, dass man im kommunistisches Regime insbesondere die Art der Freizeitgestaltung gefördert habe, bei der sich die Menschen am Wochenende auf ihre so genannten Datschen zurückziehen, dort Gartenarbeit und andere kleinere Tätigkeiten verrichten, um vor allem nicht in die Versuchung zu kommen, sich bei Massenansammlungen wie z.B. Konzert- und Sportveranstaltungen miteinander auszutauschen. Es werde daher noch jede Menge an Aufwand erfordern, die Menschen in ihrer Freizeit auch wieder verstärkt ins Kino, Theater oder in ein Stadion zu locken, erklärt mir der Manager. Nichtsdestotrotz sei man bemüht, sich das Umfeld im Dreiländereck zu Nutze zu machen und dabei auch immer mehr Bürger aus Ostsachsen als Zuschauer für das in Liberec angestrebte Eishockey von Spitzenformat zu gewinnen. Wie dieses aussehen soll, dazu gleich mehr.

Jahr für Jahr wollen die "Weißen Tiger" ihren Kader verstärken, um alsbald ganz oben mitspielen zu können. Wann das sein soll, dazu sagte mir Manager Jech:

"Wir wollen innerhalb von zwei Jahren ein Team zusammenstellen, das regelmäßig im Play off vertreten ist und das versucht, in die Gruppe der fünf, sechs führenden Mannschaften vorzustoßen, die das Niveau der Extraliga bestimmen. Beim Aufbau eines solchen Kaders gibt es jedoch noch viel Arbeit."

In der Tat, der Auftakt in die neue Saison verlief für die Reichenberger alles andere als zufriedenstellend. Nach acht Spieltagen liegen sie mit fünf Punkten nur auf dem vorletzten 13. Platz. Doch der Saisonauftakt wurde bei den "Weißen Tigern" leider auch überschattet von einem tragischen Ereignis, das die Mannschaft stark mitgenommen hat und ihr Augenmerk nicht voll konzentriert auf das Eishockey richten ließ: der unerwartete Freitod ihres Mitspielers Pavel Kábrt. Der 24 Jahre alt gewordene Stürmer ist vermutlich aus dem Leben geschieden, weil er gesundheitliche Probleme hatte, mit denen er offensichtlich nicht fertig wurde. Es wurde berichtet, dass er seinen in letzter Zeit schlechten Gesundheitszustand - Kábrt klagte über Durchfall, Schlaffheit und ständige Kopfschmerzen - mit einer panischen Angst vor Krebs in Verbindung brachte. Die Mannschaft habe von seinen innersten Problemen nichts gewusst, daher sei sein plötzliches Ableben für die meisten Teamgefährten auch ein Schock gewesen, erzählt mir Trainer Josef Jandác, und ergänzt:

"Die Situation war für uns sehr schwierig, und ich will nicht sagen, sie ist es noch, denn ich glaube daran, dass wir uns davon so schnell als möglich befreien können, und ich denke, dass uns das im Spiel gegen Znojmo auch schon ganz gut gelungen ist. Aber dennoch ist es schwer, denn Pavel war nicht nur einer unserer Spieler, sondern in erster Linie auch ein guter Kamerad. Der Verlust eines Kameraden trifft einen immer schwer, uns aber ganz besonders wegen der Art und Weise, wie er zustande kam, nämlich dass Pavel den Freitod wählte. Er wollte damit anscheinend seine innersten Probleme lösen, über die wir leider nicht bescheid wussten, und das macht es noch schlimmer. Unser Standpunkt zu dieser entstandenen Situation ist aber inzwischen der, dass wir schon nicht mehr darüber sprechen wollen, denn wenn wir uns immer wieder damit beschäftigen, dann kehren die Gedanken an dieses traurige Ereignis stets zurück, was uns davon abhält, gutes und erfolgreiches Eishockey zu spielen."

Jawohl, dieser Schock saß tief und hatte die "Weißen Tiger" zuletzt stark verunsichert. Doch die Blicke sind inzwischen wieder nach vorn gerichtet. Auch bei Verteidiger Jaroslav Nedved, einem gebürtigen Reichenberger, der nach 16 Jahren, in denen er vorrangig für den tschechischen Spitzenclub Sparta Prag spielte, in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist. Was hat sich seitdem hier geändert hat, wollte ich von ihm wissen:

"Was sich geändert hat? Nun, ich war 16 Jahre weg. 16 Jahre, in denen ich woanders in der Republik und in der Welt Eishockey gespielt habe. Jetzt bin ich zurückgekommen und das Stadion steht immer noch. Das ist gut so, aber zudem baut man bereits eine neue, moderne Arena, und mit ihrer Einweihung in zwei Jahren wird es, so denke ich, noch besser. Wir freuen uns schon alle darauf."

Na denn, auch Sie liebe Sportfreunde, die zudem das Eishockeyspiel mögen, dürfen sich schon jetzt darauf freuen. Und mit diesen rosigen Aussichten sind wir auch schon wieder am Ende unseres heutigen Sportreports angelangt.